Europarat-Chefin will Frauen in zweitem Lockdown vor Gewalt schützen

Wegen steigender Corona-Infektionszahlen sind Menschen in zahlreichen
Ländern erneut aufgerufen zuhause zu bleiben. Experten befürchten,
dass nun mehr Menschen häuslicher Gewalt zum Opfer fallen. Und auch
am Bildschirm lauert Gefahr.

Straßburg (dpa) - Die Generalsekretärin des Europarats, Marija
Pejcinovic Buric, hat einen besseren Schutz von Frauen in der
Corona-Pandemie gefordert. «Effiziente Maßnahmen zur Prävention von
Gewalt gegen Frauen müssen ein elementarer Teil von neuen Lockdowns
sein», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vor dem
Internationalen Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am
25. November. Der sichere Zugang zu Hilfsangeboten wie etwa
Unterkünften müsse ermöglicht und als systemrelevant angesehen
werden.

«Wir müssen sicherstellen, dass die erneuten Bewegungseinschränkungen

nicht mehr Leid für Frauen und Kinder verursachen», sagte Pejcinovic
Buric. Denn Lockdowns hätten sich als einzigartige Herausforderung
für Hilfsangebote erwiesen. Auch wenn viele aktuelle Regelungen
weniger strikt als im Frühjahr seien, hätten nationale Hotlines zur
Hilfe bei häuslicher Gewalt erneut dramatische Anstiege von Anrufen
gemeldet.

Pejcinovic Buric sprach sich dafür aus, kreative Lösungen zu
unterstützen. So habe es in einigen Ländern in Apotheken
Informationen für Opfer häuslicher Gewalt gegeben. Teils sei auch die
Fahrt zu Hilfeeinrichtungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln
kostenlos gewesen. Mitarbeiter im Gesundheitswesen und der Polizei
sollten zudem Richtlinien bekommen, um Opfer von Gewalt zu
identifizieren und ihnen zu helfen. «Zum Beispiel indem pro-aktiv
Frauen, die schon einmal Hilfe gesucht haben, kontaktiert werden.»

Bereits vor der Pandemie sei es für Frauen mit einer Behinderung oder
ohne Wohnung, Angehörige einer Minderheit und Migrantinnen schwierig
gewesen, Informationen zu dem Thema zu bekommen. «Wir müssen
sicherstellen, dass ihre Bedürfnisse während der Pandemie
angesprochen werden», forderte Pejcinovic Buric.

Nach einer Untersuchung der Organisation UN Women der Vereinten
Nationen hat Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Internet im Kontext
von Lockdowns und sozialer Distanzierung im Frühjahr zugenommen. Als
Beispiele werden unter anderem Gewaltandrohungen, das unerwünschte
Zeigen von rassistischem oder sexuellem Material in Videokonferenzen
sowie die unerwünschte Wiedergabe pornografischer Inhalte bei
Online-Veranstaltungen genannt. Aber auch häusliche Gewalt hat nach
Angaben von UN Women weltweit zugenommen.

Ähnliche Aussagen gibt es auch speziell zu Deutschland. Nach Angaben
der Leiterin des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen, Petra Söchting,
ist von April bis Anfang November ein Anstieg der Beratungskontakte
um knapp 20 Prozent zu verzeichnen - statt rund 850 Beratungen pro
Woche wie 2019 seien es etwa 1000. Allerdings sei das Angebot auch
deutlich bekannter geworden.