Krankenhäuser in Ostsachsen: «Knallhart an der Auslastungsgrenze» Von Miriam Schönbach, dpa

Intensivkapazitäten erschöpft, Ärzte und Pflegepersonal am Limit,
Covid-19-Infizierte müssen in Nachbarkliniken verlegt werden: Den
Landkreisen Bautzen und Görlitz drohen medizinische
Versorgungsengpässe.

Görlitz/Bautzen/Hoyerswerda (dpa/sn) - Ein einziges Intensivbett für
Covid-19-Patienten ist noch frei an diesem Donnerstag im Landkreis
Görlitz. «Es ist eine sehr angespannte Situation. Ärzte und
Pflegepersonal leisten Übermenschliches», sagt Jens Schiffner,
Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Görlitz. Die
Region gehört neben dem Landkreis Bautzen mit weit über 300
Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche
(Sieben-Tage-Inzidenz) zu Deutschlands Corona-Hotspots.

Durch den derzeitigen Zuwachs von 30 bis 40 Covid-19-Patienten pro
Woche ist eine komplette medizinische Versorgung in der Oberlausitz
akut gefährdet. «Unsere Krankenhäuser haben ihre Leistungen
reduziert, um Personal für die Corona-Patienten freizustellen.
OP-Säle und einzelne Stationen wurden geschlossen», sagt Schiffner.
Über 80 Prozent der Betten auf den normalen Covid-19-Stationen seien
belegt, bei den Intensivbetten gebe es gar keine Luft mehr.

Um auftretenden Versorgungsengpässen entgegentreten zu können, wurden
die ersten zehn Patienten in Kliniken nach Dresden, Cottbus und
Freital verlegt. Weitere Transporte nach Leipzig sind im Gespräch.
Zudem hat die Verwaltung bei der Bundeswehr den Antrag zur
Verlängerung der Amtshilfe gestellt. Statt derzeit 120 sollen in
Kürze 160 Soldaten als Sanitäter, helfende Hände,
Kontaktnachverfolger und als Abstrichteams in den sächsischen Kreis
kommen. «In Deutschland setzt die Bundeswehr rund 600
Sanitätssoldaten ein. Im Landkreis Görlitz sind davon derzeit 15
Prozent. Das zeigt die klare Schwerpunktsetzung», sagt Oberstleutnant
Eric Gusenburger. Nach seinen Angaben sind im Freistaat Sachsen 500
Soldaten für die Corona-Hilfe abkommandiert.

Gleichzeitig ging ein Amtshilfeersuchen an die Landespolizei, mit der
Bitte unterstützend bei den Kontrollen der Corona-Beschränkungen
tätig zu werden. Zudem fordert der Landkreis Görlitz die
Kassenärztliche Vereinigung auf, einen zusätzlichen
Bereitschaftsdienst für andere Akutpatienten, auch für die Feiertage,

einzuführen. Einige der infizierten Patienten werden zum Beispiel
derzeit auch im Nachbarlandkreis Bautzen behandelt.

Doch die dortigen Krankenhäuser sind ebenso am Limit. Die
Oberlausitz-Kliniken (OLK) haben sich aktuell mit einem Notruf an die
Menschen gewendet. Ganzseitige Zeitungsanzeigen fordern «Helfen Sie
bitte mit!» der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus durch die
Einhaltung der angeordneten Schutzmaßnahmen entgegenzuwirken. Derzeit
werden in den OLK-Häusern in Bautzen und Bischofswerda 81
Covid-19-Patienten betreut, elf davon sind Intensivpatienten. «Wir
sind knallhart an der Auslastungsgrenze, und zwar alle Krankenhäuser
der Region», sagt Geschäftsführer Reiner Rogowski.

Die Koordinierung der Corona-Fälle in Ostsachsen läuft über die
Krankenhausleitstelle der Uni-Klinik in Dresden. Unterstützt werden
die Oberlausitz-Kliniken auch durch die Bundeswehr, vorerst kümmern
sich Soldaten um Einlass, helfen Pflegern und desinfizieren Zimmer.
Laut Rogowski wurde ein weiterer Amtshilfeantrag für Sanitätspersonal
gestellt - zur Pflege von Patienten. 

Das Lausitzer Seenland-Klinikum bereitet indes die Inbetriebnahme
einer dritten Isolierstation mit 20 Betten «als letztmögliche
Ausbaustufe» vor. «Derzeit sind 51 Covid-Patienten in unserem
Klinikum, davon liegen acht Patienten auf der ITS. Unsere Kapazitäten
auf den beiden Iso-Stationen mit je 25 Betten sind nahezu
ausgeschöpft», sagt Unternehmenssprecher Gernot Schweitzer. Auch die
Landesärztekammer sieht durch das Corona-Infektionsgeschehen die
medizinische Versorgung in Ostsachsen an der «Grenze der
Belastbarkeit», sagte Präsident Erik Bodendieck am Mittwoch in
Dresden.

Deshalb appelliert auch der Görlitzer Landrat Bernd Lange
(CDU) nochmals an die Einwohner, sich an die Corona-Regeln zu halten.
«Wir befinden uns in einer Krisensituation in der Region, die seit
den 1950er Jahren nicht mehr da war. Wir müssen aus der
Infektionsspirale herauskommen», sagt er. In den ohnehin schwierigen
Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war Kinderlähmung ein größeres
Problem.