Wirtschaft schlägt Alarm - neue Corona-Beschlüsse verschärfen Lage Von Erich Reimann und Matthias Arnold, dpa

Der Dezember bringt für viele Branchen keine Entlastung, im
Gegenteil. So fürchtet der Einzelhandel je nach Lage lange
Warteschlagen oder leere Modehäuser. Doch auch andere
Wirtschaftszweige belastet der fortgesetzte Teil-Lockdown schwer.

Düsseldorf (dpa) - Warteschlangen vor den Supermärkten, leere
Modehäuser in den Innenstädten: Der Handel warnt vor dramatischen
Folgen der von Bund und Ländern beschlossenen Verschärfung und
Verlängerung des Teil-Lockdowns in Deutschland. Durften Einzelhändler
bislang weitgehend ohne Einschränkungen öffnen, zielen die neuen
Maßnahmen vor allem auf sie ab: In Geschäften mit mehr als 800
Quadratmetern - also auch nahezu alle Supermärkte - dürfen fortan
weniger Kunden gleichzeitig einkaufen als bisher.

Wie schon im Frühjahr werden die Betreiber also mit Türstehern und
Abstandsmarkierungen dafür sorgen müssen, dass diese Regeln
eingehalten werden. «Der große Verlierer sind viele
Innenstadt-Händler, denen unter den Corona-Bedingungen die Kunden und
die Umsätze wegbrechen», klagte der Hauptgeschäftsführer des
Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, am Donnerstag.
Stattdessen werde mehr im Internet eingekauft werden.

Edeka-Chef Markus Mosa warnte, der Lebensmittelhandel könne unter
diesen Vorgaben «die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft
nicht bedienen». Zuspruch bekamen Genth und Mosa vom Chefvolkswirt
des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft, Hans-Jürgen
Völz, der die Beschlüsse als «neuen Tiefschlag» für den station
ären
Einzelhandel bezeichnete. Er sprach am Donnerstag von einem starken
Konjunkturimpuls für große Online-Versandhändler: «Das klassische
Weihnachtsgeschäft der Monate November und Dezember hat sich damit
für viele Geschäfte schon erledigt.»

Während die Maßnahmen für den Handel zusätzliche Belastungen bringe
n,
bleiben Entlastungen für andere Branchen weiterhin aus. So
hatten Bund und Länder am Mittwochabend ebenfalls beschlossen, dass
der Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants,
Theatern, Fitnessstudios, Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember
verlängert wird. Zum zweiten Mal seit Frühjahr brechen diesen
Unternehmen damit wochenlang nahezu sämtliche Umsätze weg.

«Die Situation unserer Branche ist sehr dramatisch», sagte die
Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands
Dehoga, Ingrid Hartges, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
«Nun sind die Gehälter für den November fällig, und auch die näch
ste
Pachtzahlung steht an.» Hartges drängte auf eine schnelle Auszahlung
der für November zugesagten Hilfen des Bundes.

Sie gehe zudem davon aus, dass die Hilfen im Dezember im selben
Umfang weiter gezahlt werden. Im laufenden Monat konnten von der
Schließung betroffene Betriebe rund drei Viertel des Monatsumsatzes
vom November 2019 geltend machen. Hartges beziffert den
Branchenumsatz im Dezember vergangenen Jahres auf etwa 8 Milliarden
Euro netto.

Aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) werden die
jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern die Wirtschaftsaktivität u
nd
die Verbraucherstimmung für den Rest des Jahres beeinträchtigen.
«Dies wird die vorübergehende konjunkturelle Erholung auch im
kommenden Jahr zunächst in Mitleidenschaft ziehen», sagte
BDI-Präsident Dieter Kempf am Mittwochabend in Berlin. «Die Luft wird

im Winter für immer mehr Unternehmer dünner.»

Die Maßnahmen böten zwar kurzfristige Orientierung, brächten aber
keinen ausreichenden «Planungshorizont für die Wirtschaft». «Zentra
l
muss sein, das Risiko von Jo-Jo-Shutdowns für Wirtschaft und
Gesellschaft zu reduzieren», sagte Kempf.

Der Nürnberger Marktforscher GfK kam auf der Basis seiner neuen
Konsumstudie zu ähnlichen Aussagen: Der vierwöchige Teil-Lockdown,
der nun in die Verlängerung zunächst bis Weihnachten geht, habe die
Verbraucherstimmung im November spürbar gedämpft, teilte das Institut
mit. «Der weitere Verlauf des Infektionsgeschehens in den kommenden
Wochen wird maßgeblich darüber bestimmen, ob sich das Konsumklima
wieder stabilisieren kann», sagte GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl. Zu
erwarten seien Insolvenzen, etwa in der Gastronomie, im Hotel- oder
Veranstaltungsgewerbe.

Auch viele Handwerksbetriebe sind mittelbar oder unmittelbar von den
Schließungen betroffen. «Sie brauchen dringend Unterstützung, um
diese Zeit überstehen und ihren Betrieb aufrechterhalten zu können»,

sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
(ZDH), Hans Peter Wollseifer, am Mittwochabend in Berlin. Er
begrüßte, dass Bund und Länder auch für die Zeit des verlängerten

Teil-Lockdowns «Dezemberhilfen» in Aussicht gestellt haben.
«Allerdings müssen dieser Ankündigung auch rasch Taten folgen.»