Gegen die Wegwerfgesellschaft: Einfach mal nichts kaufen Von Irena Güttel, dpa

Ein paar Clicks und das neue Paar Winterstiefel ist unterwegs.
Einkaufen ist heute so einfach, aber eben oft auch unüberlegt. 24
Stunden ohne Shopping sollen dafür das Bewusstsein schärfen.

Nürnberg (dpa) - Die Versuchungen sind allgegenwärtig. Die
Schaufenster in der Fußgängerzone werben mit der neusten Mode und
modernsten Technikgeräten. Drei T-Shirts zum Preis von zwei,
Smartphones 16 Prozent günstiger - irgendeine Sonderaktion gibt es
immer. Später locken im Supermarkt zwei Kilo Orangen im Angebot, beim
Bäcker gibt es beim Kauf von fünf Brötchen das sechste gratis dazu.
Und Zuhause geht es weiter: Denn dank Internet können wir auch nach
Geschäftsschluss noch auf Schnäppchenjagd gehen.

Zu widerstehen fällt selbst Christof Herrmann manchmal schwer. «Es
ist schwierig», sagt der 48-jährige Nürnberger. «Der Konsum ist
ständig um uns herum.» Doch Herrmann hat gelernt, sich in Verzicht zu
üben. Er bezeichnet sich selbst als Minimalisten. In einem Blog
beschreibt er, wie sein Leben sich dadurch gewandelt hat. «Ich
besitze eigentlich nur Dinge, die ich brauche oder gebrauche», sagt
er. Bevor er etwas Neues kauft, überlegt er lange, ob das wirklich
sein muss. Nie kauft er etwas spontan, aus einer Laune heraus.

Genau das will auch der weltweite «Buy Nothing Day» erreichen. Dieser
ruft jedes Jahr Ende November dazu auf, einen Tag lang kein Geld
auszugeben, um so die Menschen für ein nachhaltigeres Kaufverhalten
zu sensibilisieren. In den USA fällt der Tag bewusst auf den Tag nach
Thanksgiving, den «Black Friday», an dem dort traditionell das
Weihnachtsgeschäft beginnt, und die Händler den Konsumrausch mit
vielen Sonderaktionen befeuern. In Deutschland und anderen
europäischen Ländern ist der «Kauf-Nix-Tag» - so der deutsche Name
-
einen Tag später, am letzten Samstag im Monat.

Von einem Umdenken sind wir nach Ansicht des Nachhaltigkeitsexperten
Matthias Fifka noch weit entfernt. «Wir leben in einer
Wegwerfgesellschaft», sagt der Wirtschaftswissenschaftler von der
Universität Erlangen. Die Produktionslogik sei darauf ausgerichtet,
dass etwas hergestellt, verwendet und dann entsorgt werde. Daran hat
aus seiner Sicht auch die Corona-Krise nichts geändert. «Ich glaube
nicht, dass das ein Beschleuniger des Konsumverzichts ist.»

Über Wochen waren im Frühjahr die Geschäfte geschlossen. Die Menschen

hatten mehr Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Es wurde
wieder mehr gebastelt, gekocht, gestrickt und selbst gemacht. Sogar
Influencer backten auf Youtube plötzlich Bananenbrot. Weniger
konsumiert wurde im Großen und Ganzen trotzdem nicht. Die Menschen
kauften stattdessen einfach mehr im Internet.

«Ich habe den Eindruck, dass es in Zeiten von Corona eine Art
Zeitvertreib geworden ist», sagt Fifka. Gerade der Online-Handel
verführe zu Schnellschuss-Käufen, was der Experte angesichts der
vielen Retouren besonders problematisch findet. «Viele Retouren gehen
gar nicht mehr in den Verkauf, weil es logistisch nicht möglich ist.»
Oder weil es sich angesichts der geringen Herstellungskosten nicht
lohne.

Trotzdem ist der Online-Handel nicht per se schlecht in Hinblick auf
Nachhaltigkeit. «Man muss das differenziert betrachten», sagt Jan
Gimkiewicz vom Umweltbundesamt (UBA). In einem Forschungsprojekt
untersucht das UBA derzeit, wie sich der Online-Handel auf die Umwelt
auswirkt. «Dabei haben wir festgestellt, dass dieser auch für
Umweltentlastungen sorgen kann: Ein effizientes Lager kann unter
Umständen mehr Energie sparen, als Ladengeschäfte, die viel Wert auf
die Präsentation der Ware und ein tolles Einkaufsgefühl legen.
Außerdem fallen beim Online-Handel die Individualfahrten zum
Einkaufen weg.»

Am nachhaltigsten ist es jedoch, Dinge möglichst lange zu benutzen -
diese also zu reparieren, wenn sie kaputtgehen. Hilfe findet man
dabei in Repair Cafés wie das des FabLab in Fürth. «Oft lohnt sich
die Reparatur durch den Fachmann nicht durch die Anfahrt und den
Stundenlohn», sagt Sabrina Bohn vom FabLab. Ihr Eindruck ist, dass
viele Elektrogeräte mittlerweile schneller kaputt gehen.

«Wir stellen aber auch eine steigende Nachfrage nach Reparaturen
fest», sagt sie. Vor allem mit Musikanlagen, Fernsehern, DVD-Playern,
Kaffee-Vollautomaten und andere Küchengeräten kämen Hilfesuchende zu

den Repair Café-Fachleuten. Allerdings werde es immer komplexer,
Technikgeräte zu reparieren, sagt Bohn. «Manche kann man gar nicht
mehr auseinandernehmen wie die elektrischen Zahnbürsten. Die muss man
einschicken oder eine neue kaufen.»

Doch nicht immer muss es tatsächlich etwas Neues sein, wie Gimkiewicz
vom Umweltbundesamt betont. Stattdessen könne man Sachen auch
gebraucht kaufen oder teilen. So wie Minimalist Herrmann. Seit Jahren
besitzt er zum Beispiel kein Bügeleisen mehr. Wenn er eins seiner
wenigen Hemden bügeln will, geht er einfach zu Nachbarn oder
Freunden.