Eisenmann lehnt Wechselunterricht ab - und schimpft über Berlin

Bildung ist traditionell Ländersache. Aber in Corona-Zeiten hat auch
der Bund Vorstellungen, wie es an den Schulen weitergehen soll. Von
den Ideen aus Berlin hält Kultusministerin Eisenmann wenig.

Stuttgart (dpa/lsw) - Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) stemmt
sich vehement gegen Forderungen, Schüler im Wechsel in der Schule und
zu Hause unterrichten zu lassen. «Wechselunterricht in
Baden-Württemberg wäre ein existenzieller Fehler», sagte sie am
Mittwoch bei einer dpa-Kundenkonferenz in Stuttgart. Gleichzeitig
wies sie bildungspolitische Vorstöße des Bundes scharf zurück. «Die

Vorschläge, die aus Berlin zu diesen Themen kommen, sind ja durchaus
skurril zum Teil - Unterrichten in irgendwelchen Museen oder so
etwas», sagte sie. «Das zeigt: Es ist schon richtig, das die
Kompetenz bei den Ländern ist.»

Eisenmann spielte damit auf einen Vorschlag von
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an. Der hatte vor
kurzem vorgeschlagen, Schulunterricht in geschlossenen Gaststätten
und Hotels abzuhalten, um die Abstandsregeln besser einhalten zu
können. «In Klassenräumen ist es oft schwer, den ausreichenden
Abstand einzuhalten», hatte Altmaier gesagt. «Ich würde es begrüß
en,
wenn der Unterricht deshalb auch zum Beispiel in Gemeindezentren,
Kulturhäusern oder in den ungenutzten Räumen von Gaststätten und
Hotels stattfinden würde.»

Zugleich warnte sie vor Problemen und weitreichenden Folgen der
derzeit diskutierten Beschlüsse - etwa vor Betreuungsproblemen
aufgrund einer Verlängerung der Weihnachtsferien. Man müsse mit
scharfer Kritik arbeitender Eltern und Problemen mit der Notbetreuung
rechnen. «In der Lebenswirklichkeit löst das schon bei dem einen oder
anderen Probleme aus», sagte sie. «Das ist vor Ort ein großes Thema.
»

Der Schulferienbeginn im Dezember ist einer der größten Streitpunkte
bei den Verhandlungen zwischen Länderregierungen und Kanzleramt über
einen Corona-Plan bis Januar. In Baden-Württemberg wie in einigen
anderen Ländern ist bislang der letzte Schultag der 22. Dezember
(Dienstag). Wenn die Schüler bereits am 18. (Freitag) oder 19.
Dezember (Samstag) in die Ferien entlassen würden, hätten sie bis
Heiligabend eine Strecke von fünf bis sechs Tagen, die genutzt werden
könnte, um Kontakte zu minimieren.

Ungeklärt ist bislang aber, wie der Ausfall zusätzlicher Tage
kompensiert werden und wie eine Notbetreuung am 21. und 22. Dezember
sichergestellt werden kann. Eigentlich hätten die Winterferien am 23.
Dezember begonnen.

Eisenmann sieht das Vorhaben mit Skepsis. Wenn man plane, die
Weihnachtsferien um einige Tage nach vorne zu verlegen, werde der Ruf
nach einer Notbetreuung laut, warnte die CDU-Politikerin. Das
widerspräche aber dem Ansatz der Selbstquarantäne. Ziel der
Ferienverlängerung sei ja, dass die Schüler ein paar Tage länger
zuhause blieben. «Deshalb glaube ich, dass die Maßnahme nicht
wirklich greift, sondern Probleme macht», sagte Eisenmann.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte Dienstag
angekündigt, die Weihnachtsferien zu verlängern. Eisenmann plädiert
hingegen seit Tagen für eine lokale Lösung: Statt einer landesweiten
Regelung könnten einzelne Schulen die Weihnachtsferien dieses Jahr
durch bewegliche Ferientage verlängern. In Baden-Württemberg gibt es
in diesem Schuljahr vier bewegliche Ferientage. Sie bleibe zwar bei
ihren Bedenken, wolle aber die Beschlüsse von Bund und Ländern
umsetzen, sagte sie.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) begrüßte die Verlängerung der

Ferien. «Wir bedanken uns für die zwei zusätzlichen Ferientage und
sehen dies als ein Zeichen der Anerkennung für die außerordentliche
Leistung der Lehrkräfte», sagte der Landesvorsitzende Gerhard Brand.

Der Philologenverband Baden-Württemberg hingegen bezweifelt, dass man
dadurch mehr Sicherheit schafft. «Wenn die Scheinsicherheit durch
einen früheren Beginn der Weihnachtsferien bei vielen Familien dazu
führt, Weihnachten in der gewohnten Form mit Großeltern und Freunden
zu feiern, besteht die große Gefahr, dass die Feiertage zu einer
großen Corona-Party werden», sagte der Landesvorsitzende Ralf Scholl.
Der Verband fordert flächendeckende Corona-Tests kurz vor
Weihnachten, mehr Raumluftreiniger - und vor allem Wechselunterricht
ab Klasse 7.

Doch auch die Forderungen nach Wechselunterricht lehnt Eisenmann
strikt ab. «Wechselunterricht in Baden-Württemberg wäre ein
existenzieller Fehler», sagte sie am Mittwoch. Es gebe auch keine
guten Argumente, warum diese Form des Unterrichts aus Schutz vor
Corona-Infektionen eingeführt werden sollte. «Für den
Wechselunterricht spricht gar nichts. Es gibt keine inhaltliche
Begründung, weder Zahlen noch Fakten.» Der Wechselunterricht sei in
Baden-Württemberg bereits zwischen Pfingsten und den Sommerferien
ausprobiert worden - allerdings ohne durchschlagenden Erfolg,
kritisierte Eisenmann.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die SPD im
Landtag sprechen sich für einen Schichtunterricht mit geteilten
Kassen aus. «Diese Option muss ihnen ermöglicht werden, wenn es das
örtliche Infektionsgeschehen erfordert», sagte SPD-Fraktionschef
Andreas Stoch. Die Einigung der Ministerpräsidenten vor den
Verhandlungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am heutigen Mittwoch
sieht flächendeckenden Wechselunterricht bislang aber nicht vor.