Drogenbeauftragte will Tabak und Kokain stärker ins Visier nehmen Von Sascha Meyer, dpa

Folgen der Pandemie treffen auch viele Drogenabhängige, deren Alltag
ohnehin nicht leicht ist - Unterstützung soll aber weiterlaufen. Die
Bundesregierung will auch Vorbeugung an mehreren Stellen ausbauen.

Berlin (dpa) - Zusätzliche Risiken für Raucher, Schwierigkeiten bei
Suchthilfe-Angeboten vor Ort: Die Corona-Krise verschärft den Kampf
gegen Gesundheitsschäden durch Drogen. «Jedes Jahr versterben auch
ohne Corona 127 000 Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums», sagte
die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), am
Donnerstag bei der Vorlage ihres Jahresberichts. Dazu komme nun ein
erhöhtes Risiko für schwere Corona-Verläufe bei Rauchern. Trotz der
Alltagsbeschränkungen gegen das Virus müssten Beratungsstellen und
Suchtkliniken für Drogenabhängige offen bleiben. Im neuen Jahr sollen
neben Tabak auch zunehmende Probleme mit Kokain stärker ins Visier.

ALKOHOL UND TABAK: Rauchen und Alkohol richteten nach wie vor mit
Abstand die größten Gesundheitsschäden an, sagte Ludwig in Berlin -
auch wenn der Konsum insgesamt zurückgehe. Die neue Zahl von jährlich
127 000 Tabak-Toten sei noch um 6000 höher als nach vorherigen Daten
von 2015. Um vor allem Jugendliche zu schützen, ist ab 1. Januar 2021
Kinowerbung fürs Rauchen tabu, wenn ein Film für unter 18-Jährige
frei ist. Schluss sein soll dann auch mit Gratis-Proben etwa bei
Musikfestivals und Tabakprodukten als Gewinnen bei Preisausschreiben.
Ab 2022 soll ein schrittweises Reklameverbot auf Plakatwänden folgen.
Stärker ansprechen will Ludwig auch Raucher, die aufhören möchten.

CANNABIS: Zunehmender Konsum von Cannabis besonders auch bei jüngeren
Leuten ist seit längerem ein Thema - ebenso wie der Streit um eine
Legalisierung. Was das verändern würde, werde extrem unterschiedlich
bewertet, sagte Ludwig - und machte klar: Bis zur Bundestagswahl im
Herbst 2021 werde es dazu in keiner Richtung eine Entscheidung geben.
FDP-Experte Wieland Schinnenburg forderte dagegen eine Neuausrichtung
der Cannabispolitik: «Wir brauchen eine kontrollierte Abgabe. Das
würde den Schwarzmarkt ausdünnen und durch Steuereinnahmen mehr Geld
für eine wirksame Prävention bereitstellen.»

KOKAIN: Es sei davon auszugehen, dass derzeit so viele illegale
Stoffe auf dem deutschen Markt unterwegs seien wie nie, erläuterte
die Bundesbeauftragte - neue synthetische Drogen, aber vor allem auch
Kokain. Das sei keine Substanz mehr für wenige, die es sich leisten
könnten, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Im neuen
Jahr sei vorgesehen, mehr Erkenntnisse über Konsumverhalten und
Konsumenten zu gewinnen, um zielgerichteter Vorbeugung zu machen.

ERSATZSTOFFE: Die Minimierung von Gesundheitsschäden bei Abhängigen
müsse eine viel größere Rolle spielen, sagte Ludwig. Im Blick steht
dabei auch das Nasenspray Naloxon, das etwa bei Überdosierungen von
Heroin Leben retten könne. Nach einem erfolgreichen Modellprojekt in
Bayern solle Anfang 2021 ein bundesweites Vorhaben ausgeschrieben
werden. Grünen-Fachpolitikerin Kirsten Kappert-Gonther forderte, es
müssten mehr Opioid-Anhängige Zugang zu Substitutionstherapie haben.
Die Zahl der Drogentoten war - wie schon mitgeteilt - 2019 gestiegen.
Wegen Konsums illegaler Substanzen starben 1398 Menschen - 122 mehr
als 2018. Häufigste Ursache: Überdosierungen von Opioiden wie Heroin.

KINDER: Kommen sollen Neuregelungen, um Kinder suchtkranker Eltern
bessere Unterstützung zu ermöglichen - meist geht es um Familien mit
Alkoholproblemen. So sollen sich betroffene Kinder und Jugendliche
künftig auch ohne Kenntnis und Zustimmung der Eltern für Hilfe an das
Jugendamt wenden können, wie Ludwig erläuterte. Unterstützung soll
früher möglich sein, Ärzte und Jugendämter sollen enger kooperieren
.
Entsprechende Pläne sollen nächste Woche ins Bundeskabinett kommen.