Bund und Länder bereiten Menschen auf längeren Teil-Lockdown vor Von Christian Andresen und Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Die zweite Corona-Welle ist deutlich schlimmer als die im Frühjahr.
Eigentlich sollten die derzeitigen Beschränkungen Ende November
auslaufen. Das erwartet derzeit aber kaum noch jemand.

Berlin (dpa) - Angesichts anhaltend hoher Corona-Infektionszahlen
müssen sich die Menschen in Deutschland auf eine Verlängerung des
Teil-Lockdowns im Dezember einstellen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
und Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bereiteten die
Bürger vor der an diesem Mittwoch geplanten Runde mit den
Ministerpräsidenten grundsätzlich auf eine Verschärfung der zunächs
t
bis Ende November geltenden Kontaktbeschränkungen vor.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im ARD-«Bericht
aus Berlin», es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Deswegen «werden
wir den Lockdown sicherlich zu verlängern vorschlagen. Und an einigen
Stellen - insbesondere in den Hotspots - auch deutlich zu vertiefen.»

Für die Staatskanzleichefs der Länder war es ein arbeitsreiches
Wochenende: Gleich mehrfach schalten sie sich in unterschiedlichen
Runden zusammen, um ihr weiteres Vorgehen in der Pandemie zu beraten.
Am Montag wollten ihre Chefs die Vorlage der Länder für die
Beratungen mit Merkel an diesem Mittwoch festzurren - damit es nicht
wieder so konfliktträchtig abläuft wie in der Vorwoche.

Merkel sagte in Berlin bei einem gemeinsamen Auftritt mit Scholz nach
dem G20-Gipfel führender Wirtschaftsmächte, welche Maßnahmen genau
ergriffen würden, «dem kann ich und will ich heute nicht vorgreifen».

Sie versicherte: «Die Bürgerinnen und Bürger sollen von Bund und
Ländern eine geschlossene, gemeinsame Antwort bekommen. Darauf haben
sie eigentlich ein Recht. Und daran arbeiten wir jetzt diesmal sehr
intensiv.» Tatsache sei, «dass wir noch nicht soweit sind, wie wir
gerne gekommen wären durch die Kontaktbeschränkungen».

Auch Scholz sagte, bei der Entwicklung der Fallzahlen sei man noch
nicht dort, wo man hinwolle. «Und deshalb ahnt ja auch jeder, dass es
noch Verlängerung geben muss.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), derzeit als
Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für die Organisation
einer Länder-Linie zuständig, sagte der Deutschen Presse-Agentur:
«Wir sind uns einig, dass schon viel erreicht wurde, aber nicht
genug.» Er ergänzte: «Wie lange wir verlängern müssen und wie g
enau
wir das ausgestalten, wird gerade untereinander besprochen.»

Söder sagte am Sonntagabend in der ARD, neben weiteren
Kontaktbeschränkungen müsse vor allem das Thema Schule diskutiert
werden. Insbesondere in den Hotspots mit besonders hohen
Corona-Zahlen sei es so, dass die Schule einer der Infektionsherde
sei. Zwar sollten die Schulen grundsätzlich offen bleiben. Der
Vorschlag sei aber, generell und auch in der Grundschule eine
Maskenpflicht einzuführen und Wechselunterricht für die älteren
Jahrgangsstufen. Ausnahmen sollten für die Abschlussklassen gelten.
«Also: Insgesamt vertiefen, indem an der Schule nachgedacht wird -
und auch weitere Kontaktbeschränkungen», sagte Söder.

DIE AKTUELLE SITUATION:

Seit Anfang November sind deutschlandweit alle Freizeit- und
Kulturangebote auf Eis gelegt, Bars, Cafés und Restaurants
geschlossen. Am Sonntag meldete das RKI 15 741 Fälle, die von den
Gesundheitsämtern binnen 24 Stunden übermittelt wurden. Am Sonntag
vor einer Woche lag die Zahl bei 16 947. Der Höchststand war am
Freitag mit 23 648 Fällen erreicht worden. Die Zahl der
Corona-Patienten auf der Intensivstation steigt laut Daten der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin weiter, aber zuletzt weniger stark.

Was bedeutet das ...?

