Bundestag will Störungen mit allen rechtlichen Mitteln ahnden

Besucher, die filmend in Abgeordneten-Büros eindringen oder einen
Minister anfeinden - das könnte auch für die sie einladenden
AfD-Abgeordneten unangenehme Folgen haben.

Berlin (dpa) - Der Bundestag will die Störungen durch Besucher mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln ahnden - und dabei auch die
AfD-Abgeordneten einbeziehen, die diese Besucher eingeladen hatten.
Das hat der Ältestenrat in seiner Sitzung am Donnerstag beschlossen.
Die Vorfälle werden auch ein Nachspiel im Plenum haben. Auf Antrag
von CDU/CSU und SPD wird der Bundestag an diesem Freitag in einer
Aktuellen Stunde mit dem Titel «Bedrängung von Abgeordneten
verurteilen - Die parlamentarische Demokratie schützen» darüber
diskutieren.

Nach einem Sicherheitsbericht der Bundestagspolizei, der der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hatten die drei AfD-Abgeordneten
Udo Hemmelgarn, Petr Bystron und Hansjörg Müller am Mittwoch
insgesamt vier Gäste eingeladen. Diese hatten am Rande der Debatte
und der Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz Abgeordnete
wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angegangen,
bedrängt, gefilmt und belästigt. Sie drangen demnach auch in ein
Abgeordnetenbüro im sechsten Stock ein, filmten die Demonstration am
Rande des Regierungsviertels und übertrugen diese per Livestream ins
Internet.

Der AfD-Abgeordnete Müller erklärte, er habe am Mittwoch angemeldete
Gäste in den Bundestag eingeladen, «die sich natürlich an die Regeln

hielten». «Bei deren Einlass verschaffte sich auch eine Bloggerin
ohne meine Kenntnis mit Zugang über mein Büro, was ich erst am 19.
November abends erfuhr. Diese Bloggerin ging niemanden aggressiv an.»

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte der dpa, es sei
zum wiederholten Mal passiert, dass Abgeordnete die «Türöffner für

politische Agitatoren» geworden seien. «In diesem Falle ist die
Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebes jedoch besonders gefährlich.
Denn durch die direkte Ansprache der Abgeordneten im Zusammenhang mit
der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz kann man von einer
Nötigung ausgehen.» Es komme eine Straftat nach Paragraf 106
Strafgesetzbuch in Betracht, zu der Abgeordnete auch Anstiftung oder
Beihilfe leisten könnten. «Dies wird ernsthaft zu prüfen sein», sag
te
Kubicki. «Es müssen auch empfindliche Sanktionen für die beteiligten

Abgeordneten erwogen werden.»

Diese will der Bundestag nun prüfen, wie es nach der Sitzung des
Ältestenrats hieß. Geprüft werde auch, ob das Geschäftsordnungsrech
t
oder anderen Regeln geändert müssten und ob gegen die beteiligten
Besucher ein Hausverbot verhängt werde.

Paragraf 106 behandelt die Nötigung des Bundespräsidenten und von
Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Er sieht dafür Freiheitsstrafen
von drei Monaten bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen
von bis zu zehn Jahren vor.

Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland
erklärten mit Blick auf die auf Video festgehaltene Belästigung von
Altmaier: «Wir bedauern das inakzeptable Verhalten. Zu keinem
Zeitpunkt hat die AfD-Fraktion jedoch Gäste mit dem Ziel in den
Bundestag eingeladen, den parlamentarischen Ablauf zu stören oder
Abgeordnete an der Ausübung ihres Mandates zu behindern.»

Auch Abgeordnete der AfD waren von den Besuchern heimgesucht worden.
In Weidels Büro drangen nach Angaben ihres Sprechers Daniel Tapp
mehrere Personen ein, die sich nicht vorgestellt hätten. Die
ungebetenen Gäste hätten aus dem Fenster filmen wollen, er habe sie
dann herausgebeten, sagte Tapp. Auf einem Video ist zu sehen, wie
andere Besucher ohne Anmeldung in das Büro des Parlamentarischen
Geschäftsführers Bernd Baumann stürmten, wo sie ein Mitarbeiter mit
dem Satz «Habt ihr 'ne Meise?» empfing.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion,
Michael Grosse-Brömer, forderte, die Störaktion unverzüglich
aufzuklären und dann mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen
Mitteln zu sanktionieren. «Wir werden es nicht akzeptieren, dass
Abgeordnete des Deutschen Bundestages bedrängt und in der Ausübung
ihres freien Mandats beeinträchtigt werden. Wer an den Grundsätzen
des freien Mandats zu rütteln versucht, bekommt unseren Widerstand zu
spüren.»

Ähnlich äußerte sich Grosse-Brömers Grünen-Kollegin Britta Haße
lmann:
«Wer versucht, Abgeordnete einzuschüchtern, der greift unsere
Demokratie an. Dennoch sind die Störerinnen und Störer und die
Schleuser der AfD gescheitert. Der Bundestag und seine Abgeordneten
konnten ihre gesetzgeberische Aufgabe am Mittwoch erfüllen.» Die
Sicherheit sei nicht gefährdet gewesen. Bundestagsvizepräsidentin
Petra Pau (Linke) betonte im Deutschlandfunk: «Abgeordnete dürfen
nicht in ihrer Entscheidung bedrängt werden.» Das sei mindestens eine
Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar eine Straftat.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak äußerte scharfe Kritik und sprach
von einem «Tabubruch»: «AfD-Abgeordnete haben gezielt Störer in das

Haus eingeschleust, um Politiker einzuschüchtern und bloßzustellen»,

sagte er «Zeit Online». «Erneut wird klar: Die AfD akzeptiert nicht

die parlamentarischen Regeln. Für unsere parlamentarische Demokratie
haben diese Leute nur Verachtung übrig.»