Müller wirbt um Verständnis für Teil-Lockdown-Verlängerung

Bund und Länder wollen eine neue «Kraftanstrengung» gegen Corona.
Berlins Regierungschef verdeutlicht mit drastischen Worten, worum es
geht.

Berlin (dpa/bb) - Nach der Einigung von Bund und Ländern auf eine
Verlängerung des Teil-Lockdowns wegen hoher Corona-Infektionszahlen
hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller um Verständnis
für die Maßnahmen geworben. «Wir sind in einer Situation, wo es
wirklich auch in vielen Bereichen um Leben und Tod geht», sagte der
SPD-Politiker am Mittwoch nach einer Videokonferenz der Länder-
Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Noch sei das Ende
der Pandemie nicht gekommen.

Müller verwies auf hohe Belastungen im Gesundheitswesen und schlimme
Folgen einer Infektion für viele Betroffene. «Wir sind jetzt in
Berlin in einer Situation, wo wir ein Viertel der Intensivbetten
nutzen für Covid-19-Patienten», sagte er. Viele davon müssten beatmet

werden. Zudem gebe es in Berlin Tage mit 20 bis 30 Verstorbenen.

Diese Zahlen veranschaulichten, wie die Situation sei, so Müller:
«Hinter jeden einzelnen Zahl verbergen sich menschliche Schicksale
und menschliche Tragödien.» Mit den bisherigen Maßnahmen sei viel
erreicht worden, aber noch nicht genug. Deshalb gebe es eine «große
bundesweite Verständigung», die Beschränkungen zu verlängern.

Die Länderchefs und Merkel beschlossen, den seit 2. November
geltenden Teil-Lockdown mit der Schließung von Kneipen, Restaurants,
Kultur- und Freizeiteinrichtungen bis mindestens 20. Dezember zu
verlängern. Zudem gelten ab 1. Dezember verschärfte
Kontaktbeschränkungen für private Treffen, wobei über die
Weihnachtstage und Silvester Lockerungen geplant sind.

Mit Blick auf diese Lockerungen appellierte Müller an die Vernunft
und Eigenverantwortung der Menschen. Die Politik wolle «natürlich in
Anbetracht dieser besonderen Jahreszeit auch einiges ermöglichen, was
vielleicht noch nicht geboten wäre, wenn man sich ganz kühl die
Zahlen anguckt», so der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz
(MPK). «Aber Dinge zu ermöglichen heißt ja nicht, dass alles genutzt

werden muss, was möglich ist.»

Er richte einen dringenden Appell an die Menschen, sich bewusst zu
machen, was jeder Einzelne tun könne, um sich und andere zu schützen,
sagte Müller. «Und Familienfeste, (...) selbst wenn sie möglich sind,

muss man vielleicht auch nicht so groß und in der Form organisieren,
wie man es in den letzten Jahren getan hat.»

Der Berliner Senat kommt am Donnerstag zu einer Sondersitzung
zusammen, um über die Umsetzung der Beschlüsse zu beraten.

Konkret beschlossen Bund und Länder neben der Verlängerung des Teil-
Lockdowns, dass private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und
Bekannten wegen der Infektionslage auf fünf Personen des eigenen und
eines weiteren Haushalts beschränkt werden sollen, Kinder bis 14
ausgenommen. Über die Feiertage vom 23. Dezember bis 1. Januar sollen
Treffen «im engsten Familien- oder Freundeskreis» mit insgesamt bis
zu zehn Personen möglich sein. Hinzu kommen Kinder bis 14 Jahren.

Silvesterfeuerwerk auf belebten Plätzen und Straßen wird untersagt.
In Berlin gab es bereits zum vergangenen Silvester eine Böllerverbot
an mehreren Stellen in der Stadt. Der Senat werde prüfen, ob diese
Zonen ausgeweitet werden, so Müller. «Wir wollen auf den belebten
Plätzen und Straßen Gruppenbildung vermeiden.» Die Innenverwaltung
will bis Ende November über die Orte entscheiden.

Forderungen unter anderem der Berliner Grünen nach einem generellen
bundesweiten Böllerverbot, um Krankenhäuser und Rettungsdienste zu
entlasten, fanden unter den Ländern keine Mehrheit. Grundsätzlich
wird «empfohlen», zum Jahreswechsel auf Feuerwerk zu verzichten,
heißt es im Bund-Länder-Beschluss.

Umstritten quer durch die Republik und auch in Berlin bleibt die
Frage, was zu tun ist, damit Kitas und Schulen offen bleiben können.
In Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner in sieben Tagen soll laut Bund-Länder-Beschluss künftig ab
Klasse 7 Maskenpflicht auch im Unterricht gelten, in Berlin ist das
schon Praxis.

Für Grundschüler, Fünft- und Sechstklässler soll eine solche Pflich
t
eingeführt werden können - ob sie für Berliner Schulen kommt, ist
genauso offen wie die Frage, ob mehr Wechselunterricht kleiner
Lerngruppen mit schulischem und häuslichem Lernen eingeführt wird.

Der Handel bleibt in jedem Fall offen. Eine Maskenpflicht soll nun
auch vor Geschäften und auf Parkplätzen gelten.

Wichtiger Punkt: Bund und Länder einigten sich auf einen Hotspot-
Wert: Ab einer Zahl von 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
binnen einer Woche müssen die Corona-Regeln demnach nochmals deutlich
verschärft werden. Betroffen wäre neben gut 60 Landkreisen Berlin, wo
dieser Wert am Mittwoch bei 218,4 lag. Zum Vergleich: Der kritische
Schwellenwert bei dieser Inzidenz, den Bund und Länder mit Hilfe der
Beschränkungen möglichst unterschreiten wollen, liegt bei 50.