Krankenhauskittel statt Uniform: Soldaten pflegen Corona-Patienten Von Miriam Schönbach, dpa

Deutschlandweit unterstützen Bundeswehrsoldaten inzwischen mehr als
jedes zweite Gesundheitsamt bei der Nachverfolgung von
Corona-Kontakten. Die Truppe hat nun einen Hilferuf aus dem
sächsischen Pandemie-Krisengebiet erhalten.

Görlitz/Bautzen (dpa/sn) - Ihr letzter Auslandseinsatz ist knapp zwei
Monate her. Von Mai bis September hieß der Marschbefehl für Stephanie
Krause, Kommandeurin des Sanitätsregiments in Weißenfels in
Sachsen-Anhalt: UN-Mission im westafrikanischen Mali. Ihre Einheit
ist spezialisiert auf den Aufbau und Betrieb mobiler Krankenhäuser.
«Diese notfallmedizinische Versorgung stellt Deutschland für sich und

andere Partnerorganisationen», sagt die 42-Jährige. Doch nun hat ihre
Kompanien einen Hilferuf aus dem sächsischen Kreis Görlitz erreicht.
Corona bringt die Krankenhäuser in der Region ans Limit.

Krause steht vor dem Städtischen Klinikum Görlitz, die gebürtige
Leipzigerin will gleich weiter zu einem Lagebesuch ins nächste
Krankenhaus nach Zittau. Insgesamt leisten in diesen Tagen knapp 90
Soldatinnen und Soldaten vom Sanitätsregiment Amtshilfe in fünf
Krankenhäusern in Görlitz und Umgebung. Zu Beginn der vergangenen
Woche kam der Prüfauftrag. «Jetzt sind wir mit Fachkrankenpflegern,
Intensivpflegern, medizinischen Rettungssanitätern da», sagt die
Regimentskommandeurin. Seite an Seite arbeiten die Soldaten in den
nächsten Wochen im Krankenhaus mit dem dortigen Personal.

Zu unterscheiden sind die Soldaten auf Station nicht mehr. Ihre
gefleckte Tarngrün-Uniform haben sie gegen blaue Kittel getauscht. Zu
ihnen gehören auch Stabsfeldwebel René Kühn und Stabsunteroffizier
Sophia Wasiliga. Er ist Gesundheits- und Krankenpfleger, sie ist
Rettungssanitäterin. In Görlitz arbeiten sie derzeit in drei
Schichten - ganz wie die Kollegen in Blau. «Der Stationsbetrieb ist
neu, die zeitlichen Abläufe, die Patienten sind überwiegend älter»,

sagt Wasiliga. Die Zusammenarbeit zwischen Zivil und Militär sei
«sehr angenehm». Eingesetzt werden die soldatischen Pflegekräfte in
allen Bereichen - von der Covid-19-Station über die Intensivstation
bis hin zur Notaufnahme. Zusätzlich unterstützen die Sanitätssoldaten

«Helfende Hände» zum Beispiel bei der Logistik.

«Die Anzahl der Betten ist noch nicht unser Problem, die Intensität
der Pflege von Covid-19-Patienten ist die Herausforderung», sagt
Thomas Lieberwirth, kaufmännischer Direktor des Städtischen Klinikums
Görlitz. Durchschnittlich hat das Krankenhaus in den vergangenen
Tagen 30 Corona-Infizierte behandelt. Sechs bis neun Patienten liegen
auf der Intensivstation - viele davon beamtet.

Stabsfeldwebel Kühn ist seit 2001 bei der Bundeswehr, zahlreiche
Auslandseinsätze liegen hinter ihm sowie zehn Jahre im
Bundeswehrkrankenhaus in Berlin. «Das ist hier schon anders als unser
tägliches Arbeitsfeld», sagt er. Wie die anderen kümmert er sich
darum, die Patienten zu waschen, ihnen Essen und Medikamente zu geben
oder Blut zu entnehmen. Der Dienst führt auch die Soldaten an
Grenzen. Jedes Zimmer mit Covid-19-Infizierten darf zum Beispiel nur
mit Schutzbekleidung betreten werden, damit sich die Pfleger bei der
Betreuung nicht selbst anstecken. Materialien und Medikamente werden
immer von draußen ins Infektionszimmer gegeben.

Der Landkreis Görlitz gehört bundesweit zu den Regionen mit den
höchsten Infektionsraten - wie auch der Erzgebirgskreis und der
Landkreis Bautzen. Vor dem zusätzlich eingerichteten
Gesundheitsamt-Standort in Bautzen wartet Thomas Leschke. Der
Oberstleutnant koordiniert für den Kreis den Einsatz der Bundeswehr
und ist für die Soldaten erster Ansprechpartner. Sein Telefon
klingelt. «Die nächsten Soldaten für das Klinikum Bautzen kommen aus

Franken», gibt er weiter. Nur in Ausnahmesituationen, wie Elbe- oder
Oder-Hochwasser oder nun bei der Corona-Pandemie, rückt die
Bundeswehr im Inneren des Landes aus.  

Im Landkreis Bautzen sind bislang mehr als 60 Soldaten vor Ort - als
Kontaktermittler im Auftrag der Gesundheitsämter, als Abstrichteam -
und als helfende Hände in Krankenhäusern, Alten- und
Pflegeeinrichtungen. Ihre Einsatzorte heißen statt Irak oder
Sahel-Zone nun Bautzen, Kamenz, Bischheim, Wilthen oder Arnsdorf. Ein
Teil der Bautzener Kontaktermittler kam erst vor sieben Wochen aus
Mali zurück. Das Team ist spezialisiert auf die Aufklärung per Drohne
- und Aufklärer sind die Kontaktermittler jetzt auch.

Insgesamt kümmern sich im Landkreis Bautzen 150 Personen inklusive
der Bundeswehrangehörigen um die Nachverfolgung von Kontakten sowie
die Überprüfung der Corona-Quarantänen. Die Sieben-Tage-Inzidenz -
die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche
- beträgt im Kreis über 350. Aktuell sind mehr 2100 Infizierte
gemeldet - Tendenz steigend. «Wir sind dankbar über die Hilfe der
Bundeswehr», sagt Kreissprecherin Sabine Rötschke.

Bundesweit helfen aktuell rund 7700 Soldatinnen und Soldaten in der
Corona-Pandemie, darunter 500 Sanitätssoldaten. «Knapp drei Viertel
davon helfen derzeit in 287 Gesundheitsämtern und als helfende Hände
in Krankenhäusern», sagt Oberstleutnant Eric Gusenburger, Sprecher
der Bundeswehr Sachsen. So sei die Bundeswehr inzwischen in 287 von
insgesamt 412 Landkreisen in Deutschland im Einsatz. Schwerpunkte
seien etwa Nordrhein-Westfallen mit etwa 1000, Bayern mit 800 und
Sachsen mit etwa 500 Soldaten. Die Lage und Zahlen änderten sich
allerdings fast täglich.

Die Amtshilfe in den Landkreisen Bautzen und Görlitz ist vorerst bis
zum 9. Dezember geplant. Ob die Unterstützung dann weitergeht, ist
abhängig von der Entwicklung der Infektionszahlen. Für die Soldaten
Kühn und Wasiliga zählt an diesem Nachmittag der aktuelle Dienst auf
der Covid-19-Station. Schnell klären sie, welche Patienten zu
versorgen sind - dann geht es an die Arbeit. Es ist auch für sie eine
neue Mission in einem bisher unbekannten Krisengebiet.