) Luftqualität in Europa bessert sich - weniger Tote durch Schadstoffe Von Steffen Trumpf, dpa

Wer in Europa einen tiefen Atemzug nimmt, bei dem strömen weniger
Schadstoffe in die Lungen als noch vor gut zehn Jahren. Trotzdem
sterben immer noch Hunderttausende Europäer in Folge der Belastung
mit Feinstaub und anderen Schadstoffen vorzeitig.

Kopenhagen/Hamburg (dpa) - Die Menschen in Europa atmen zunehmend
sauberere Luft. Die Luftqualität auf dem Kontinent verbesserte sich
im Laufe der vergangenen Jahre spürbar, wie die Europäische
Umweltagentur EEA in einem am Montag veröffentlichten Bericht
schreibt. Die positive Entwicklung hat Schätzungen zufolge dazu
geführt, dass im Vergleich von 2009 zu 2018 unter anderem knapp
60 000 weniger Menschen im Jahr vorzeitig durch die Belastung mit
Feinstaub sterben, teilte die Behörde in Kopenhagen mit.

Dennoch leiden nach wie vor nahezu alle Europäer unter
Luftverschmutzung etwa durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und
bodennahes Ozon - und mehr als 400 000 Menschen sterben Schätzungen
zufolge weiter pro Jahr an den Folgen der Belastung durch diese
Schadstoffe, darunter Zehntausende in Deutschland.

Einen wesentlichen Grund für die höhere Luftqualität sehen die
EEA-Experten in einer Verringerung der Emissionen in
Schlüsselsektoren wie Verkehr und Energieversorgung. Beim Transport
sei der Ausstoß von Schadstoffen wie Stickoxiden seit dem Jahr 2000
trotz einer gesteigerten Mobilitätsnachfrage und der damit
verbundenen Zunahme der Treibhausgasemissionen klar zurückgegangen.
Auch im Energiesektor seien die Verringerungen beachtlich. Mehr getan
werden müsse dagegen in der Landwirtschaft und beim Heizen.

«Die EEA-Daten belegen, dass Investitionen in bessere Luftqualität
eine Investition in bessere Gesundheit und Produktivität für alle
Europäer sind», erklärte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx.
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius sprach von guten
Nachrichten. Er wies jedoch darauf hin, dass es noch eine andere
Seite der Medaille gebe: «Die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in
Europa aufgrund von Luftverschmutzung ist immer noch viel zu hoch.»
Dies dürfe nicht ignoriert werden.

Wie aus dem am Montag veröffentlichten jährlichen EEA-Bericht zur
Luftqualität in Europa hervorgeht, starben 2018 immer noch rund
417 000 Menschen in 41 europäischen Staaten vorzeitig an der
Belastung mit Feinstaub (PM2.5). Darunter waren knapp 379 000
Menschen in der EU, zu der in dem Jahr auch noch Großbritannien
zählte, und davon allein 63 100 in Deutschland. Hinzu kommen in den
41 Ländern insgesamt 55 000 vorzeitige Todesfälle in Verbindung mit
Stickstoffdioxid (NO2) und weitere 20 600 durch bodennahes Ozon (O3),
darunter 9200 beziehungsweise 4000 in Deutschland.

Während sich diese Todesziffer europaweit beim NO2 im Vergleich zu
2009 mehr als halbiert hat, ist sie beim Ozon um ein Fünftel
angestiegen.

Die Problemkinder beim Feinstaub befinden sich weitgehend in
Osteuropa, wo weiter vergleichsweise viel mit Holz und Kohle geheizt
wird. Sechs EU-Staaten übersteigen die EU-Grenzwerte, und zwar
Bulgarien, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien und Tschechien. Nur in

Estland, Finnland, Island und Irland sind diese Werte unter den
empfohlenen Werten der Weltgesundheitsorganisation WHO, die noch
einmal strenger als diejenigen der EU sind.

Legt man die WHO-Werte zugrunde, dann müssen vor allem städtische
Bevölkerungen weiter mit zu hohen Schadstoffbelastungen klarkommen.
Drei von vier EU-Bürgern in urbanen Gebieten sind laut EEA einer
Feinstaubbelastung oberhalb der WHO-Empfehlung ausgesetzt. Beim Ozon
ist es so gut wie jeder Stadtbewohner.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht insgesamt einen
positiven Trend - rief jedoch insbesondere die Autobranche auf, ihrer
Verantwortung für die Luftqualität besser gerecht zu werden.
«Grenzwerte für Luftschadstoffe wirken, und sie retten Menschenleben.
Es ist deshalb richtig, dass die EU die Standards weiter bessert,
denn noch immer müssen viel zu viele Menschen gefährlich schlechte
Luft atmen», so Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. «Wenn nun
ausgerechnet die Autoindustrie gegen bessere Grenzwerte wettert, ist
das zynisch. Schließlich hat diese Branche über Jahre bei Abgaswerten
betrogen und so schon vor Corona die Lungen von Millionen Menschen
geschädigt.» Die Branche hatte sich zuletzt skeptisch gezeigt, ob
verschärfte Stickoxid-Standards der EU technisch umsetzbar sind.

Generell ändern sich die Schadstoffkonzentrationen von einem Jahr zum
nächsten nicht sehr deutlich. Gegen die Schadstoffe werde jedoch
bereits eine Menge getan, sagte der Hauptautor des Berichts, Alberto
González Ortiz: In osteuropäischen Staaten werde beispielsweise
bereits vielerorts auf weniger luftverunreinigende Brennstoffe
umgestellt. Auch beim Heizen und bei der Mobilität gebe es zahlreiche
Möglichkeiten, die man im Zuge der Erholung von der
Coronavirus-Pandemie umsetzen könne.

Apropos Covid-19: Die Pandemie und mit ihr verbundene Lockdowns haben
laut EEA für eine bessere Luftqualität gesorgt. Manche Schadstoffe
hätten sich vorläufigen Daten zufolge in vielen europäischen Länder
n
um bis zu 60 Prozent verringert. Die Stickstoffdioxid-Konzentration
im April 2020 während der ersten Hochphase der Corona-Krise sei etwa
in Deutschland um 31 Prozent geringer gewesen als erwartet - in
Ländern mit weitreichenden Lockdowns wie Spanien, Frankreich und
Italien waren diese Verringerungen noch deutlich stärker.

Auf dem Weg zu einer besseren Luft hält die EEA die weitere Umsetzung
von Umwelt- und Klimamaßnahmen für einen Schlüsselfaktor. Um die
Gesundheit der Menschen in Europa und auch die Umwelt vollständig zu
schützen, müsse man die Luftverschmutzung weiter verringern und die
Qualitätsstandards stärker an die Empfehlungen der WHO anpassen,
wurde Umweltkommissar Sinkevicius von der EU-Behörde zitiert.