Zulassungsantrag für Corona-Impfstoff in den USA eingereicht Von Christina Horsten und Peter Zschunke, dpa

Gerade erst haben sie beeindruckende Daten zu ihrem Corona-Impfstoff
vorgelegt. Nun gehen Biontech und Pfizer den nächsten Schritt - und
beantragen eine Zulassung in den USA. Die Produktion des Wirkstoffs
könnte sofort nach Genehmigung beginnen.

New York/Mainz (dpa) - Großer Schritt auf dem Weg zum sehnsüchtig
erwarteten Wirkstoff gegen Corona: Das Mainzer Unternehmen Biontech
und der US-Pharmariese Pfizer haben bei der US-Arzneimittelbehörde
FDA eine Notfallzulassung für ihren Corona-Impfstoff beantragt. Das
bestätigte Pfizer am Freitag bei Twitter. Anträge auf eine Zulassung
für Europa und weitere Regionen seien in Vorbereitung, hatten die
Firmen vorher mitgeteilt. «Wir können innerhalb von Stunden liefern,
wenn wir eine Genehmigung erhalten sollten», sagte eine Sprecherin
von Biontech in Mainz. Falls der Wirkstoff zugelassen werde, könnten
besonders gefährdete Menschen in den USA Mitte bis Ende Dezember mit
dem Impfstoff versorgt werden.

Biontech-Vorstandschef und Mitgründer Ugur Sahin sprach von einem
«entscheidenden Schritt, um unseren Impfstoffkandidaten so schnell
wie möglich der Weltbevölkerung zur Verfügung zu stellen». Ziel sei

die schnelle globale Verteilung des Impfstoffs. «Als Unternehmen mit
Sitz in Deutschland im Herzen Europas» sei der enge Kontakt mit der
Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für Biontech von besonderer
Bedeutung.

Biontech und Pfizer sind die ersten westlichen Hersteller, die
vielversprechende Studienergebnisse veröffentlicht haben und den Weg
für eine Notfallzulassung bei der FDA gehen. Für den Impfstoff mit
der Bezeichnung BNT162b2 ergaben umfangreiche Testreihen nach Angaben
der Unternehmen eine Wirksamkeit, die einen 95-prozentigen Schutz vor
der Krankheit Covid-19 bietet. Das Vakzin funktioniere über alle
Altersgruppen und andere demografische Unterschiede hinweg ähnlich
gut und zeige praktisch keine ernsten Nebenwirkungen, hatten die
Firmen nach Abschluss letzter Analysen mitgeteilt.

Die FDA muss den Antrag nach der Einreichung erst prüfen. Wie lange
das dauern könnte, war zunächst unklar. US-Experten zeigten sich aber
zuversichtlich, dass es noch vor Jahresende ein Ergebnis der Prüfung
geben könnte. Für Corona-Impfstoffe gilt wegen der besonderen
Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess.

Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und in weiteren
Ländern reichen Biontech und Pfizer bereits Daten ein. So können
Hersteller schon vor dem formellen Zulassungsantrag Teilinformationen
zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats
weitergeben. «Wir reichen kontinuierlich Daten ein im rollierenden
Einreichungsprozess», antwortete die Biontech-Sprecherin auf die
Frage nach den Vorbereitungen für Anträge zur Zulassung des
Impfstoffs bei der EMA und in der Schweiz. Ziel sei es, mit diesen
Daten einen Antrag auf Zulassung zu ermöglichen.

Bereits in der zweiten Dezemberhälfte könnte ein erster Impfstoff in
Europa zugelassen werden, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der
Leyen am Donnerstag unter Hinweis auf Informationen der EMA.

Eine wichtige Rolle bei der Produktion des Impfstoffs soll ein Werk
in der hessischen Stadt Marburg spielen. Die Übernahme dieser
Produktionsanlage vom Schweizer Pharmakonzern Novartis wurde laut
Biontech im Oktober abgeschlossen.

Im Anschluss an die Fertigung sollen die Impfstoffdosen nach
Unternehmensangaben «fair» verteilt werden. Es werde nicht «ein Land

alles erhalten». Deutschland und die EU haben bereits einen
Rahmenvertrag über den Kauf von 300 Millionen Dosen des Impfstoffs
von Biontech und Pfizer abgeschlossen. Auf der Grundlage von
Lieferprognosen geht Biontech davon aus, dass in diesem Jahr weltweit
bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen ausgeliefert und im nächsten Jahr
bis zu 1,3 Milliarden Dosen hergestellt werden.

Biontech hatte bereits Mitte Januar angefangen, den Impfstoff
BNT162b2 im Projekt «Lightspeed» (Lichtgeschwindigkeit) zu
entwickeln. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie
begann Ende Juli.

Das Präparat ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff, der auf einem neuen
Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des
Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt - in diesem
Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen
eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von
Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen,
bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Ein Vorteil von mRNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller
als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Der Impfstoff
muss jedoch bei minus 70 Grad gelagert werden. Pfizer habe große
Erfahrungen darin, Impfstoffe gekühlt zu lagern und zu transportieren
und verfüge bereits über eine entsprechende weltweite Infrastruktur,
teilten die Unternehmen mit.

Neben Biontech/Pfizer arbeiten derzeit auch mehrere andere
Pharmafirmen in fortgeschrittenem Stadium an Corona-Impfstoffen,
darunter Johnson&Johnson, Astrazeneca und Sanofi-GSK. In Russland,
China und kürzlich erst in Bahrain wurden bereits Impfstoffe mit
Einschränkungen freigegeben, dort haben die Impfungen begonnen. Wie
gut diese Wirkstoffe tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen
sie haben können, ist allerdings kaum bekannt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat kürzlich erklärt, er
erwarte einen zügigen Zulassungsprozess. Zugleich kündigte er eine
umfangreiche Informationskampagne zur Corona-Impfung an. Zuerst
sollen Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen, Ärzte und Pflegekräfte,

Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher geimpft werden -
entsprechend der Empfehlungen des Deutschen Ethikrats, der
Wissenschaftsakademie Leopoldina und der Ständigen Impfkommission.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) erklärte am
Freitag, die Welt schaue in diesen Tagen voller Hoffnung auf Mainz.
Neben der Entwicklung des Impfstoffs in den Mainzer Laboren von
Biontech produziere der Mainzer Spezialglashersteller Schott die
Pharmafläschchen für den Transport von Impfstoffen.