Längerer Teil-Lockdown absehbar

Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es im
Dezember weitergeht mit den Corona-Maßnahmen - und in welchem Rahmen
die Menschen Weihnachten und Silvester verbringen können.

Berlin (dpa) - Angesichts anhaltend hoher Corona-Infektionszahlen ist
eine Verlängerung des Teil-Lockdowns im Dezember absehbar. Auch die
unionsgeführten Bundesländer wollen die für November geltenden
Maßnahmen bis zum 20. Dezember verlängern, wie aus einem Papier
hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur am Montag vorlag. Eine
Fortführung bis zu diesem Datum sieht auch ein bereits bekannt
gewordener Beschlussentwurf vom Vorsitz der
Ministerpräsidentenkonferenz vor, den derzeit Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) innehat. Demnach soll es weitere
Verlängerungen geben, falls die Infektionslage nicht abflaut.

Der Berliner Vorschlag sieht bis Mitte Januar erhebliche
Kontaktbeschränkungen vor, wobei es Lockerungen für die
Weihnachtsfeiertage geben soll. Angedacht ist zudem, dass Länder mit
niedrigen Infektionszahlen Maßnahmen vorzeitig lockern können. Nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist an diesem Montag eine
Schaltkonferenz der Länder geplant. Sie wollen vor den neuen
Beratungen mit dem Bund über das weitere Vorgehen in der
Corona-Pandemie am Mittwoch ihre Linie abstimmen. Die Vorschläge
Müllers sind nach dpa-Informationen unter den SPD-Ländern abgestimmt.

Müller sagte im ZDF-«heute journal», ohne auf Details einzugehen, es

gebe nun einen Vorschlag, der deutlich langfristiger als die
bisherigen angelegt sei. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag), die Runde am
Mittwoch müsse «eine bestmögliche Perspektive für den Zeitraum bis

nach dem Jahreswechsel geben».

Politiker von Bund und Ländern hatten die Bürger am Wochenende auf
eine Verlängerung der zunächst bis Ende November geltenden
Kontaktbeschränkungen vorbereitet. Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) sagte im ARD-«Bericht aus Berlin», es gebe keinen Grund
zur Entwarnung. Deswegen müsse der Lockdown verlängert und an einigen
Stellen - insbesondere in den Hotspots - auch deutlich vertieft
werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte am
Montag im Deutschlandfunk, die Zahlen seien gedämpft, blieben aber
weiter hoch. «Und deshalb muss nach Auffassung vieler Länder der
November-Shutdown fortgeführt werden, insbesondere in den
Risikogebieten.» Sie forderte zugleich die Möglichkeit von
Lockerungen für Gebiete, die deutlich und dauerhaft weniger als 50
Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100 000 Einwohner haben.

Die Vorschläge des Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, die
unter anderem der «Berliner Morgenpost», dem Wirtschaftsmagazin
«Business Insider» und der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, sehen
Folgendes vor:

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Die Bürgerinnen und Bürger bleiben aufgerufen,

jeden nicht notwendigen Kontakt zu vermeiden und möglichst zu Hause
zu bleiben. Zur weiteren Vermeidung von Kontakten werden die
Arbeitgeber gebeten, unbürokratisch Home-Office zu ermöglichen. Die
für November geltenden Maßnahmen sollen bundesweit bis zum 20.
Dezember verlängert werden.

Länder, die weniger als 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
innerhalb von sieben Tagen haben und eine sinkende Tendenz dieses
Wertes aufweisen, sollen davon schon vor dem 20. Dezember abweichen
können. Wird bis zu diesem Stichtag keine bundesweit signifikant
sinkende Tendenz erreicht, sollen die Maßnahmen für jeweils 14 Tage
verlängert werden, bis dieses Ziel erreicht ist. Die Position der
Unionsländer weicht leicht ab: Sie wollen den Ländern bereits bei
weniger als 50 Neuinfektionen pro Woche Lockerungen ermöglichen. Über
eine Fortsetzung der Schließungen solle am 15. Dezember beraten
werden.

PRIVATE ZUSAMMENKÜNFTE: Vom 1. Dezember bis zum 17. Januar sieht der
Berliner Beschlussvorschlag weitere erhebliche Kontaktbeschränkungen
vor, um die Infektionen mittelfristig zu reduzieren. So sollen
private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten auf den
eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Fall auf maximal
fünf Personen beschränkt werden. Kinder bis 14 Jahre sollen von
dieser Regel ausgenommen werden.

WEIHNACHTEN: Bei den Vorschlägen für die Weihnachtstage gibt es in
dem Entwurf noch eckige Klammern, über deren Inhalt noch beraten
werden muss. So sollen nach den Vorstellungen des MPK-Vorsitzes die
Personenobergrenzen für Zusammenkünfte innen und außen vom 21. bis
zum 27. Dezember - also über die Weihnachtstage - erweitert werden
auf Treffen eines Haushaltes mit haushaltsfremden Familienmitgliedern
oder haushaltsfremden Personen bis maximal fünf Personen. Alternativ
gibt es die Überlegung, diesen Zeitraum vom 21. Dezember bis zum 3.
Januar auszudehnen und die Beschränkung auf maximal zehn Personen
festzulegen. Kinder bis 14 Jahre sollen jeweils ausgenommen werden.

Mit dieser Regelung solle «Weihnachten auch in diesem besonderen Jahr
als Fest im Kreise von Familien und Freunden, wenn auch im kleineren
Rahmen, möglich sein», heißt es in dem Entwurf. Wo immer möglich,
solle man sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst
mehrtägige häusliche Selbstquarantäne begeben. Diese Regel ist
allerdings lediglich als Appell formuliert.

