Prozess um Beleidigung von Senatssprecherin: Buchautor verurteilt

Berlin (dpa/bb) - Der Berliner Autor Hans-Joachim Lehmann ist wegen
Beleidigung der damaligen Berliner Senatssprecherin Claudia Sünder zu
einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt worden. Der 74-Jährige habe
in einem 79-seitigen Pamphlet, in dem er im Juni 2018 der
Politikwissenschaftlerin in teils derben Worten falsche oder
geschönte Angaben in ihrem Lebenslauf vorgeworfen hatte, in sieben
Fällen die Grenzen überschritten, begründete das Amtsgericht
Berlin-Tiergarten am Montag.

Das Gericht schloss sich mit der Entscheidung dem Antrag des
Staatsanwalts an. In seinem Plädoyer hieß es, das «Dossier» insgesa
mt
sei nicht als eine unzulässige Schmähschrift einzustufen. Es enthalte
allerdings Beleidigungen. Der Verteidiger forderte Freispruch.
Lehmann habe von der freien Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, so der
Anwalt. Buchautor und Mediziner Lehmann hatte im Prozess erklärt, das
«Dossier» betrachte er als «Produkt politischer Moral». Er habe zum

Teil «absichtlich übersteigert». Er kündigte bereits Berufung an.

Der Rechtsstreit um das «Dossier», das der Buchautor im Juni 2018 an
eine Vielzahl von Personen des politischen Lebens in Berlin versandt
hatte, läuft seit mehr als zwei Jahren. Sünder ging zivilrechtlich
gegen Lehmann vor. Viele Behauptungen musste der Urheber des Dossiers
unterlassen, in einigen allerdings sah zuletzt das Berliner
Kammergericht keinen Unterlassungsanspruch. In einem ersten
Strafprozess im Mai 2019 war der Autor freigesprochen worden. Dieses
Urteil hatte das Berliner Kammergericht auf Revision der
Staatsanwaltschaft aufgehoben und den Fall an eine andere Abteilung
des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Im jetzigen Urteil hieß es weiter, in einer Demokratie könne man
sicherlich auch harsche Kritik äußern. «Doch auch harsche Kritik hat

Grenzen», so die Richterin. Es habe sich allerdings um «relativ
milde» Fälle der Beleidigung gehandelt. In einem weiteren Fall der
Anklage erfolgte ein Freispruch. Mit der verhängten Strafe von 30
Tagessätzen zu je 20 Euro entsprach das Gericht dem Antrag des
Staatsanwaltes.