Merkel: Impfstoff vielleicht im Dezember - Südtirol mit Massentest

Ein Corona-Impfstoff schon Ende des Jahres? Kanzlerin Merkel und
EU-Kommissionschefin von der Leyen verbreiten großen Optimismus. Vor
allzu schnelleren Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen warnen die
EU-Spitzen aber ausdrücklich.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen haben große Hoffnungen auf
eine schnelle Zulassung eines Corona-Impfstoffes gemacht. Merkel
rechnet schon im Dezember oder «sehr schnell nach der Jahreswende»
mit der Zulassung eines Corona-Impfstoffes in Europa, wie sie am
Donnerstagabend nach Video-Beratungen der EU-Staats-
und Regierungschefs sagte. Zudem wollen die EU-Staaten gemeinsame
Standards für die schnellen Antigen-Tests festlegen und sich bei der
Handhabe der Corona-Maßnahmen um die Weihnachts- und
Neujahrsfeiertage abstimmen. In Südtirol startet am Freitag ein
Massentest der Bevölkerung, in Schweden eine neue Einschränkung beim
Verkauf von Alkohol.

Von der Leyen sagte, dass die Impfstoffe von Biontec/Pfizer sowie von
Moderna der Europäischen Arzneimittel-Agentur zufolge in der zweiten
Dezemberhälfte eine bedingte Marktzulassung bekommen könnten - wenn
alles problemlos weitergehe. Das Mainzer Unternehmen Biontech und
sein US-Partner Pfizer hatten am Mittwoch mitgeteilt, dass die
Wirksamkeit ihres Impfstoffs bei 95 Prozent - und damit noch höher
als bis dahin bekannt - liege. Der US-Konzern Moderna hatte zuletzt
für sein Präparat eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent errechnet.

Die EU-Staats- und Regierungschefs alarmiert allerdings die steigende
Zahl von Menschen, die Impfstoffen misstrauen. Die Menschen müssten
besser über den Wert von Impfungen aufgeklärt werden, sagte
EU-Ratspräsident Charles Michel. Aus EU-Kreisen hieß es, dass es nun
gemeinsame Anstrengungen in dem Bereich geben solle.

Mit Blick auf die auch qualitativ sehr unterschiedlichen
Antigen-Schnelltests beabsichtigen die EU-Staaten eine gegenseitige
Anerkennung der Tests und ihrer Ergebnisse. EU-Kommissionschefin von
der Leyen sagte, die Schnelltests müssten mindestens bei vier von
fünf Infizierten anschlagen. Die EU-Kommission will eine Bewertung
der Tests vornehmen.

Die Landesregierung in Südtirol in Norditalien will derweil ab
Freitag möglichst viele Menschen der Region bei einem Massentest auf
eine mögliche Ansteckung untersuchen. Die Aktion unter dem Motto
«Südtirol testet» läuft über drei Tage. Die bei Touristen beliebt
e
Provinz Bozen-Südtirol hofft, dass bis Sonntag rund zwei Drittel der
Bürger an den Antigen-Schnelltests teilnehmen. Das wären etwa 350 000

Menschen. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos. Die kleine
Alpen-Provinz geht damit in Italien einen Sonderweg.

Für die Menschen in Schweden bringt der Freitag eine Verschärfung der
Corona-Maßnahmen. Schwedens Regierung hatte vor einigen Tagen
angekündigt, dass wegen gestiegener Corona-Infektionszahlen der
Verkauf von Alkohol in Gaststätten nach 22.00 Uhr verboten wird. Bars
und Kneipen müssen eine halbe Stunde später zudem schließen. Das
Verbot soll am Freitag in Kraft treten und bis Ende Februar andauern.

Gute Nachrichten kamen dagegen aus Katalonien mit der
Touristenmetropole Barcelona: Dort dürfen nach mehr als fünf Wochen
alle Bars, Restaurants, Kinos und Theater wieder öffnen. Für alle
Gastronomiebetriebe werde es in der gesamten Region im Nordosten
Spaniens aber ab 21.30 Uhr eine Sperrstunde geben, teilte die
Regionalregierung am Donnerstag mit. Damit starte die Region einen
zweimonatigen Plan, bei dem es alle zwei Wochen neue Lockerungen der
Corona-Einschränkungen geben werde, soweit es die Entwicklung der
Pandemie zulasse, hieß es.

Die EU-Spitzen erklärten passend dazu am Donnerstagabend, dass
aktuelle Corona-Einschränkungen nur vorsichtig und schrittweise
wieder gelockert werden sollten, um keine dritte Corona-Welle zu
riskieren. Man habe gelernt, dass zu hastiges Lockern negative
Auswirkungen auf die epidemiologische Lage habe, sagte von der Leyen.

Deshalb werde die EU-Kommission einen Vorschlag für einen
schrittweisen Ansatz vorlegen. «Das wird sehr wichtig sein, um das
Risiko einer weiteren Welle zu vermeiden.» Michel sagte: «Wir wollen

Ende des Jahres alle die Festtage feiern - aber sicher.» Mit Blick
auf die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage suchen die EU-Länder eine
gemeinsame Linie bei der Handhabe der Anti-Corona-Maßnahmen. Es gebe
eine hohe Bereitschaft, sich abzustimmen, sagte Merkel.