Corona-Proteste in Hildburghausen: Polizei setzt Pfefferspray ein

Der Landkreis Hildburghausen gilt als Deutschlands schwierigster
Corona-Hotspot. Dennoch protestierten dort Hunderte gegen die
Infektionsschutzregeln. Sie waren nicht einfach zur Rückkehr zu
bewegen.

Erfurt (dpa) - Im Corona-Hotspot-Landkreis Hildburghausen hat die
Polizei mit Hilfe von Pfefferspray eine Protestkundgebung gegen die
neuen Infektionsschutzregelungen aufgelöst. Rund 400 Menschen hatten
sich trotz Ausgangsbeschränkungen am Mittwochabend auf dem Marktplatz
versammelt. Nach Polizeiangaben gab es zahlreiche Verstöße: «So
wurden Mindestabstände nicht gewahrt, Masken nicht getragen und die
eigene Wohnung ohne triftigen Grund verlassen.» Den etwa 30 Beamten
gelang es demnach die Protestierenden zu zerstreuen.

Die Teilnehmer sprachen nach Angaben von Bürgermeister Tilo Kummer
(Linke) von einem «Spaziergang». «Ich bin fassungslos», schrieb
Kummer am Abend auf Facebook. «Der Markt in Hildburghausen ist voller
Menschen! Etliche tragen keine Masken! Was muss denn noch passieren,
bis manche den Ernst der Lage begreifen?» Etliche Menschen im Kreis
kämpften um ihr Leben. Ganze Kitas, Schulen, Rettungswachen,
Feuerwehren hätten in den letzten zwei Wochen in Quarantäne gemusst.
«Kann man da nicht mal zwei Wochen Abstand halten?»

Der Kreis Hildburghausen hat derzeit bundesweit das größte
Infektionsgeschehen bei Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
sieben Tagen. Seit Mittwoch gilt dort ein regionaler Lockdown mit
Ausgangsbeschränkungen sowie geschlossenen Schulen und Kindergärten.
Die Proteste fanden während der Beratungen der Ministerpräsidenten
mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) statt.

Das Pfefferspray wurde nach Polizeiangaben punktuell eingesetzt, um
zu verhindern, dass die Protestierenden auf eine Bundesstraße im Ort
ziehen. Mehrfache kommunikative Versuche, die Teilnehmer zum
Verlassen der Demonstration zu bewegen, seien fehlgeschlagen, teilte
die Polizei in der Nacht zum Donnerstag mit.

30 Teilnehmer erhielten demnach eine Anzeige wegen Verstößen gegen
das Infektionsschutzgesetz. Verletzte und Festnahmen gab es den
Angaben zufolge nicht. Die Versammlung habe gegen 19 Uhr begonnen,
gegen 20.45 Uhr seien die Proteste beendet gewesen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die
Menschen im Landkreis Hildburghausen, sich an die neuen
Infektionsschutzregeln zu halten. Es gebe ein großes Bemühen, mit
strengeren Maßnahmen «Leib und Leben von Menschen zu schützen», sag
te
er am Mittwoch nach der Schalte der Ministerpräsidenten mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er habe aber Bilder gesehen, die
zeigten, dass sich mehrere Hundert Menschen auf dem Marktplatz
versammelt hätten.

Diese Menschen, so Ramelow, hätten damit das Signal gegeben, dass sie
das Infektionsgeschehen in ihrem Kreis nicht interessiere. «Sie sind
zwar in dem Landkreis, in dem die höchste Infektionsrate in ganz
Deutschland ist, aber sie signalisieren, dass sie die Maßnahmen zur
Unterbindung der Infektionen wohl eher ablehnen», sagte Ramelow.

In Hildburghausen gab es laut Zahlen des Robert Koch-Instituts von
Mittwoch 526,9 Infektionsfälle auf 100 000 Einwohner pro Woche - das

ist das bundesweit stärkste Infektionsgeschehen. Ab einem Wert von 50
gilt eine Region als Risikogebiet.

Ramelow appellierte an die Menschen in Hildburghausen, solidarisch zu
sein und «sich gegenseitig zu helfen und sich zu unterstützen».
Gerade im Raum Südthüringen sei die Situation in den
Intensivstationen der Krankenhäuser angespannt. «Wenn man dann auch
noch mit einer größeren Form von Missachtung und Leugnung glaubt,
darauf reagieren zu können, erweist man seinen Mitbürgern einen
Bärendienst», sagte Ramelow.