Parade im TV und Truthahn alleine? Pandemie-Thanksgiving in den USA Von Christina Horsten, dpa

Zu Thanksgiving kommen in den USA normalerweise Familien und Freunde
zusammen. Genau davor aber warnen Behörden in diesem Jahr, denn die
Corona-Zahlen steigen wieder dramatisch - und die Angst vor einem
«Superspreader-Thanksgiving» wächst.

New York (dpa) - Ob gemeinsames Truthahn-Festessen oder langersehntes
Wiedersehen mit von nah und fern angereisten Verwandten und Freunden:
Thanksgiving gehört in den USA traditionell zu den bedeutendsten,
beliebtesten und betriebsamsten Feiertagen. In diesem Jahr aber fällt
das Erntedankfest am Donnerstag mit teils dramatisch steigenden
Coronavirus-Zahlen zusammen. Die Behörden raten von Reisen und
Familienbesuchen dringend ab - und auch die traditionelle Parade in
New York muss sich anpassen.

Zu Hause und nur mit Menschen aus dem eigenen Haushalt solle in
diesem Jahr gefeiert werden, rät die US-Gesundheitsbehörde CDC. Das
sei zwar keine Vorschrift, aber eine «starke Empfehlung», sagt
CDC-Manager Henry Walke angesichts der zuletzt wieder stark
gestiegenen Coronavirus-Zahlen. Seit Beginn der Pandemie starben in
den USA mehr als eine Viertelmillion Menschen nach einer Infektion
mit dem Erreger Sars-CoV-2 - mehr als in jedem anderen Land der Welt.
Insgesamt haben sich in dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern
mehr als 12 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus
infiziert.

Die Feierlichkeiten rund um das Erntedankfest gehörten zu den
«großartigen Traditionen unseres Landes», sagt Walke. Mit Blick auf
die Pandemie befänden sich die USA aber in einer «kritischen Phase»
und einer «schweren Zeit». Schon nach den Feiertagen Memorial Day im
Mai und Labor Day im September seien die Zahlen jeweils in die Höhe
geschnellt, das müsse diesmal unbedingt verhindert werden.

«Wenn du jemanden liebst, dann sage ihm: «Ich liebe dich so sehr,
dass ich dich dieses Thanksgiving nicht besuchen kommen werde»», rät

New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo - und beschränkte kurz vor dem Fest
Treffen in Privathäusern in dem von ihm regierten Bundesstaat auf
maximal zehn Teilnehmer. Mehrere andere Gouverneure und Bürgermeister
äußerten sich ähnlich. So sind beispielsweise in Nashville im
Bundesstaat Tennessee nur noch acht Teilnehmer bei Treffen in
Privathäusern erlaubt.

New Jerseys Gouverneur Phil Murphy forderte dazu auf, die Zahl der
Festmahl-Teilnehmer unbedingt «einstellig» zu halten. Der von vielen
Experten kritisierte Radiologe Scott Atlas dagegen, der den noch
amtierenden US-Präsidenten Donald Trump zum Coronavirus berät, sprach
sich gegen die «Isolierung» von Menschen aus.

Normalerweise sind rund um Thanksgiving die Flughäfen des Landes
voller Menschen, und auf vielen Autobahnen herrscht Dauerstau. Rund
55 Millionen Menschen legten im vergangenen Jahr nach Angaben des
Verkehrsverbands AAA rund um Thanksgiving mindestens 80 Kilometer
oder mehr zurück, um Familie und Freunde zu besuchen oder das lange
Wochenende für einen Ausflug zu nutzen.

Aber auch in diesem Jahr scheinen viele Amerikaner der Pandemie und
den Behördenanweisungen zum Trotz reisen und feiern zu wollen. Rund
50 Millionen Amerikaner - und damit nur etwa zehn Prozent weniger als
im vergangenen Jahr - hatten laut AAA zumindest vorläufige
Reisepläne. Der überwiegende Teil wollte demzufolge das Auto nutzen,
knapp 2,5 Millionen Menschen das Flugzeug. Mehrere Flugkonzerne
hatten für die Tage um Thanksgiving bereits ihr Angebot erweitert.

Einer Umfrage der Ohio State University zufolge hatten rund 40
Prozent der Amerikaner zumindest vorläufig geplant, an einem
Thanksgiving-Fest mit zehn oder mehr Menschen teilzunehmen. Rund ein
Drittel plante dabei nicht mit Masken. Forscher des Georgia Institute
of Technology und der Stanford University rechneten unterdessen vor,
dass die Chance, dass bei einem solchen Thanksgiving-Festmahl ein mit
dem Coronavirus infizierter Teilnehmer mit dabei sei, in manchen
Gegenden der USA bei mehr als 99 Prozent liege.

Die traditionelle Thanksgiving-Parade in New York kann in diesem Jahr
ausschließlich coronakonform verfolgt werden. Wo normalerweise schon
am Vorabend Tausende Menschen das Aufblasen der Heliumballons
bestaunen und Tausende weitere die Parade in den Straßen von New York
verfolgen, sind in diesem Jahr keine Zuschauer vor Ort zugelassen.
Riesige Ballons und Auftritte von Stars soll es zwar auch diesmal
geben, aber das Ganze wird zum teilweise voraufgezeichneten
TV-Spektakel. «Lasst uns zusammen feiern», heißt es von der
Kaufhauskette Macys, die die Parade traditionell veranstaltet, «jeder
bei sich zu Hause».