Zusätzliche Corona-Regeln bei Bahn - aber keine Reservierungspflicht Von Andreas Hoenig und Matthias Arnold, dpa

Wer in der Corona-Krise mit der Bahn fährt, soll sicher sein: Bund
und Länder wollen Sitzkapazitäten im Fernverkehr deshalb ausweiten.
Für die Bahn ist das ein Kraftakt in finanziell angespannten Zeiten.

Berlin (dpa) - Mehr Platz in den Zügen - dafür weniger Plätze, die
reserviert werden können: Das sieht der nun getroffene Beschluss von
Bund und Ländern zu weiteren Maßnahmen in der Corona-Krise vor. So
soll die «Sitzplatzkapazität» der Züge deutlich erhöht werden, um

noch mehr Abstand zwischen den Reisenden zu ermöglichen. Als denkbar
gilt es, mehr Züge einzusetzen. Die Reservierbarkeit der Sitzplätze
soll parallel dazu beschränkt werden.

Einzelheiten soll nun die Bahn festlegen. In einem vorigen Entwurf
waren noch konkrete Details genannt, etwa, dass fortan nur
Fensterplätze reserviert werden können. Nun steht fest: Eine
verschiedentlich geforderte Reservierungspflicht gibt es nicht. Die
Bahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnen das vehement
ab. Sie wollen das «offene System» mit viel Flexibilität unbedingt
erhalten.

Auch der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG),
Klaus-Dieter Hommel, hatte vor einer allgemeinen Reservierungspflicht
gewarnt: «Das würde dazu führen, dass der Fernverkehr nicht mehr
handlebar ist, dass die Belastung für die Beschäftigten viel größer

ist als heute», sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Im Beschluss, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend nach
stundenlangen Verhandlungen mit den Länderchefs vorstellte, heißt es
nun lediglich: «Für den Bahnverkehr gilt, den Reisenden, die trotz
Einschränkungen reisen müssen, ein zuverlässiges Angebot mit der
Möglichkeit, viel Abstand zu halten, anzubieten.» Der Beschluss sieht
dazu vor, die Kapazitäten um mehr als 20 Millionen Platzkilometer pro
Tag zu erhöhen. Das wird der Konzern vor allem über den Einsatz
zusätzlicher Züge stemmen.

Unterdessen verschärft sich für die Deutsche Bahn auch die
finanzielle Situation. Wie schon im Frühjahr geht die Auslastung in
den Zügen aufgrund der neuen Corona-Infektionswelle derzeit deutlich
zurück. Zwar hatte die Bahn das Angebot im November leicht angepasst
und etwa Auslandsverbindungen eingestellt. Doch im Großen und Ganzen
hielt der Konzern den Fahrplan ohne größere Einschränkungen aufrecht.


Inzwischen drohe ein Jahresverlust in Höhe von 5,6 Milliarden Euro,
schrieb am Mittwoch die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Das gehe
aus Unterlagen für die Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember hervor.
Insider bestätigten der Deutschen Presse-Agentur die Zahl als Verlust
vor Steuern. Allerdings blieb unklar, ob darin schon die finanzielle
Unterstützung des Bundes oder die Auswirkungen durch den erneuten
Teil-Lockdown eingerechnet sind.

Aufgrund der hohen Einbußen in diesem Jahr will der Bund als
Eigentümer rund fünf Milliarden Euro über eine Eigenkapitalerhöhung

zuschießen. Noch ist das Geld aber nicht ausgezahlt. Die Europäische
Kommission muss der Staatshilfe erst noch zustimmen. Vor allem die
Güterkonkurrenten der Bahn kritisieren die Unterstützung. Doch auch
der Rechnungshof sowie die Bundestagsfraktionen von Grünen
und FDP sehen die Maßnahme kritisch.

Matthias Stoffregen, Geschäftsführer des Vereins Mofair, in dem die
Bahnkonkurrenz im Güter- und Personenverkehr organisiert sind,
kritisierte den Beschluss am Mittwoch. Insbesondere die Tatsache,
dass Bund und Länder der Bahn nun Vorgaben zum operativen Geschäft
machten, stimme ihn skeptisch. «Dabei entscheidet dieses doch, wie
immer betont wird, wirtschaftlich eigenständig», sagte er mit Blick
auf das Unternehmen.

Zudem gehe er davon aus, dass die Bahn zur Erfüllung der Vorgaben
einen finanziellen Ausgleich fordern werde. Über ähnliche Maßnahmen
für andere Verkehrsanbieter sei mit diesen indes nicht gesprochen
worden.