Corona-Impfstoff von Astrazeneca kommt auf den Prüfstand

Der vom Pharmakonzern Astrazeneca entwickelte Corona-Impfstoff zählt
zu den aussichtsreichen Kandidaten im Kampf gegen die Pandemie. Doch
es kommt zunehmend Kritik auf. Nun kommt das Mittel auf den
Prüfstand.

Oxford (dpa) - Die umstrittenen Impfstoff-Ergebnisse des
Pharmakonzerns Astrazeneca werden im Auftrag der britischen Regierung
geprüft. Dies sei ein «erster, bedeutender Schritt bei der Zulassung
des Vakzins, wenn er die Sicherheits-, Wirksamkeits- und
Qualitätsstandards erfüllt», teilte das Gesundheitsministerium am
Freitag in London mit. Die Prüfung soll von der britischen
Aufsichtsbehörde für Arzneimittel durchgeführt werden.

Zuvor waren Zweifel am Design der klinischen Studien und der hohen
Wirksamkeit des Impfstoffs aufgekommen. Der schwedisch-britische
Konzern plant daher zusätzliche Untersuchungen. Sie sollen die Daten
«bereits vorhandener Studien ergänzen», teilte eine Sprecherin von
Astrazeneca der Deutschen Presse-Agentur in London mit, ohne Details
zu nennen.

Der mit der Universität Oxford entwickelte Impfstoff soll nach den
bisherigen Studiendaten im Mittel einen 70-prozentigen Schutz vor
Covid-19 bieten. Bei spezieller Dosierung könnte die Wirksamkeit dem
Konzern zufolge womöglich noch deutlich höher liegen. Berücksichtigt

wurden Daten zweier klinischer Studien mit verschiedener Dosierung.

Berücksicht wurden für die Zwischenergebnisse zum einen Daten einer
kombinierten Phase-II/III-Studie, bei der die Versuchspersonen zuerst
eine halbe Dosis des Impfstoffs und einen Monat später eine weitere
volle Dosis erhielten. Die Effektivität lag den Angaben zufolge hier
bei 90 Prozent. Zum anderen wurden Ergebnisse einer Phase-III-Studie
berücksichtigt, bei der Probanden zwei volle Dosen bekamen. Die
bisher errechnete Effektivität lag bei 62 Prozent. Zusammengenommen
ergibt sich dem Konzern zufolge eine Wirksamkeit von 70 Prozent.

Kritiker bemängelten die Berechnungen der Wirksamkeit auf diese
Weise, da unterschiedliche Dosen gegeben worden waren. US-Forscher
kritisierten zudem, dass in der Studie, die zu einem hohen Impferfolg
von 90 Prozent führte, kein Teilnehmer älter als 55 Jahre war. Doch
gerade Senioren gelten als besonder gefährdete Gruppe. Ein großer
Vorteil des Impfstoffs: Er kann den Angaben zufolge bei
Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad aufbewahrt werden.

«Wir haben die Aufsichtsbehörde formell gebeten, den Impfstoff ... zu
bewerten, die Daten zu verstehen und festzustellen, ob er den
strengen Sicherheitsstandards entspricht», teilte Gesundheitsminister
Matt Hancock mit. «Wir arbeiten unermüdlich daran, in der
bestmöglichen Lage zu sein, einen Impfstoff bereitzustellen, sobald
er von der unabhängigen Aufsichtsbehörde MHRA genehmigt wird.»

Anders als die vielversprechenden Vakzine der Mainzer Firma Biontech
und des Pharmakonzerns Pfizer sowie der US-Firma Moderna gehört das
britisch-schwedische Präparat nicht zu den mRNA-Impfstoffen. Die
Wirksamkeit der Vakzine von Pfizer/Biontech und Moderna liegt für
Doppelimpfungen nach vorläufigen Daten bei rund 95 Prozent.

Der von Astrazeneca eingesetzte Wirkstoff AZD1222 beruht auf der
abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es
enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der
Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Mittel soll
sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen
fördern - beide sind für die Immunabwehr wichtig. Insgesamt haben
weltweit Länder bereits Milliarden Dosen bei Astrazeneca geordert.