Günther und Stegner für infektionsabhängige Corona-Maßnahmen

Gleicher Maßstab, unterschiedliche Maßnahmen - mit diesem Konzept
geht der Kieler Ministerpräsident in die weiteren Corona-Gespräche
mit Bund und Ländern. In weiten Teilen hat er dabei die Rückendeckung
der SPD-Opposition.

Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther
setzt im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf bundesweit einheitliche
Regeln. «Das bedeutet aber nicht, dass jedes Land die gleichen
Maßnahmen ergreifen muss», sagte der CDU-Politiker der Deutschen
Presse-Agentur mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch. Dies hänge von den
Infektionszahlen ab.

Ähnlich äußerte sich der Oppositionsführer im Landtag,
SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Die stellvertretende
Ministerpräsidentin Monika Heinold redete den Regierungschefs
unterdessen ins Gewissen: «Die nächste Woche ist eine Nagelprobe für

den Föderalismus. Wir müssen zeigen, dass unser föderales System in
der Krise funktioniert», sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag.

Günther betonte, Schleswig-Holstein bewege sich bei den
Infektionszahlen auf einem deutlich niedrigeren Niveau als
Deutschland insgesamt. «Da wollen wir schon in unserem Land
Möglichkeiten haben, angemessen und sachgerecht darauf zu reagieren.»
Dies werde in die Beschlussvorlage der Länder mit eingebracht. «Ich
bin durchaus sehr hoffnungsfroh, dass dies auch am Ende durchgesetzt
wird.»

Nach Angaben der Landesregierung von Samstagabend stieg die Zahl der
registrierten Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages um 153. Am
Vortag waren es 250, davor 264. Ein weiterer Mensch starb im
Zusammenhang mit einer Sars-CoV-2-Infektion, womit die Zahl auf 234
wuchs. Seit Beginn der Pandemie wurden 12 787 Infektionen
nachgewiesen.

In den Kliniken in Schleswig-Holstein wurden den Angaben zufolge
aktuell 141 Covid-19-Patienten behandelt - ebenso viele wie an den
beiden Vortagen. Schleswig-Holstein hat mit Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen-Anhalt die niedrigsten Infektionszahlen in Deutschland.

Auf die Frage, wie weit regionale Differenzierungen gehen können,
sagte Günther: «Wichtig ist, dass wir entsprechende Möglichkeiten f
ür
die Länder haben.» Er würde nicht ausschließen, auch innerhalb des

Landes zu differenzieren - das sei bislang auch gemacht worden.

So seien beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte wie 35er- oder
50er-Inzidenz härtere Maßnahmen ergriffen worden. Als Beispiele
nannte der Regierungschef Sperrstunden für Gaststätten und die
Pflicht zum Tragen von Masken auch in der Grundschule. «Ich halte es
zumindest für denkbar, in einer solchen Art und Weise weiterhin zu
differenzieren.»

SPD-Fraktionschef Stegner sagte, nötig sei ein transparenter und
nachvollziehbarer Maßnahmenkatalog. «Bei einer Inzidenz von 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen gilt dies,
bei 70 das und bei 100 jenes.» Es wäre falsch, eine Region mit
30er-Inzidenz genau so zu behandeln wie eine mit 200. Dies sei auch
eine Frage der Akzeptanz einschränkender Maßnahmen.

Mit Blick auf die Schulen sieht Stegner falsche Signale aus Berlin.
Der Vorschlag, in halber Klassenstärke zu unterrichten, laufe auf 50
Prozent Unterrichtsausfall hinaus. Besser wäre es, die Schulen mit
Belüftungsanlagen auszustatten. «Die Fachleute sagen uns ja, damit
könnten 90 Prozent des Virenbefalls ausgeschaltet werden.» Dies hätte

auch noch den Effekt, dass die Wirtschaft davon profitieren würde.
«Hier wünsche ich mir mehr Power.» Wenn so ein Programm bundesweit
1,5 Milliarden Euro kosten würde, wäre das immer noch weniger, als
allein die Lufthansa bekommt, sagte Stegner.