Städtetag pocht auf ausreichend Personal für Impfungen

Die ersten Zulassungen für Impfstoffe gegen das Coronavirus rücken in
greifbare Nähe. Wenn es so weit ist, soll alles möglichst schnell
gehen. Der Städtetag macht Druck - auch wenn die meisten Impfwilligen
in Deutschland sich wohl noch monatelang gedulden müssen.

Berlin (dpa) - Der Deutsche Städtetag fordert von den Ländern rasch
genügend medizinisches Personal für Corona-Impfungen. «Wenn der
Impfstoff da ist, dürfen die Impfungen nicht an fehlendem Personal
scheitern», sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) der
Deutschen Presse-Agentur. «Massenimpfungen» für die breite
Bevölkerung werden nach seiner Einschätzung aber nicht vor dem Sommer
möglich, wenngleich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit
rechnet, dass im Dezember ein erster Impfstoff zugelassen wird. Nach
dem aktuellen ZDF-«Politbarometer» will sich gut die Hälfte der
Bürger (51 Prozent) impfen lassen, 29 Prozent sind sich da noch nicht
sicher und 20 Prozent wollen das definitiv nicht.

In Deutschland übermittelten die Gesundheitsämter dem Robert
Koch-Institut (RKI) unterdessen 21 695 neue Corona-Infektionen binnen
24 Stunden, wie das RKI am frühen Samstagmorgen meldete. Am
vergangenen Samstag hatte die Zahl bei 22 964 gelegen. Der
Höchststand war am Freitag vor einer Woche (20.11.) mit 23 648
gemeldeten Fällen erreicht worden. Die Gesundheitsämter meldeten
binnen eines Tages zudem 379 neue Todesfälle. Eine leichte
Entspannung zeichnete sich auf den Intensivstationen ab. Das Register
der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin (DIVI) wies am Samstag (Stand: 12.15 Uhr) 5526 freie
Intensivbetten aus, und damit rund 200 mehr als am Vortag.

«Die Städte unterstützen selbstverständlich tatkräftig den Aufbau
und
Betrieb der Impfzentren», sagte Jung. «Sie sind in der Lage, zügig
die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen zu treffen. Das
heißt zum Beispiel Gebäude anmieten und ausstatten.» Die Kosten, die

den Kommunen entstünden, müssten Bund, Länder und Krankenkassen
ausgleichen.

Die Impfungen selbst seien Aufgabe der kassenärztlichen Vereinigungen
und ihrer niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, so der Leipziger
Oberbürgermeister. Die Gesundheitsämter seien bereits ausgelastet.
«Wir fordern die Länder auf, sich gemeinsam mit den kassenärztlichen

Vereinigungen jetzt schnell um genügend medizinisch-pflegerisches
Personal für die Impfzentren und die mobilen Impfteams zu kümmern.»
Die Zeit dränge, weil die ersten Impfstoff-Mengen schon bald zur
Verfügung stehen dürften, wenn auch zunächst nur «für einen relat
iv
kleinen Personenkreis».

Gesundheitsminister Spahn sagte dem Bayerischen Rundfunk im Interview
der Woche auf B5 aktuell, jeder könne für sich entscheiden, ob er
dieses Angebot annehme. Aber: «Im Ziel habe ich schon die Erwartung
und die Bitte, dass die allermeisten, die im Gesundheitswesen
arbeiten, sich auch impfen lassen.» Es gehe nicht nur darum, sich zu
schützen, sondern auch die, die man pflege.

Spahn hat die Länder nach eigenen Angaben gebeten, dass die
Impfzentren Mitte Dezember einsatzbereit sein sollen. Jung warnte vor
dem Eindruck, dass es ab Januar an vielen Orten Impfzentren geben
könne. «Tatsächlich gehen wir aber davon aus, dass bis weit ins
Frühjahr hinein vor allem mobile Impfteams in Pflegeeinrichtungen und
Krankenhäuser fahren», so Jung. Es dürfte keine unrealistische
Erwartungen geweckt werden. «Massenimpfungen für die breite
Bevölkerung werden nach den Plänen von Bund und Ländern frühestens
ab
dem Sommer möglich sein.» Mehrere Impfstoffhersteller haben in den
vergangenen Wochen vielversprechende Testdaten veröffentlicht. Eine
Zulassung liegt aber noch nicht vor.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Gesundheitsminister Spahn
vor, falsche Erwartungen zu wecken. Irritierend seien zudem
Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die geplante
Reihenfolge zu ändern, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. Wissenschaftliche Regierungsberater hatten
einen Vorrang für Ältere und Vorerkrankte empfohlen. Merkel hatte in
ihrer Regierungserklärung am Donnerstag nun aber gesagt: «Wir haben
verabredet, dass diese Impfstoffe dann den Menschen angeboten werden,
die im medizinischen, pflegerischen Bereich arbeiten, und sie als
erste Zugriff darauf haben.»

Brysch warnte nun davor, dass der Impfstoff doch nicht zunächst für
Pflegebedürftige, schwer und chronisch Kranke zur Verfügung steht.
«Die Hochrisikogruppe darf ihren ersten Platz nicht verlieren»,
forderte er. «Deshalb muss der Bundestag unverzüglich eine eindeutige
Priorisierung für Personen und Berufe festlegen.»

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geht davon aus, dass die
Zustimmung in der Bevölkerung wächst, sobald die Versorgung mit
Impfstoffen anläuft. «Wir brauchen die Bereitschaft der Menschen,
sich impfen zu lassen», sagte der CDU-Politiker der «Augsburger
Allgemeinen» (Samstag). «Aber eine Impfpflicht wird es nicht geben.
Das will niemand, der Verantwortung trägt.»

Im bayerischen Passau, mit zuletzt knapp 440 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner in sieben Tagen einer der aktuell am stärksten von
Corona betroffenen Orte in Deutschland, begannen am Samstag strikte
Ausgangsbeschränkungen. Bürger dürfen ihre Wohnung nur noch aus
triftigem Grund verlassen, beispielsweise um zur Arbeit, zum Arzt
oder zum Einkaufen zu gehen.

Kanzlerin Merkel sprach den Bürgerinnen und Bürgern in ihrem am
Samstag veröffentlichten Video-Podcast derweil Mut zu. «Wir haben ein
großes Stück des Weges zurückgelegt», sagte sie. «Wir können
annehmen, dass ein oder mehrere Impfstoffe nicht am Sankt
Nimmerleinstag, sondern in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen
können.»