Golf statt Gipfel - Trump zeigt wenig Interesse an G20-Spitzentreffen Von Jürgen Bätz, Jörg Blank, Andreas Landwehr und Jan Kuhlmann, dpa

Die Welt erlebt eine Pandemie. Die G20 diskutiert, wie sie Corona
bekämpft. Viele fordern einen gleichberechtigten Zugang zu
Impfstoffen für alle. Aber Trump will erneut Amerikaner bevorzugen.

Riad/Washington (dpa) - Golfen statt Gipfel: Donald Trump hatte keine
Lust auf die Videoschalten der G20. Sichtlich gelangweilt sitzt der
US-Präsident schon zum Auftakt des Gipfels im Konferenzraum des
Weißen Hauses. Seine gebückte Haltung lässt vermuten, dass er sich
eher mit dem Smartphone beschäftigt - und in seiner Twitterblase
schwebt: Parallel verbreitet er Tweets mit unbegründeten Behauptungen
über Wahlbetrug bei seiner Niederlage. Auch zur Gesundheit seines
nach Medienberichten mit Corona infizierten Sohnes äußert er sich -
nicht aber zu den konkreten Inhalten des G20-Gipfels.

Nach gut eineinhalb Stunden Gipfel scheint er genug davon zu haben.
Er fährt für den Rest des Tages in seinen Golfclub in Sterling im
nahen Bundesstaat Virginia. Fotos zeigen Trump wenig später in einem
roten Blouson und einer weißen Kappe beim Golfen - während
Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs
über die Strategien zur Eindämmung der Corona-Pandemie beraten.

Am Sonntag, dem zweiten Tag, wehrt sich Trump dann mit den für ihn
üblichen Mitteln: über Twitter. Er sei auch am Vortag dabei gewesen,
schreibt er, was die «Fake-News-Medien» jedoch «wie üblich» vers
äumt
hätten zu berichten. Später folgt eine aufgezeichnete Rede Trumps zum
Thema Klimaschutz, über den der G20-Gipfel diskutiert, mit wütenden
Worten gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, aus dem die USA unter
seiner Führung ausgestiegen sind. Beim Abschlusstreffen lässt er sich
schließlich durch seinen Wirtschaftsberater Larry Kudlow vertreten.

Der noch bis zum 20. Januar amtierende US-Präsident reiste schon
früher nicht begeistert zu Gipfeltreffen ins Ausland - genoss dann
aber das Rampenlicht. Bei einer Videoschalte ist ein großer Auftritt
aber nicht möglich. Überraschend fehlte auch die Konfrontation mit
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Vor der Wahl attackierte
Trump ihn unablässig wegen des «China-Virus», wollte ihn wegen der
Pandemie «zur Rechenschaft ziehen». Wahlkampfgetöse? Hat Trump keine

Lust mehr? Seit fast drei Wochen hat er sich kaum noch öffentlich
gezeigt, ist Fragen von Journalisten komplett ausgewichen.

In der Runde der Staats- und Regierungschefs habe sich Trump vor
allem selbst gelobt, wird berichtet - trotz seiner Tatenlosigkeit in
der Pandemie. Er habe das «aggressive Vorgehen» der US-Regierung
erläutert und die Erfolge bei den Behandlungsmöglichkeiten und
Impfstoffen betont, die «Millionen Leben retten werden», teilte das
Weiße Haus mit. Die Realität sieht anders aus: In den USA gibt es mit
zwölf Millionen bestätigten Corona-Infektionen mehr als in jedem
anderen Land. Mit mehr als 255 000 Toten liegen die USA einsam an der
Spitze, gefolgt von Brasilien (170 000) und Indien (100 000).

Die G20 vereinbaren zwar eine gerechte Verteilung von bezahlbaren
Impfstoffen in der Welt, aber in der Runde macht Trump deutlich, dass
aus seiner Sicht erstmal alle Amerikaner geimpft werden sollten, wie
aus Delegationskreisen verlautete. Eben «Amerika zuerst».

Trumps Verhalten bestätigte, was schon vorher nahe lag: Dieser
G20-Gipfel per Videoschalte und mit vorab aufgezeichneten Reden
unterschied sich von allen früheren Spitzentreffen. Es fehlten die
informellen Gespräche am Rande, die oft wichtiger sind als die großen
Runden. Nach außen drangen auch nur wenige Bilder. Wie der Auftritt
des altersschwachen saudischen Königs Salman, der als Gastgeber große
Mühe hatte, die zehnminütige Eröffnungsrede zu halten. Der 84-Jähri
ge
nuschelte und musste mehrfach mit schwerem Atem neu ansetzen.

Merkel dürfte Trump kaum vermisst haben, als dieser längst beim
Golfen war. Die Kanzlerin ist am Sonntag auf den Tag genau 15 Jahre
im Amt. Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, jetzt Corona - sie
hat viel Erfahrung im Umgang mit schwierigen Weltlagen erworben. Auf
dem Gipfel wirbt sie für starke Instrumente internationaler
Zusammenarbeit: Welthandelsorganisation, Währungsfonds, Weltbank.
Multilaterale Zusammenarbeit als Schlüssel zur Corona-Bekämpfung
lautet ihre Botschaft. Sie mahnt eine «globale Kraftanstrengung» an.
Und sie fordert mehr Geld für die Impfstoff-Initiative Covax und eine
stärkere Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Zwar nervt die Kanzlerin, dass in Corona-Zeiten die üblichen
bilateralen Treffen wegfallen, die ihr am Rande immer sehr wichtig
sind. Doch womöglich war es Merkel ganz Recht, dass sie dem
saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht die Hand schütteln
musste. Angesichts des Gesundheitszustandes des greisen Königs gilt
er längst als der starke Mann in Riad. Auch während des Gipfels saß
er an der Seite seines Vaters, zumindest bei den Übertragungen.
Kritiker sehen den 35-Jährigen auch als Drahtzieher für den Mord an
dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul.

MBS, wie er häufig knapp genannt wird, wollte den Gipfel eigentlich
für Imagepflege nutzen. Wegen der Corona-Pandemie und eines Gipfels
über Video war das jedoch nicht möglich, auch wenn die Gastgeber kaum
eine Möglichkeit ausließen, für sich selbst zu werben. So pries Kön
ig
Salman sein Land, einen der weltweit größten Produzenten von Erdöl,
als Vorreiter bei erneuerbaren Energien. Als Wirtschaftspartner ist
Riad für Deutschland und für anderen Staaten aber ohnehin kaum
verzichtbar - Menschenrechtsverletzungen hin oder her.