Deutschland im Corona-Winter: Retten strenge Regeln das Fest? Von Christoph Trost, Andreas Hoenig und Jörg Blank, dpa

Schärfere Anti-Corona-Maßnahmen im Dezember, dann Lockerungen über
Weihnachten. Auf diese Linie haben sich Bund und Länder nach zähem
Ringen verständigt. Aber reicht das, um über den Winter zu kommen?

Berlin (dpa) - Diesmal ist es nicht nur ein stunden-, sondern ein
tagelanges zähes Ringen. Nach vielen Schalten und langen, strittigen
Schlussverhandlungen präsentieren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwochabend immerhin einige
greifbare Ergebnisse, wie der Kampf gegen die anhaltend hohen
Corona-Zahlen weitergehen soll. Vor allem: wie das Weihnachtsfest in
Deutschland in diesem denkwürdigen Jahr gefeiert werden kann.

Doch dann geht es schon wieder auseinander. Welche Regeln künftig
genau in extremen Hotspots gelten sollen, dazu gibt es im
Beschlusspapier keine konkreten Aussagen. Und anders als für
Weihnachten ist für Silvester nicht ausgeschlossen, dass es dann eben
doch wieder einen Flickenteppich gibt mit unterschiedlichen
Länderregeln, mit wie vielen Menschen gefeiert werden darf.

Die grundsätzliche Linie immerhin ist nach diesem Mittwoch klar: Im
Dezember sollen die eigentlich bis Ende November befristeten
Corona-Auflagen verlängert und nochmals verschärft werden, um dann -
quasi als eine Art Lichtblick für die Menschen - wenigstens
Weihnachten im kleinen Kreis feiern zu können. Nur Schleswig-Holstein
will auch über die Feiertage bei strengeren Regeln bleiben.

«Es ist ein besonderer Monat, der vor uns liegt. Und wir haben das in
unseren Beschlüssen berücksichtigt», sagt Merkel. Dennoch habe man
bisher nur einen «Teilerfolg» erreicht. Der exponentielle Anstieg der
Corona-Zahlen sei gebrochen. Man könne sich mit dem Teilerfolg aber
auf gar keinen Fall begnügen. Merkel, Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) appellieren deshalb auch eindringlich an die
Menschen, beim Kampf gegen Corona mitzuziehen. Denn alle drei wissen:
Gerade im privaten Bereich kommt es vor allem auf deren Mitmachen an.

Und wie geht es etwa im neuen Jahr weiter? Unklar. Anders als vor
einigen Wochen in Aussicht gestellt, liefern Bund und Länder keine
echte Langfriststrategie, wie man über den Winter kommen will. Zwar
gibt es Ausscher-Möglichkeiten für extreme Hotspots und künftig auch

für Regionen mit besonders niedrigem Infektionsgeschehen. Die
Bund-Länder-Runden werden aber weiter regelmäßig nachsteuern müssen
.

Klar ist nun erst einmal: Freizeit- und Kultureinrichtungen und die
Gastronomie bleiben dicht, zunächst bis 20. Dezember, am Ende wohl
über den Jahreswechsel hinaus - das kann nur jetzt noch nicht in
Verordnungen gegossen werden. Und: Die Kontaktbeschränkungen werden
weiter verschärft: «Private Zusammenkünfte» werden von 1. Dezember
an
auf den eigenen und einen weiteren Haushalt begrenzt, jedoch in jedem
Fall auf maximal fünf Personen, Kinder bis 14 Jahre ausgenommen.

Dafür aber sollen Familien und enge Freunde wenigstens zusammen
Weihnachten feiern können, am besten nach einigen Tagen freiwilliger
Selbstisolation. Die Schulferien sollen deshalb schon am 19. Dezember
beginnen. Dann nämlich sollen, vom 23. Dezember an, Treffen «im
engsten Familien- oder Freundeskreis» möglich sein, bis maximal zehn
Personen insgesamt, Kinder bis 14 Jahre ausgenommen.

Aber was ist mit Silvester? Die Ausnahmeregelung soll laut Beschluss
«längstens» bis zum 1. Januar gelten. Wird man am Ende also in
einigen Ländern in kleinerem Kreis feiern können und anderswo nicht?

Auseinander gehen könnte es aber schon vorher, etwa bei den Schulen.
Hier waren Merkel und ihr Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) bei den
Ländern vor eineinhalb Wochen fast auf ganzer Linie abgeblitzt. Vor
allem im Schulbereich wollte der Bund damals mit relativ drastischen
Maßnahmen - wie etwa einer Halbierung der Klassen - eingreifen und so
verhindern, dass sich die Schulen zu Horten der Infektion entwickeln
könnten. Am Ende verhinderten die Länder jegliche Verschärfung.

