) Keine Entspannung in Corona-Hotspot - Landrat unter Polizeischutz

Die Corona-Sorgen im Landkreis Hildburghausen, dem bundesweiten
Corona-Hotspot, werden nicht geringer. Der Landrat erhält nach
Drohungen Polizeischutz. Und die aufsehenerregende Demonstration vom
Mittwochabend gibt noch immer Rätsel auf.

Hildburghausen (dpa/th) - Im bundesweiten Corona-Hotspot Nummer eins,
dem Landkreis Hildburghausen, bleibt die Situation angespannt - nicht
nur wegen weiter steigender Infektionszahlen. Landrat Thomas Müller
(CDU) steht nach Drohungen in den sozialen Medien unter
Polizeischutz. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

Tatverdächtige gebe es bislang nicht, sagte eine Polizeisprecherin am
Freitag. Die Streifentätigkeit in der knapp 12 000 Einwohner
zählenden Stadt, in der wegen der Pandemie seit Mittwoch ein Lockdown
mit strengen Ausgangsbeschränkungen und geschlossenen Schulen und
Kindergärten besteht, sei verstärkt worden.

In dem Landkreis an der Grenze zu Bayern hat sich mit Stand Freitag
die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer
Woche auf rund 630 erhöht (Vortag: 602,9). Das ist der Höchstwert in
Deutschland.

Am Donnerstagabend rückte die Polizei zu einem Einsatz an der
regionalen Corona-Teststation aus. Es habe einen Aufruf in sozialen
Medien zur Blockade der Abstrichstelle gegeben, sagte Bürgermeister
Tilo Kummer (Linke) der dpa, was die Polizeisprecherin bestätigte.
Die Sicherheitskräfte seien daraufhin vor Ort gewesen, eine Blockade
habe aber nicht festgestellt werden können, sagte sie. Wer dahinter
steckt, sei zunächst unklar.

Von der Drohung gegen ihn habe er am vergangenen Sonntag erfahren,
sagte Landrat Müller am Freitag der dpa. Unter Polizeischutz steht er
laut Polizei seit Donnerstag. Sie vermutet einen Zusammenhang mit den
Corona-Schutzmaßnahmen. Gegen diese hatten mehrere Hundert Menschen
am Mittwochabend im Stadtzentrum protestiert.

Sie zogen laut Polizei singend durch die Straßen, wobei viele keinen
Mund-Nasen-Schutz trugen. Die Polizei löste die Ansammlung
schließlich auch mit Hilfe von Pfefferspray auf. Wer die
Demonstration, in der laut Sicherheitskreisen auch örtliche
AfD-Vertreter und Anhänger rechtsextremistischer Gruppierungen
mitgelaufen sind, organisiert hat, war am Freitag weiter unklar.

Die Zahl der aktiven positiven Corona-Fälle in dem 63 000 Einwohner
zählenden Landkreis lag laut Landratsamt am Freitag bei 853. Alle
acht verfügbaren Intensivbetten in dem Landkreis sind derzeit belegt,
wie aus dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für
Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) mit Stand Freitagmorgen
hervorging. In Hildburghausen gibt es ein Allgemeinkrankenhaus der
Grundversorgung und eine Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie.
Zwei der acht auf Intensivstationen behandelten Patienten sind
Covid-19-Patienten. Diese mussten beatmet werden.

Derweil laufen im Kreis die Vorbereitungen für die am kommenden
Dienstag geplanten Corona-Schnelltests in Schulen und Kindergärten.
Dazu werden insgesamt 25 Testteams, unter anderem von der Bundeswehr,
erwartet. In den Kindergärten der Kreisstadt Hildburghausen wurden am
Freitag die Eltern abgefragt, wie Bürgermeister Kummer berichtete.
Man wolle einen Überblick über die Testwilligen bekommen. Die
Bürgermeister von Eisfeld und Heldburg hätten schon erklärt, die
Antigen-Schnelltests nicht vornehmen lassen zu wollen.

Trotzdem sollen die Tests auch in diesen Orten angeboten werden, wie
der Landrat sagte. «Ob Kinder getestet werden, entscheiden nicht die
Bürgermeister, sondern allein die Eltern.» Sollten Bürgermeister
dafür kommunale Räume nicht zur Verfügung stellen, «werden wir
Testwillige andernorts in die Tests einbinden».

Bürgermeister könnten allenfalls ablehnen, dass von ihren Kommunen
betriebene Einrichtungen dafür genutzt werden, erklärte Müller. Für

den Landkreis heiße dies zwar, dass die Tests dann schwieriger zu
organisieren seien. «Trotzdem bieten wir sie den Eltern an.» Von den
Tests erhofft sich der Landkreis Aufschluss darüber, wie stark
verbreitet das Coronavirus in den Einrichtungen tatsächlich ist.

Unterdessen müssen sich auch die Einwohner im Altenburger Land auf
eine Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen einstellen. Dort hat in
den vergangenen sieben Tagen die Zahl der Neuinfektionen die Marke
von 300 übersprungen, wie das Landratsamt am Freitag mitteilte.

Derzeit werde mit dem Thüringer Gesundheitsministerium eine neue
Allgemeinverfügung abgestimmt. Mehrere Pflegeeinrichtungen in dem
ostthüringischen Landkreis sind von Corona-Ausbrüchen betroffen. Das
Infektionsgeschehen sei «diffus», hieß es. Das ist Ausdruck dafür,

dass sich meist keine klaren Infektionsquellen mehr feststellen
lassen.

In ganz Thüringen kamen von Donnerstag auf Freitag 574 neue
Corona-Fälle hinzu. Die Gesamtzahl der seit Beginn der
Corona-Pandemie nachgewiesenen Infektionen erhöhte sich damit laut
dem Gesundheitsministerium in Erfurt auf 15 822. In Thüringen sind
bislang 340 mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben. 73
Patienten wurden laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung
für Intensiv- und Notfallmedizin am Freitag auf Thüringer
Intensivstationen behandelt, 32 davon mussten künstlich beatmet
werden.