Corona als Dienstunfall? Polizisten ziehen vor Gericht

Rund 800 bayerische Polizisten haben sich seit Beginn der
Corona-Pandemie mit dem Virus infiziert. Wenn die Ansteckung zu einer
großen Wahrscheinlichkeit im Dienst geschah - ist das dann ein
Dienstunfall? Diese Frage wird nun zu einem Fall für die Justiz.

München (dpa) - Mehrere Polizisten streiten mit dem Freistaat Bayern
darum, ihre Corona-Infektion als Dienstunfall anerkennen zu lassen.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) bestätigte am Freitag, dass
elf ihrer Mitglieder Widerspruch gegen einen negativen Bescheid des
Landesamtes für Finanzen eingelegt haben und drei Polizisten nun vor
dem Verwaltungsgericht München klagen wollen. Auch die Gewerkschaft
der Polizei (GdP) kündigte Klagen ihrer Mitglieder an. Zuvor hatte
der Bayerische Rundfunk darüber berichtet.

Ein Sprecher des Verwaltungsgerichtes bestätigte, dass dort bislang
eine Klage eingegangen sei. «Das Streitthema ist hier angekommen.» In
dem Fall gehe es um einen Polizisten, der angibt, sich bei einer
polizeilichen Fortbildung angesteckt zu haben. Da es sich nicht um
ein Eilverfahren handle, sei noch nicht absehbar, wann das Gericht
sich mit dem Fall befasst.

Das Landesamt für Finanzen teilte am Freitag in Würzburg mit, bei
fünf von 31 eingereichten Anträgen auf Anerkennung als Dienstunfall
wegen einer Corona-Erkrankung sei keine Infizierung mit dem
SARS-CoV-2-Virus nachweisbar gewesen, in weiteren sieben Fällen sei
keine Erkrankung festgestellt worden.

Die rechtlichen Voraussetzungen besagen dem Landesamt nach unter
anderem, dass der jeweilige Infektionszeitpunkt eindeutig bestimmbar
sein und ein Ursachenzusammenhang zwischen der Infektion, der
dienstlichen Tätigkeit und der Erkrankung bestehen müsse.

Ein Ursachenzusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit liege demnach
vor, wenn das Infektionsereignis «über das allgemeine
Ansteckungsrisiko hinaus in besonderer Weise durch die Dienstausübung
verursacht wurde», etwa durch vorsätzliches Anspucken eines
Polizeibeamten durch eine infizierte Person. Bei dienstlichen
Alltagssituationen wie dem üblichen Umgang mit Kollegen liege in
einer Pandemie jedoch ein allgemeines Risiko vor, das derzeit alle
treffen könne.

«Unsere Kollegen fühlen sich allein gelassen», sagte der
GdP-Landesvorsitzende Peter Pytlik. Dem stellvertretenden bayerischen
DPolG-Landesvorsitzenden Jürgen Ascherl zufolge hatten sich viele der
nun gegen den Bescheid vorgehenden Polizisten bei einem
polizeiinternen Sportlehrgang angesteckt.

Auch die Witwe eines mit dem Coronavirus gestorbenen Beamten, der am
Münchner Flughafen gearbeitet hatte, geht gegen die Entscheidung des
Landesamtes vor, die Infektion ihres Mannes nicht als Dienstunfall zu
werten. «Die sagen grundsätzlich bei jeder Infektion, dass nicht
auszuschließen sei, dass die Polizisten es sich woanders geholt
haben», kritisierte Ascherl. «Aber wenn die Polizisten schon draußen

ihren Kopf hinhalten, soll der Freistaat auch die Kosten übernehmen.»

Das Landesamt für Finanzen teilte mit: «Selbstverständlich besteht

unabhängig vom Vorliegen eines Dienstunfalls hinsichtlich etwaiger
Krankheitskosten eine Absicherung im Rahmen der beamtenrechtlichen
Beihilfeleistungen und es entstehen den Beschäftigten insofern keine
finanziellen Nachteile.»

Wie der Bayerische Rundfunk berichtete, hat sich inzwischen das
Innenministerium in den Streit eingeschaltet. «Wir haben wie
angekündigt beim zuständigen Finanzministerium nachdrücklich um eine

erneute Prüfung der Haltung zur Anerkennung von Infektionen mit
Sars-CoV-2 als Dienstunfälle gebeten», bestätigte ein Sprecher auf
Anfrage. «Das Finanzministerium hat uns daraufhin versichert, dass
jeder Einzelfall gewissenhaft geprüft wird.»

Gleichzeitig habe das Ministerium aber darauf verwiesen, dass es
«einer über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgehenden
Gefährdungslage bedarf», um eine Corona-Infektion als Dienstunfall
anerkennen zu können.

Nach Angaben des Innenministeriums sind aktuell knapp 250 bayerische
Polizisten mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 550 gelten seit
Beginn der Pandemie als genesen. «Wenn das ein Dienstunfall ist und
anerkannt ist, hat das weitreichende Konsequenzen», sagte Ascherl von
der DPolG. Dann würden ganz andere Summen ausgezahlt. «Das
Finanzministerium scheut eine Anerkennung, weil die Kosten nicht
abschätzbar sind.»