Schärfere Corona-Regeln geplant - Lockerungen an Weihnachten Von Jörg Blank, Andreas Hoenig und Christoph Trost, dpa

Die Länder wollen die Zügel anziehen, damit die hohen Coronazahlen
runter gehen. Für Weihnachten und Silvester sollen Sonderregeln
gelten. Der Bund hat zum Teil noch weitergehende Vorstellungen als
die Länder.

Berlin (dpa) - Die Bürger in Deutschland müssen sich in der
Corona-Krise auf strengere Kontaktbeschränkungen einstellen - dafür
sollen sie Weihnachten im engeren Familien- und Freundeskreis feiern
dürfen. Ob Lockerungen auch für Silvester gelten, ist vor neuen
Beratungen der Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem
Mittwoch aber noch offen. Für Firmen, die auch im Dezember dicht
bleiben sollen, plant der Bund weitere Milliardenhilfen. Die
Bundesregierung geht mit teilweise weitergehenden Vorstellungen als
die Länder in die Verhandlungen.

Die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich am Montagabend auf
eine Linie geeinigt, mit der sie in die Beratungen mit Merkel gehen.
Demnach sollen Kontaktbeschränkungen ab Anfang Dezember verschärft
werden. Vom 23. Dezember bis zum 1. Januar aber soll es zu
Lockerungen kommen. Ziel ist es, in den kommenden Wochen die weiter
hohe Zahl von Corona-Neuinfektionen deutlich zu senken. Allerdings
forderten einige Regierungschefs kurz nach den Verhandlungen im
Länderkreis bereits Nachbesserungen.

Nach den weitergehenden Vorstellungen des Kanzleramts soll unter
anderem erreicht werden, dass sich in Geschäften nicht mehr als ein
Kunde pro 25 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhält - bislang ist es ein
Kunde pro 10 Quadratmetern. Um den Reiseverkehr sicherer zu machen,
soll die Zahl der belegten Plätze in Zügen deutlich verringert
werden. Für die Wintermonate sollen grundsätzlich nur noch alle
Fensterplätze buchbar sein. Zugleich soll aber die Kapazität der Züge

erhöht werden.

Vorgeschlagen wird außerdem, die Weihnachtsferien bundesweit am 19.
Dezember beginnen zu lassen. Zunächst hatte der Bund schon den 16.
Dezember ins Auge gefasst.

Die Deutsche Presse-Agentur hatte am Dienstagabend zunächst
fälschlich gemeldet, bei mehreren Änderungsvorschlägen des Bundes
handle es sich um eine aktualisierte Fassung des Länderentwurfs. Die
entsprechenden Eilmeldungen zog dpa kurze Zeit später zurück.

Die Vorschläge der Ministerpräsidenten im Überblick:

VERLÄNGERUNG TEIL-LOCKDOWN: Der seit Anfang November geltende
Teil-Lockdown mit der Schließung von Kneipen und Restaurants sowie
Kultur- und Freizeiteinrichtungen soll bis mindestes 20. Dezember
verlängert werden. Alle nicht notwendigen Kontakte und Reisen sollen
weiter vermieden werden. Der Groß- und Einzelhandel bleibt geöffnet -
allerdings soll die Maskenpflicht nun auch vor Geschäften und auf
Parkplätzen gelten. Bei einer Inzidenz von «deutlich» unter 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen und wenn
weitere Bedingungen erfüllt sind, sollen Länder die Möglichkeit
bekommen, hiervon abzuweichen. Für extreme Corona-Hotspots sollen
Länder wie bisher regionale Verschärfungen beschließen können.

FINANZHILFEN: Die Novemberhilfen für vom Teil-Lockdown betroffene
Firmen und Einrichtungen sollen im Dezember fortgeführt werden. Der
Bund plant Finanzhilfen für betroffene Unternehmen im Umfang von
voraussichtlich 17 Milliarden Euro, wie die dpa am Dienstag aus
Regierungskreisen erfuhr. Details dazu waren zunächst unklar.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Kontaktbeschränkungen sollen verschärft
werden. «Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und
Bekannten sind auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in
jedem Falle auf maximal fünf Personen zu beschränken», heißt es in

dem Länder-Papier, wobei Kinder bis 14 Jahre ausgenommen sein sollen.
Für Weihnachten und Silvester soll es aber eine Sonderregelung geben.

KONTAKTREGELN FÜR WEIHNACHTEN UND SILVESTER: Vom 23. Dezember bis
1. Januar sollen nach dem Willen der Länder Treffen eines Haushaltes
mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden
Menschen bis zu einer Obergrenze von zehn Personen ermöglicht werden.
Kinder bis 14 Jahren sollen ausgenommen sein. Damit sollten «Feste im
Kreise von Familie und Freunden, wenn auch im kleineren Rahmen,
möglich sein», heißt es: «Denn diese Tage sind für den familiär
en und
gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders wichtig.»

Die Ministerpräsidenten rufen dazu auf, vor den Weihnachtstagen in
eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne zu gehen. «D
ies
kann durch ggf. vorzuziehende Weihnachtsschulferien ab dem 19.12.2020
unterstützt werden», heißt es im Entwurf der Länder vom Montagabend
.

Nach den Vorstellungen des Bundes soll zudem bei Erkältungssymptomen
vor Weihnachten eine großzügigere Testmöglichkeit geboten werden, um

die Begegnungen zur Weihnachtszeit so sicher wie möglich zu machen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert eine weitere
Verschärfung der bisherigen Ländervorschläge. Unter anderem will er
noch einmal diskutieren, ob die für Weihnachten angestrebte Lockerung
der Kontaktbeschränkungen auch über Silvester gelten soll oder ob der
Zeitraum noch verkürzt wird. Auch Baden-württembergs Regierungschef
Winfried Kretschmann (Grüne) hält den Zeitraum der vorgeschlagenen
Lockerungen vom 23. Dezember bis zum 1. Januar für zu lang.

Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) kritisierte,
der Beschluss-Entwurf bedeute, dass man sich vom 23. Dezember bis
Neujahr mit 10 Personen aus 10 Hausständen plus Kinder bis 14 Jahre
treffen dürfe, so dass es 20 Personen sein könnten: «Ich halte die
Zahl für deutlich zu hoch.» Schleswig-Holstein halte daher an seiner
Regelung auch an Weihnachten fest, dass sich nicht mehr als zehn
Menschen öffentlich oder privat treffen dürfen.

MASKENPFLICHT: Bundesweit soll eine Maskenpflicht gelten «in
geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs-
oder Kundenverkehrs zugänglich sind». Und auch in Innenstädten und
anderen Orten unter freiem Himmel, «an denen sich Menschen entweder
auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten», soll
verpflichtend eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden müssen. Die
genaue Orte und Zeiten sollen die örtlichen Behörden festlegen. Auch
am Arbeitsplatz soll eine Maskenpflicht gelten - außer am Platz, wenn
ein 1,5-Meter-Abstand zu weiteren Personen eingehalten wird.

FEUERWERK: Silvesterfeuerwerk auf belebten Plätzen und Straßen wollen
die Ministerpräsidenten untersagen, um größere Gruppen zu vermeiden.

«Die örtlich zuständigen Behörden bestimmen die betroffenen Plätz
e
und Straßen», heißt es im Papier. Grundsätzlich wird «empfohlen
», zum
Jahreswechsel auf Feuerwerk zu verzichten - ein von SPD-Ländern ins
Spiel gebrachtes Verkaufsverbot ist nicht vorgesehen.

BETRIEBSFERIEN: Arbeitgeber sollen prüfen, ob Betriebsstätten durch
Betriebsferien oder großzügige Homeoffice-Lösungen vom 23. Dezember
bis 1. Januar schließen können. Damit solle der Grundsatz «Stay at
Home» umgesetzt werden. Wirtschaftsverbände äußerten Kritik.

SCHULEN UND KITAS: Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sollen
offen bleiben. Flächendeckender Wechselunterricht ist nicht geplant.
In Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner in sieben Tagen soll aber künftig ab Klasse 7 grundsätzlich
Maskenpflicht auch im Unterricht gelten. Für Grundschüler, Fünft- und

Sechstklässler soll eine solche Pflicht ebenfalls eingeführt werden
können. In «besonderen Infektionshotspots» soll es in älteren
Jahrgängen außer Abschlussklassen schulspezifisch «weitergehende
Maßnahmen für die Unterrichtsgestaltung» wie Hybridunterricht geben.

In den Schulen sollen auch verstärkt Schnelltests eingesetzt werden.

QUARANTÄNE: Für Kontaktpersonen von Corona-Infizierten soll ab
1. Dezember eine kürzere Quarantänezeit von 10 statt bisher 14 Tage
n
gelten - aber mit einem negativen Test. Darauf verständigten sich die
Gesundheitsminister von Bund und Ländern bereits unabhängig von den
Beratungen der Regierungschefs. Bundesminister Jens Spahn (CDU) sagte
den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Zehn Tage Quarantäne mit
Schnelltest am Ende ist genauso sicher wie 14 Tage Quarantäne ohne
Test.» Für Betroffenen seien es vier Tage weniger Einschränkungen.

SCHUTZ VON RISIKOGRUPPEN: Die Ministerpräsidenten wollen den Schutz
von Risikogruppen verbessern. So sollte es für Pflegebedürftige
20 Schnelltests pro Woche geben - für Pflegeheimbewohner sind schon
20 Schnelltests im Monat möglich. Generell will der Bund für das neue
Jahr weiteren Nachschub organisieren. Ziel sei, für das erste Quartal
2021 rund 60 Millionen Schnelltests für Deutschland zu sichern, wie
die dpa vom Gesundheitsministerium erfuhr. Für das zweite Quartal
sollen 40 Millionen Tests folgen, dann bis Jahresende weitere 30
Millionen. Bis Ende dieses Jahres sind bereits Kontingente über
Abnahmegarantien bei Herstellern gesichert worden, damit Länder und
Einrichtungen sie kaufen können - für Dezember 17,5 Millionen Tests.

SOZIALGARANTIE: Der Bund soll im Rahmen der «Sozialgarantie 2022» die
Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent stabilisieren.
Darüber hinausgehende Finanzbedarfe etwa für die Krankenversicherung
sollten bis 2022 aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden, fordern die
Länder. Von einem Corona-«Solidaritätszuschlag», wie von SPD-Seite

vorgeschlagen, ist nicht die Rede. Der Bund gibt für 2021 schon fünf
Milliarden Euro extra in die gesetzliche Krankenversicherung.

CORONA-APP: Die Länder setzen im Kampf gegen das Coronavirus auch auf
eine Weiterentwicklung der staatlichen Warn-App. In den kommenden
sechs Wochen soll die Anwendung drei weitere Updates erhalten.

NÄCHSTE BUND-LÄNDER-RUNDE: Einen Automatismus zur Verlängerung von
Maßnahmen enthält der Länder-Vorschlag nicht. Dort heißt es aber:
«Bund und Länder werden sich bis zum 15. Dezember über das weitere
Vorgehen abstimmen.» Die Länder gehen demnach «davon aus, dass wegen

des hohen Infektionsgeschehens umfassende Beschränkungen auch über
den Jahreswechsel hinaus erforderlich sein werden». Merkel kündigte
in der Unionsfraktion an, sie werde sich am 14. oder 15. Dezember
nochmals mit den Ministerpräsidenten zusammenschalten.