Nun haben sich Bund und Länder immerhin auf eine Linie für Hotspots
mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 verständigt. Dann
«sollen» schulspezifisch Maßnahmen ergriffen werden, namentlich
Wechsel- oder Hybridunterricht ab Klassenstufe acht, außer
Abschlussklassen. Die Umsetzung aber obliegt am Ende den Ländern.

Eine bittere Pille müssen wegen der Verlängerung des Teil-Lockdowns
Gastwirte, Hoteliers oder Betreiber von Fitnessstudios, Kinos sowie
Theatern schlucken. Der Bund greift aber erneut tief in die
Schatulle: Auch für den Dezember soll es Zuschüsse geben, um
Umsatzausfälle auszugleichen - wenn auch nicht in voller Höhe. Das
kostet voraussichtlich 17 Milliarden Euro. Schon für die
Novemberhilfen wird mit 14 bis 15 Milliarden Euro Volumen gerechnet.

Zwar sind vorhandene Finanztöpfe für andere Programme längst nicht
ausgeschöpft. Der Bund hat aber schon immense Schulden gemacht. Die
Debatte hat bereits eingesetzt, ob die Länder sich an Zuschüssen
beteiligen sollen - falls der Teil-Lockdown im Januar weitergeht.

Bund und Länder bleiben allerdings bei ihrer generellen Linie:
Ansonsten soll die Wirtschaft so weit wie möglich am Laufen gehalten
werden. Zu schwer waren die wirtschaftlichen Folgen des
flächendeckenden Lockdowns im Frühjahr. Es gibt aber Nachschärfungen,

etwa strengere Auflagen für größere Geschäfte wie Supermärkte.

Und dann ringen Bund und Länder noch um die Bahn: Mit Blick vor allem
auf den Weihnachtsverkehr mit normalerweise vollen Zügen soll es bei
der Deutschen Bahn zusätzliche Maßnahmen geben - aber keine
Reservierungspflicht, die einige dem Vernehmen nach wollten. Nun soll
die «Sitzplatzkapazität» deutlich erhöht werden, um noch mehr Absta
nd
zwischen den Reisenden zu ermöglichen. Als denkbar gilt es, dass die
Bahn mehr Züge einsetzt. Zugleich soll die Reservierbarkeit der
Sitzplätze beschränkt werden. Konkret umsetzen muss dies die Bahn.

Der bundeseigene Konzern aber dürfte durch die Corona-Krise tiefer in
die roten Zahlen rutschen, die Auslastung lag im November bei gerade
mal 20 bis 30 Prozent. Der Bund hat schon eine Eigenkapitalspritze
von fünf Milliarden Euro beschlossen, Brüssel muss diese aber noch
genehmigen. Das dürfte aber nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Das ist nach den stundenlangen, zähen Beratungen am Mittwoch wieder
das zentrale Problem: Keiner der Beteiligten weiß, ob und wie lange
die Maßnahmen, die Gelder, die Beschlüsse reichen. Die Erfolge bei
diversen Impfstoffen bieten Grund zur Zuversicht - aber bis dahin
braucht es noch einen langen Atem. Und der Winter hat erst begonnen.
«Wir brauchen noch einmal eine Kraftanstrengung», sagt Merkel.

Es gibt in der Pressekonferenz aber auch einen heiteren Moment. Als
es darum geht, warum die Runde Feuerwerke zu Silvester - anders als
manche wollten - dann doch nicht verboten habe, kramt Merkel intensiv
in ihren Unterlagen und überlässt gerne Söder die Antwort.

Der antwortet etwas umständlich, dass man sich klar entschieden habe,
dass man nicht der festen Überzeugung sei, «dass Raketen und Böller
per se eine pandemische Herausforderung sind», sondern nur die damit
verbundenen Menschenansammlungen. Er selbst sei kein großer
Silvesterfan. «Ich verbringe immer Silvester innen drin, weil ich
meistens bei Hunden bin, die sich da herausgefordert fühlen, wenn's
knallt.» Er könne sich gar nicht erinnern, wann er das letzte Mal
eine Rakete gezündet habe - «vielleicht politisch, aber jedenfalls
nicht sowas». Da muss Müller grinsen und selbst Merkel kurz lächeln.