Viel Kritik an neuen Corona-Beschlüssen - Merkel appelliert an Bürger

Die Infektionszahlen bleiben auf einem hohen Niveau. Deswegen ziehen
Bund und Länder nun die Zügel an. Lässt sich eine Trendumkehr
erreichen?

Berlin (dpa) - Die verschärften Maßnahmen von Bund und Ländern zur
Eindämmung des Coronavirus sind vor allem in der Wirtschaft und bei
Medizinern auf Kritik gestoßen. Der Handel warnte angesichts
strengerer Auflagen vor Warteschlangen vor Supermärkten und
dramatischen Folgen für Firmen. Handwerk und Industrie forderten
rasche Hilfen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die
Beschlüsse. Sie sagte am Donnerstag im Bundestag: «Wir haben ganz
ohne Zweifel noch einmal schwierige Monate vor uns.» Sie appellierte
an die Bürger, die Corona-Regeln einzuhalten: «Wenn wir das
beherzigen, werden wir aus der Krise kommen.»

Bund und Länder hatten am Mittwochabend beschlossen, dass der
Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants,
Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember verlängert
wird. Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten
sollen auf maximal fünf Personen aus dem eigenen und einem weiteren
Haushalt begrenzt werden. Weihnachten soll aber gefeiert werden
können, im engsten Familien- und Freundeskreis mit maximal zehn
Menschen, Kinder bis 14 Jahre jeweils nicht eingerechnet.

Die Kanzlerin stimmte die Menschen angesichts des hohen
Infektionsgeschehens auf eine weitere Verlängerung der Maßnahmen bis
Januar ein. Es gebe aber auch Anlass zur Hoffnung, sagte sie mit
Blick auf die fortgeschrittenen Zulassungsverfahren für Impfstoffe.

Die Infektionszahlen in Deutschland stagnieren auf einem weiterhin
hohen Niveau. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut
(RKI) 22 268 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden. Das waren
rund 3600 mehr als am Mittwoch, vor einer Woche waren es 22 609.

Mediziner kritisierten die geplanten Lockerungen über die Feiertage.
«Weihnachten wird damit zu einem Fest mit einem Todesrisiko für
manche Menschen», sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank
Ulrich Montgomery, SWR Aktuell. Auch die Virologin Helmholtz-Institut
für Infektionsforschung, Melanie Brinkmann, äußerte Kritik.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hält die
Zehn-Personen-Grenze für Silvester aber noch nicht für ausgemacht:
«Das hängt auch davon ab, wie die Entwicklung jetzt im Dezember sein
wird», sagte er im SWR.

Bei einer Veranstaltung der Arbeitgeberverbände sagte Merkel, es sei
das sehr starke Wachstum bei den Infektionen gestoppt, aber noch
keine Trendumkehr erreicht. Diese sei auch im Wirtschaftsinteresse.

Aus der Wirtschaft kam massive Kritik an den Beschlüssen von Bund und
Ländern - vor allem aus dem Handel. In Geschäften mit mehr als 800
Quadratmetern, also in Kaufhäusern und Supermärkten, dürfen künftig

weniger Kunden gleichzeitig einkaufen als bisher. Der
Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth,
warnte vor Warteschlangen. Dies schaffe neue Gelegenheiten für
Ansteckungen. Der Verband erwartet, dass ausgerechnet im wichtigen
Weihnachtsgeschäft weitere Umsätze ins Internet abwandern.

Genth pochte angesichts der Auswirkungen auf den Innenstadthandel auf
staatliche Hilfen. Der Bund hatte weitere milliardenschwere
Finanzhilfen auch im Dezember angekündigt - sie sollen aber im
wesentlichen für Betriebe etwas der Gastronomie gelten, die aufgrund
behördlicher Anordnungen geschlossen bleiben.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte im Bundestag, die sozialen
und wirtschaftlichen Kosten der Pandemie-Bekämpfung explodierten. Es
gebe keine langfristig durchhaltbare Strategie von Bund und Ländern.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte, die Beschlüsse griffen
erneut tief ins Leben und die Rechte von Bürgern und Unternehmen ein.