GOTTESDIENSTE: Bund und Länder sollen das Gespräch mit den
Religionsgemeinschaften suchen, um möglichst Vereinbarungen für
Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte zu treffen. Auch
hier wieder das Ziel: Kontakte reduzieren. Religiöse Zusammenkünfte
mit dem Charakter von Großveranstaltungen sollen vermieden werden.

SILVESTER: Verkauf, Kauf und Zünden von Feuerwerk soll nach dem
Müller-Papier verboten werden. Damit sollen Einsatz- und Hilfskräfte
entlastet und die Kapazitäten des Gesundheitssystems freigehalten
werden. Die Unionsländer wollen nur Feuerwerk auf belebten Plätzen
verbieten und ansonsten nur einen Verzicht empfehlen.

MUND-NASE-BEDECKUNG: Für öffentliche Verkehrsmittel sowie in
geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs-
oder Kundenverkehrs zugänglich sind, soll es eine Pflicht zum Tragen
einer Mund-Nase-Bedeckung geben. Auch an Orten unter freiem Himmel,
an denen sich Menschen auf engem Raum aufhalten, soll demnach eine
Mund-Nase-Bedeckung vorgeschrieben werden. Jene Orte sollen von den
zuständigen Behörden festgelegt werden. Auch in Arbeits- und
Betriebsstätten soll eine Mund-Nasen-Maske getragen werden - am
jeweiligen Arbeitsplatz soll das nicht gelten, wenn ein Abstand von
1,5 Metern zu einer weiteren Person eingehalten werden kann.

HOCHSCHULEN UND UNIVERSITÄTEN: Sie sollen grundsätzlich auf digitale
Lehre umstellen. Ausnahmen soll es nur für Laborarbeiten, Praktika
und Prüfungen geben.

SCHULEN: Schüler ab der siebten Klasse sollen künftig auch im
Unterricht Maske tragen. Gelten soll das für Schüler und
Berufsschüler in Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuansteckungen
pro 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen - was derzeit
vielerorts der Fall ist. Schulen ohne Corona-Fälle können aber davon
ausgenommen werden.

Für die Schulen wird auch eine Teststrategie vorgeschlagen: Tritt in
einer Klasse ein Corona-Fall auf, soll diese zusammen mit den
betroffenen Lehrkräften für fünf Tage in Quarantäne. Am fünften T
ag
soll es für alle einen Schnelltest geben. Fällt der negativ aus, kann
die Klasse wieder zurück an die Schule. «Um diese wirksame
Teststrategie flächendeckend zur Anwendung bringen zu können, wird
der Bund (über die Länder) zusätzliche Kapazitäten von Antigen-Test
s
zur Verfügung stellen», heißt es in dem Papier.

Die Ausgestaltung weiterer Maßnahmen, wie etwa Wechselunterricht wird
den Ländern überlassen. Schülerfahrten und internationaler Austausch

sollen untersagt bleiben. Es wird empfohlen, den Unterrichtsbeginn zu
staffeln, um den Schulverkehr zu entzerren.

WIRTSCHAFT, KULTUR, REISEBRANCHE, SOLOSELBSTSTÄNDIGE: Auch die
staatlichen Hilfen für betroffene Betriebe sollen bis 20. Dezember
verlängert werden. Diese seien für Unternehmen und Beschäftigte
essenziell und ein wichtiges Element für die hohe Akzeptanz der
notwendigen Schutzmaßnahmen bei den Bürgerinnen und Bürgern, heißt
es
in dem Papier. Die Ausgaben für diese Unterstützung im November
werden auf 15 Milliarden Euro beziffert.

Vorgeschlagen wird auch, Hilfsmaßnahmen für Branchen, die absehbar in
den kommenden Monaten weiterhin «erhebliche Einschränkungen»
hinnehmen müssten, bis Mitte 2021 zu verlängern. Genannt werden die
Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, Soloselbstständige und die
Reisebranche.

REISERÜCKKEHRER: Der Entwurf schlägt vor, dass die häusliche
Quarantäne bei Reiserückkehrern und Kontaktpersonen einheitlich auf
zehn Tage im Regelfall festgelegt werden soll - gerechnet ab dem Tag
der Einreise beziehungsweise dem letzten Tag des Kontakte.

GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG: Die Länder wollen den Bund nach dem
Entwurf bitten, wie eine steuerfinanzierte Stabilisierung der
GKV-Beiträge aussehen könnte, damit die durch die Pandemie im
Gesundheitswesen verursachten Kosten nicht einseitig durch die
gesetzlich Versicherten abgefedert werden müssen. Als Möglichkeit
wird ein Solidaritätszuschlag genannt.

FDP-Chef Christian Lindner, der sich auch schon zuvor kritisch zu den
aktuellen Corona-Maßnahmen geäußert hatte, hält nichts von der
Lockdown-Strategie. «Ich glaube, dass diese Strategie nicht
funktioniert. Auch wenn wir zu Weihnachten oder nach Weihnachten oder
Januar öffnen: Solange kein Impfstoff da ist und wir keine
Bevölkerung mit einer großen Resistenz haben, droht die nächste, die

dritte Welle», sagte Lindner im «Bild»-Politiktalk «Die richtigen
Fragen». Er hoffe, dass es am Mittwoch gelinge, «über eine nationale

Kraftanstrengung zu sprechen». Es gehe darum, die wirklichen
Risikogruppen zu schützen. Benötigt würde zudem eine
Öffnungsperspektive mit einem klaren Regelwerk, welche
Hygienestandards Gaststätten und andere erfüllen müssten.