Experte Fauci: Schnelle Impfstoff-Entwicklung kein Grund zur Sorge

Die Corona-Infektionszahlen steigen in den USA weiter an. Alle hoffen
nun auf die «Kavallerie», einen wirksamen Impfstoff. Doch die
Experten ermahnen die Amerikaner bis dahin zu großer Vorsicht.
Kalifornien verhängt wegen der Pandemie neue und strikte Auflagen.

Washington (dpa) - Der renommierte US-Immunologe Anthony Fauci hat
Bedenken zurückgewiesen, wonach die Entwicklung der Corona-Impfstoffe
zulasten der Verträglichkeit und Wirksamkeit beschleunigt worden sein
soll. «Die Geschwindigkeit des Prozesses hat die Sicherheit in keiner
Weise kompromittiert», sagte Fauci am Donnerstag (Ortszeit) im Weißen
Haus. Es wurde erwartet, dass das deutsche Unternehmen Biontech und
der US-Pharmakonzern Pfizer noch am Freitag eine Notfallgenehmigung
für den von ihnen entwickelten Corona-Impfstoff beantragen würden.
Unterdessen gab es in den USA am Donnerstag nach Angaben der
Johns-Hopkins-Universität mit mehr als 187 000 neuen Corona-Fällen
binnen weniger Tage erneut einen Rekord.

Auch die wissenschaftliche Integrität sei nicht beeinträchtigt
worden, sagte Fauci weiter. Die Daten der Studien zu den Impfstoffen
seien von unabhängigen Experten beurteilt worden, die niemandem etwas
schuldeten, auch «nicht der Regierung». Es gebe in dieser Hinsicht
keinen Grund zur Sorge, betonte Fauci. «Das ist wirklich solide.»
Sobald die Anträge auf eine Notfallgenehmigung für die Impfstoffe
eingingen, würde die zuständige Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA
alles «sehr sorgfältig» überprüfen, sagte Fauci. Der Immunologe i
st
ein Mitglied der Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses. Experten
befürchten, dass manche Menschen dem Impfstoff wegen der
beschleunigten Entwicklung und politischen Debatten skeptisch
gegenüberstehen könnten.

Fauci sagte, wirksame Impfstoffe seien im Kampf zur Eindämmung der
Pandemie die «Kavallerie», aber bis zu deren Eintreffen müssten alle

bekannten Vorsichtsmaßnahmen weiter praktiziert werden. «Wenn man in
einer Schlacht kämpft und die Kavallerie ist unterwegs, dann hört man
nicht auf zu schießen. Man macht weiter, bis die Kavallerie da ist -
und dann will man vielleicht weiter kämpfen», sagte Fauci. Er rief
die Amerikaner auf, die «einfachen» Maßnahmen zur Vorbeugung von
Ansteckungen weiterhin zu befolgen: Masken tragen, Abstand halten und
Menschenansammlungen meiden. Er appellierte zudem, sich impfen zu
lassen, sobald die Impfstoffe verfügbar seien.

Biontech und Pfizer wollten Berichten zufolge noch am Freitag bei der
FDA eine Notfallgenehmigung für den von ihnen entwickelten
Corona-Impfstoff beantragen. Die Regierung hofft, dass bei einer
positiven Entscheidung Millionen Dosen des Impfstoffs schon vor
Jahresende verfügbar sein könnten. «Wir werden innerhalb von 24
Stunden nach der Zulassung durch die FDA Millionen von Impfstoffdosen
ausliefern. Meine Botschaft lautet also: Hoffnung und Hilfe sind auf
dem Weg», sagte Gesundheitsminister Alex Azar am Donnerstag.

In den USA sind nach Daten der Johns-Hopkins-Universität bereits mehr
als eine Viertelmillion Menschen seit Beginn der Pandemie im
Zusammenhang mit einer Infektion gestorben - nirgendwo sonst auf der
Welt sind so viele Corona-Todesfälle bekannt. Seit Anfang November
wurden täglich mehr als 100 000 Neuinfektionen nachgewiesen, zuletzt
waren es im Schnitt bereits rund 160 000.

Am Donnerstag verzeichnete das Land innerhalb weniger Tage erneut
einen Höchststand bei den Coronavirus-Neuinfektionen. Die Behörden
meldeten binnen eines Tages 187 833 neue Fälle, wie aus Daten der
Johns-Hopkins-Universität hervorging. Der bislang höchste Wert war am
vergangenen Freitag registriert worden, als mehr als 177 000
Neuinfektionen gemeldet wurden.

Auch die Zahl der Toten im Zusammenhang mit einer
Coronavirus-Infektion stieg weiter rapide an: Mit 2015 neuen
Todesfällen wurde am Donnerstag seit Anfang Mai erstmals wieder die
2000er-Marke überschritten. Der höchste Wert an einem Tag wurde am
15. April mit 2609 Toten erreicht. Die Johns-Hopkins-Webseite wird
regelmäßig aktualisiert und zeigt daher einen höheren Stand als die
offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In manchen
Fällen wurden Zahlen - unter anderem die der Neuinfektionen binnen 24
Stunden - nachträglich korrigiert.

Viele Bundesstaaten verschärfen inzwischen wieder ihre
Corona-Auflagen. Kalifornien etwa führt wegen steigender
Infektionszahlen eine nächtliche Ausgangsbeschränkung ein. Ab 22 Uhr
bis 5 Uhr sollen die Bewohner Zuhause bleiben, wie Gouverneur Gavin
Newsom bekanntgab. Die Anordnung soll am Samstag in Kraft treten und
vorerst einen Monat gelten. Betroffen sind die meisten Bezirke des
Westküstenstaates. In Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten
Bundesstaat, leben knapp 40 Millionen Menschen. Für gut 94 Prozent
der Bevölkerung gilt nun diese strikte Auflage. Der Staat hatte erst
am Montag die «Notbremse» gezogen und neue Corona-Auflagen verfügt.

Angesichts steigender Infektionszahlen riet die US-Gesundheitsbehörde
CDC den Amerikanern dringend von Reisen und Familienbesuchen rund um
das Erntedankfest Thanksgiving in der kommenden Woche ab. Stattdessen
solle zu Hause und nur mit Menschen aus dem eigenen Haushalt gefeiert
werden, hieß es.

Der amtierende US-Vizepräsident Mike Pence sah die USA trotz der
dramatisch steigenden Corona-Fallzahlen auf einem guten Weg. «Die
Fälle und die Positivrate steigen im ganzen Land. Aber wir nähern uns
diesem Moment mit der Zuversicht der Erfahrung und wir wissen, dass
das amerikanische Volk weiß, was zu tun ist», sagte Pence am
Donnerstag im Weißen Haus. «Amerika war noch nie so gut auf die
Bekämpfung dieses Virus vorbereitet wie heute», fügte Pence hinzu.

Die Ärztin Deborah Birx machte deutlich, dass zwar immer mehr
Menschen getestet würden, aber der Anteil der positiven Tests
deutlich angestiegen sei. Birx mahnte: «Jeder Amerikaner muss in
diesem Moment wachsam sein.»