Wirtschaft für weitere Corona-Entlastungen - Kritik vom Handel

Wegen anhaltend hoher Corona-Infektionszahlen verschärft die Politik
den Kampf gegen die Pandemie. Die November-Schließungen werden
verlängert, für Einzelhändler gibt es neue Auflagen. Die Luft werde
für immer mehr Unternehmer dünner, klagt nicht nur die Industrie.

Berlin (dpa) - Nach der von Bund und Ländern beschlossenen
Verlängerung und Verschärfung des Teil-Lockdowns in der Corona-Krise
mahnen Handwerk und Industrie rasche Hilfen und zusätzliche
Entlastungen für Unternehmen an. Es gehe jetzt darum, Betriebe in
schweren Zeiten schnellstmöglich mit Liquidität zu versorgen,
forderten der Industrieverband BDI und der Handwerksverband ZDH. Die
Lage werde für viele Unternehmen bedrohlicher. Scharfe Kritik an den
beschlossenen Regeln, die überfüllte Geschäfte vor allem im
Weihnachtsgeschäft verhindern sollen, kommt vom Einzelhandelsverband
HDE.

Angesichts weiterhin vieler Coronavirus-Neuinfektionen hatten sich
Bund und Länder am Mittwochabend auf weitere Einschränkungen
verständigt. Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown soll bis
mindestes 20. Dezember verlängert werden, Kneipen, Restaurants,
Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen demnach geschlossen bleiben.
Gleichzeitig sollen die «Novemberhilfen» für vom Teil-Lockdown
betroffene Firmen und Einrichtungen im Dezember fortgeführt werden.
Der Bund plant Hilfen von voraussichtlich 17 Milliarden Euro.

Der Groß- und Einzelhandel bleibt geöffnet, aber mit Maskenpflicht
nun auch vor Geschäften und auf Parkplätzen. In Geschäften mit einer

Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern soll sich höchstens eine
Person je 10 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhalten. Bei Geschäften,
die größer sind, darf auf die zusätzliche Fläche dann höchstens e
ine
Person pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche kommen.

Der Handelsverband HDE findet dieses abgestufte Konzept unsinnig. Es
gebe keinen sachlichen Grund, unterschiedliche Regeln für
Verkaufsflächen über und unter 800 Quadratmetern zu erlassen, sagte
Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Hygienekonzepte hätten sich sowohl

in kleinen wie auch in größeren Räumen bewährt. «Die neue Regelun
g
könnte auch kontraproduktiv sein, wenn sich Warteschlangen vor den
Geschäften und in den Innenstädten bilden.»

Aus Sicht des BDI werden die Beschlüsse von Bund und Ländern die
Wirtschaftsaktivität und Verbraucherstimmung für den Rest des Jahres
zusätzlich beeinträchtigen. «Dies wird die vorübergehende
konjunkturelle Erholung auch im kommenden Jahr zunächst in
Mitleidenschaft ziehen», sagte Verbandspräsident Dieter Kempf. «Die
Luft wird im Winter für immer mehr Unternehmer dünner.»

Der Handwerksverband ZDH begrüßte es, dass Bund und Länder auch für

die Zeit des verlängerten Teil-Lockdowns «Dezemberhilfen» in Aussicht

gestellt haben. «Allerdings müssen dieser Ankündigung auch rasch
Taten folgen», forderte der Präsident des Zentralverbandes des
Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer. Für viele
Handwerksbetriebe, die unmittelbar oder mittelfristig von den nun
verlängerten Schließungsregeln betroffen seien, verschärfe sich die
Lage zusehends: «Sie brauchen dringend Unterstützung, um diese Zeit
überstehen und ihren Betrieb aufrecht erhalten zu können.»

Wichtig sei zudem, schon jetzt die Regeln für die ab Januar
vorgesehene dritte Phase der Überbrückungshilfe festzulegen, sagte
Wollseifer. Als Folge des verlängerten Teil-Lockdowns werde sich die
finanzielle Situation in vielen Betrieben zuspitzen. Zwingend
notwendig seien weitere Liquiditätshilfen. Steuerrechtliche
Corona-Erleichterungen wie vereinfachte, zinslose Stundungen, der
Verzicht auf Säumniszuschläge sowie das Aussetzen von
Vollstreckungsmaßnahmen sollten daher auch im kommenden Jahr gelten.
Zudem sollten für Handwerksbetriebe die Möglichkeiten zum sogenannten
Verlustrücktrag substanziell ausgeweitet werden.

Ähnlich äußerte sich der BDI. Eine intensivere Nutzung der
Überbrückungshilfe und eine sofortige Stärkung der steuerlichen
Verlustverrechnung seien notwendig, um Betriebe in schwerer Zeit
schnellstmöglich mit Liquidität zu versorgen. Wirtschaftsverbände
fordern schon länger, der Verlustrücktrag müsse ausgeweitet werden.
Unternehmen sollen so mehr als bisher möglich krisenbedingte Verluste
mit Gewinnen aus den Vorjahren steuerlich verrechnen können. In der
schwarz-roten Koalition ist eine Ausweitung aber umstritten.

Es bleibe wichtig, wirtschaftliche Aktivität weitestgehend am Laufen
sowie Schulen, Kindergärten und Kitas offen zu halten, mahnte
BDI-Präsident Kempf. «Zentral muss sein, das Risiko von
Jo-Jo-Shutdowns für Wirtschaft und Gesellschaft zu reduzieren.»