FÜR DIE NÄCHSTEN WOCHEN: Ohne Verlängerung müssten die Beschr
änkungen
Ende November auslaufen. Wie lange sie darüber hinaus dauern sollen,
ist noch unklar. Das Wirtschaftsmagazin «Business Insider» hat unter
Berufung auf Länderkreise das Datum 20. Dezember genannt. Das Magazin
zitierte zudem aus einer Beschlussvorschlage mit Stand Samstag 19.00
Uhr des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz: «Private
Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind auf den
eigenen und einen weiteren Hausstand, jedoch in jedem Falle auf
maximal 5 Personen zu beschränken. Eigene Kinder bis 14 Jahre sind
hiervon ausgenommen», heiße es dort.

FÜR WEIHNACHTEN:

Laut «Bild» sind sich die Unionsländer einig, dass
Kontaktbeschränkungen zumindest über die Weihnachtsfeiertage
gelockert werden sollten. Auch die SPD-regierten Länder wollen laut
«Bild am Sonntag» Lockerungen für die Festtage. Die
rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte der
Zeitung: «Weihnachten und Silvester sollen die Menschen ihre Liebsten
treffen können.» Kanzleramtschef Helge Braun sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag): «Es ist für mich nicht
vorstellbar, dass die Großeltern an Weihnachten nicht mitfeiern.»

Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse
(KKH) äußerten 41 Prozent der rund 1000 Befragten die Sorge, das Fest
wegen der Pandemie im kleinen Kreis oder allein feiern zu müssen. Der
Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, sagte dem
«Tagesspiegel»: «Man kann doch wohl Mitte November schon sagen, dass

Weihnachten in den Familien stattfinden kann.»

FÜR SILVESTER:

Söder sagt, Weihnachten solle «freier» sein, «dafür Silvester wie
der
konsequenter». Für Silvester wünscht er sich ein Böller- oder
Alkoholverbot auf größeren Plätzen. «Ein generelles Böllerverbot

braucht es aber nicht.»

FÜR SCHULEN:

Die Kultusminister der Länder beharren darauf, sie grundsätzlich
offenzuhalten, plädieren aber nach Informationen des
Nachrichtenportals «ThePioneer» (Samstag) und der Deutschen
Presse-Agentur für Ausnahmen. Nach einem Beschluss vom Freitag sollen
in Hotspot-Gebieten mit sehr vielen Infektionen besonders betroffene
Schulen ab der 11. Klasse auf einen «rollierenden Präsenzunterricht»

in verkleinerten Lerngruppen umstellen können, also einen Wechsel von
Lernen in der Schule und zuhause.

In einem zweiten Schritt ist das auch für untere Klassenstufen
weiterführender Schulen vorgesehen. Die Abschlussklassen sollen in
jedem Fall in der Schule bleiben. Die Unionsländer wollen Ähnliches:
In Corona-Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 soll es ab
der 7. Klasse Wechselunterricht geben.

«Infektionsketten wirklich unterbrechen und gleichzeitig
lebenspraktisch bleiben, das ist die Aufgabe», sagte Spahn dem RND
(Montag). Konkret schlug er vor, dass beim Auftreten eines
Infektionsfalls sofort die betroffene Klasse in die häusliche
Isolation geschickt wird. Bisher ist das teilweise nicht oder nur bei
Sitznachbarn Infizierter der Fall. «Nach negativen Schnelltests am
fünften Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schu
le
zurückkehren», sagte Spahn.

An besonders von Corona betroffenen Schulen soll es nach dem Willen
der Kultusminister mehr Tests geben. Nach Zulassung eines Impfstoffes
solle das Schulpersonal vorrangig ein Impfangebot erhalten.

FÜR DIE EINZELNEN LÄNDER:

Nach dem Willen der Unionsländer sollen laut «Bild» Länder und
Landkreise mit weniger als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern
innerhalb von sieben Tagen die Möglichkeit bekommen, die
Corona-Maßnahmen auszusetzen («Opt-Out-Regelung»). Davon könnten
aktuell nur Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie rund
zwei Dutzend Landkreise profitieren.

FÜR UNTERNEHMER:

Scholz will die Hilfen für Unternehmen, die wegen der
Corona-Beschränkungen schließen müssen, gegebenenfalls auch im
Dezember weiter zahlen. «Wenn die Beschränkungen verlängert werden,
ist für mich klar, dass die finanzielle Unterstützung der direkt
betroffenen Branchen dann ebenfalls weiter nötig ist», sagte er der
«Bild am Sonntag».