Freiheit oder Zwang: Internationale Debatte um Corona-Impfpflicht Von Denis Düttmann und den dpa-Korrespondenten

Um Corona zu bezwingen, sollen in kürzester Zeit möglichst viele
Menschen geimpft werden. Machen freiwillig genug mit oder soll der
Staat seine Bürger dazu verpflichten? In Deutschland ist das ein
sensibles Thema - in anderen Ländern ist die Impfpflicht ganz normal.

Buenos Aires (dpa) - Während fast ein Jahr nach Beginn der
Corona-Pandemie Millionen Menschen auf der ganzen Welt einem
Impfstoff entgegenfiebern, fürchten einige Kritiker bereits eine
Impfpflicht. Wie nur wenige andere Themen aus der Medizin sorgen
Vakzine immer wieder für Kontroversen, in bestimmten Kreisen gelten
Impfungen als bestenfalls unnötig und schlimmstenfalls gefährlich.
Auch auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in
DEUTSCHLAND wurde zuletzt immer wieder gegen Impfungen gewettert.

Zwar gibt es im Infektionsschutzgesetz theoretisch die Möglichkeit,
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates besonders
bedrohte Teile der Bevölkerung unter bestimmten Voraussetzungen zu
einer Impfung zu verpflichten. Die Bundesregierung hat einer
Impf-Verpflichtung allerdings bereits mehrfach eine klare Absage
erteilt. «Ich gebe ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine
Impfpflicht geben», betonte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
im Bundestag - ausdrücklich auch in Richtung anderer Behauptungen.

In den USA ist eine verpflichtende Corona-Impfung mit einem
zugelassenen Mittel nicht ausgeschlossen. Ein solcher Beschluss würde
aber nicht bundesweit, sondern pro Bundesstaat getroffen werden. So
verabschiedete die New Yorker Anwaltskammer Anfang November einen
Beschluss, der eine Impfpflicht für den Fall empfehlen würde, dass
nicht genug Menschen das Präparat freiwillig akzeptieren sollten.

Einer solchen Maßnahme könnte dadurch Nachdruck verliehen werden,
dass nicht-geimpfte Personen zum Beispiel keine Bars oder Restaurants
besuchen dürften. Auch Arbeitgeber können ihre Angestellten Experten
zufolge zu einer Impfung veranlassen, solange sie einen berechtigten
Grund dazu haben.

In AUSTRALIEN hat Premierminister Scott Morrison schon im August
betont, er wolle eine Impfpflicht für alle Bürger, sobald ein
Impfstoff vorhanden sei. Die nationale Fluggesellschaft Qantas will
zumindest auf Interkontinentalflügen eine Impfpflicht für ihre
Passagiere einführen. Sobald ein Impfstoff verfügbar sei, würden die

Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Airline entsprechend angepasst,
sagte Qantas-Chef Alan Joyce.

In der SCHWEIZ ist eine partielle Impfpflicht denkbar. «Ein
Obligatorium kann je nach Lage in speziellen Situationen Sinn
machen», sagte die Chefin des Bundesamtes für Gesundheit, Anne Lévy,

zuletzt im «Sonntagsblick». Gemeint ist aber höchstens die
Impfpflicht für bestimmte Gruppen, wie die Gesundheitsrechtlerin
Franziska Sprecher von der Universität Bern dem Sender SRF sagte:
«Impfobligatorien sind nach dem geltenden Recht möglich. Allerdings
nur für spezifische Gruppen wie etwa Personen, die mit vulnerablen
Gruppen zu tun haben, insbesondere das Gesundheitspersonal.»

Die meisten anderen europäischen Länder hingegen setzen auf
Freiwilligkeit. «Ich werde die Impfung nicht verpflichtend machen»,
sagte FRANKREICHS Präsident Emmanuel Macron in dieser Woche in einer
TV-Ansprache. Die Impfungen gegen das Coronavirus sollen in SPANIEN
freiwillig, kostenlos und zuerst Risikogruppen vorbehalten sein, wie
es in dem Impfplan der Regierung steht. Auch in TSCHECHIEN sieht die
nationale Impfstrategie vor, dass die Teilnahme an der Immunisierung
freiwillig sein wird. ITALIENS Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte
in einem Fernsehinterview des Senders «LA7», er favorisiere eine
freiwillige Entscheidung.

Weltweit gibt es nach einer Studie der kanadischen McGill University
in etwa der Hälfte aller Länder verpflichtende Impfprogramme gegen
mindestens eine Krankheit. In 62 Staaten gibt es irgendeine Art von
Strafe für Menschen, die sich der Impfpflicht widersetzen - das kann
von Belehrungen über Geldbußen bis hin zu Haftstrafen reichen.
«Impfprogramme sind das kosteneffektivste und erfolgreichste Werkzeug
im öffentlichen Gesundheitswesen. Gerade in einer Pandemie ist eine
hohe Durchimpfung im globalen Maßstab wichtig», sagte die leitende
Autorin der Studie, Katie Gravagna.

In ARGENTINIEN beispielsweise gibt es eine Impfpflicht gegen eine
ganze Reihe von Krankheiten wie die üblichen Kinderkrankheiten,
Hepatitis A und B, Rotaviren, Diphtherie, Tetanus und Gelbfieber.
Diese Impfungen stehen im Nationalen Impfkalender und sind damit
kostenlos und obligatorisch. Ohne Impfnachweis können Kinder zum
Beispiel nicht eingeschult werden. Die Impfung gegen das Coronavirus
soll zunächst nicht verpflichtend sein. Sie könnte aber noch später
in den verpflichtenden Impfkalender aufgenommen werden, wenn sich die
neuen Vakzine als effektiv und sicher herausgestellt haben.

Auch in BRASILIEN sind zahlreiche Impfungen verpflichtend. Allerdings
gibt es vor allem unter den Anhängern des rechten Präsidenten Jair
Bolsonaro große Vorbehalte gegen jede Art von Corona-Maßnahmen. Als
São Paulos Gouverneur João Doria zuletzt eine Impfpflicht gegen das
Coronavirus ins Gespräch brachte, kam es zu Protesten. Auf einem
Transparent war zu lesen: «Wir sind keine Versuchskaninchen.»