Radikale Demonstranten, späte Bundeshilfe - Corona Thema im Landtag

Von legitimen Erwartungen besonders betroffener Branchen bis zu
extremistischen «Verschwörungserzählungen»: Der Landtag diskuti
ert am
Freitag über ein breites Spektrum des Unmuts über die Corona-Politik.

Magdeburg (dpa/sa) - Die Landesregierung und Abgeordnete der
Koalitionsparteien sowie der Linken haben im Magdeburger Landtag vor
dem Einfluss rechtsextremer Strömungen bei Demonstrationen gegen die
Corona-Politik gewarnt. Polizei und Verfassungsschutz beobachteten
«den Einfluss rechtsextremer Kreise von «Reichsbürgern» und
Verschwörungstheoretikern auf das Versammlungsgeschehen rund um die
Corona-Pandemie» weiter, sagte Justizministerin Anne-Marie Keding
(CDU). Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), der wegen eines
Corona-Falles in seinem Ministerium am Freitag im Homeoffice blieb,
hatte schon vor Wochen vor einer rechtsextremen Unterwanderung der
Corona-Proteste gewarnt.

Mehrere Abgeordnete warfen der AfD vor, aus den Protesten Kapital
schlagen zu wollen - etwa am Rande von Demonstrationen gegen die
Änderung des Infektionsschutzgesetzes am Mittwoch in Berlin. Dabei
sollen AfD-Bundestagsabgeordnete unter anderem Störern Zugang zum
Reichstagsgebäude verschafft haben. Linken-Politikerin Henriette
Quade wertete das als «gezielten Versuch, Demokratinnen
einzuschüchtern und dem eigenen Lager die eigene Macht zu
demonstrieren». Die AfD reagierte empört und störte in der gesamten
Debatte die Redner der anderen Fraktionen mit lauten Zwischenrufen.

Auf Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung
der Corona-Pandemie war es zuletzt unter anderem in Leipzig,
Frankfurt/Main und Berlin zu Ausschreitungen gekommen. Die Teilnehmer
verstießen massenhaft gegen Demo-Auflagen wie Sicherheitsabstand und
Maskenpflicht. In Leipzig hatten Zigtausende die Aufforderung der
Polizei, die Versammlung aufzulösen, ignoriert, und waren auf den von
Polizeisperren eigentlich blockierten Stadtring marschiert.

«Es waren rechte Schläger, die den Ring freigekämpft haben», sagte

der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben. «Was wir vorletzte Woche in
Leipzig gesehen haben, war Staatsversagen.»

Dass man seinen Unmut über die Corona-Politik äußern kann, ohne gegen

die Regeln zu verstoßen, zeigten einige Dutzend Vertreter der
Club-Szene. Mit Mundschutz und Abstand demonstrierten sie am Freitag
vor dem Magdeburger Landtag, als im Gebäude gerade über Hilfen für
die Kultur- und Veranstaltungsbranche diskutiert wurde.

Die SPD-Fraktion wiederholte in der Debatte ihre Forderung nach
Landeshilfen für Härtefälle. Ein Vorschlag des Wirtschaftsministers
Armin Willingmann (SPD) fokussiert vor allem auf Clubs, Diskotheken
und Teile der Veranstaltungsbranche, die seit März ununterbrochen
geschlossen sind. Es sei enttäuschend, dass der CDU-Finanzminister
Michael Richter dieses Ansinnen blockiere, sagte der SPD-Politiker
Holger Hövelmann am Freitag. Richter wiederum argumentiert seit
Wochen, dass die Sozialdemokraten keine rechtliche Grundlage für
entsprechende Hilfen einbringen würden.

Auch die oppositionelle Linke schloss sich dem Ruf nach Landeshilfen
an. Die versprochenen Bundeshilfen könnten ehrlicherweise frühestens
im Januar fließen, sagte Linken-Fraktionsvize Eva von Angern.
Deswegen müsse das Land in Vorleistung gehen. Der Grünen-Abgeordnete
Olaf Meister kritisierte zwar, dass die Hilfe des Bundes nicht gut
vorbereitet wirke und spät komme. Allerdings sollen Betroffene die
Mittel ab kommenden Mittwoch beantragen können. Schneller werde das
Land kein Programm auflegen können, sagte Meister.

Seit Anfang November ist das öffentliche Leben in Sachsen-Anhalt wie
bundesweit erneut heruntergefahren. Parallel dazu hatte der Bund
angekündigt, betroffenen Branchen bis zu 75 Prozent ihrer
Umsatzausfälle zu ersetzen. Auch Soloselbstständige sollen bei den
Entschädigungen berücksichtigt werden. Allerdings zogen sich die
Verhandlungen zu den Details des Programms und die Vorbereitungen
hin. Ab dem 25. November sollen die Gelder beantragt werden können.
Wann sie tatsächlich auf dem Konten der Betroffenen sind, ist offen.

Am selben Tag werden die Regierungschefs von Bund und Ländern
beraten, welche weiteren Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus
notwendig sind oder ob es Lockerungen geben kann. Ministerpräsident
Reiner Haseloff wollte am Freitag nicht vorhersagen, was bei den
Beratungen herauskommt. Sollte es jedoch weitere Einschränkungen für
einzelne Branchen geben, dann müssten seiner Ansicht nach auch
weitere Entschädigungen gezahlt werden. Die Verwaltungsgerichte
hätten mit mehreren Urteilen klargemacht, dass die staatlichen
Eindämmungsmaßnahmen sonst nicht angemessen seien.