RKI: Hoffen auf die Trendwende - aber Fallzahlen noch immer zu hoch

Die dritte Woche des Teil-Lockdowns in Deutschland geht dem Ende
entgegen. Der rasante Anstieg der Zahl der Neuinfektionen scheint
gestoppt. Was heißt das für Weihnachten und die Zeit danach?

Berlin (dpa) - Mehr als zwei Wochen nach Beginn des Teil-Lockdowns in
Deutschland haben sich die Corona-Infektionszahlen aus Sicht des
Robert Koch-Instituts (RKI) auf hohem Niveau stabilisiert. «Sie
steigen aktuell nicht weiter. Das ist eine gute Nachricht», sagte
RKI-Chef Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. «Wir wissen aber
nicht, ob das schon eine Trendwende ist.» Das bleibe abzuwarten. Die
Lage sei weiterhin sehr ernst, betonte er. «Die Fallzahlen sind
insgesamt sehr hoch. Viel zu hoch.»

Am Donnerstag meldete das RKI rund 22 600 nachgewiesene neue
Infektionen innerhalb eines Tages. 13 370 Menschen sind nach den
Daten in Deutschland seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit
Covid-19 gestorben, zuletzt wurden bundesweit 251 Todesfälle binnen
eines Tages erfasst.

Welche Maßnahmen zur Eindämmung wie lange bestehen bleiben müssten,
vermöge er nicht zu sagen, betonte Wieler. Die Entscheidung treffe
die Politik auf Basis des Infektionsgeschehens. Seit Anfang November
gilt in Deutschland ein Teil-Lockdown. Er soll nach bisheriger
Planung bis Ende des Monats dauern. Am kommenden Montag wollen Bund
und Länder erneut beraten.

«Wir dämmen dieses Virus gemeinsam ein. Wir sind der Damm. Und in
diesem Monat ist unser Damm besonders hoch. Und er beginnt zu
wirken», sagte Wieler dazu. Logisch sei aber, dass die Grundpfeiler
des ganzen Konzepts wie Abstand halten, Hygiene, Maskentragen und
Lüften noch über Monate bestehen bleiben müssten. «Wir sind noch
lange nicht über den Berg.»

Sowohl bei den Ansteckungen als auch auf den Intensivstationen sind
aktuell immer mehr ältere Menschen betroffen. Die Zahl der schweren
Verläufe und auch der Toten im Zusammenhang mit einer
Corona-Infektion steige mit der bekannten Zeitverzögerung weiter,
ergänzte Ute Rexroth, Leiterin des RKI-Lagezentrums. In dieser Woche
werde es bundesweit wahrscheinlich mehr als 1000 Todesfälle im
Zusammenhang mit Covid-19 geben.

Bundesweit entwickelt sich das Infektionsgeschehen nach Analyse des
RKI unterschiedlich. Während sich die Lage zum Beispiel in den
anfangs stark betroffenen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg
und Nordrhein-Westfalen konsolidiere, sei in Berlin und Thüringen
anders als früher eine stärkere Dynamik zu beobachten, sagte Rexroth.
Dort sei die Plateauphase noch nicht erreicht. Es gebe aber auch kein
exponentielles Wachstum. «Wir müssen das beobachten.» Die positive
Entwicklung werde sich hoffentlich auch in aktuell stark belasteten
Bundesländern fortsetzen.

Eine Entwarnung ist das alles nicht. Von schweren Verläufen seien
nicht nur Menschen mit Risikofaktoren wie
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes betroffen,
berichtete Rexroth. Auch bei mildem Krankheitsverlauf könne es
ernsthafte Spätfolgen geben wie etwa eine eingeschränkte
Leistungsfähigkeit der Lunge. Auch nach monatelanger Reha haben
selbst jüngere Patienten mitunter Mühe, wieder einen normalen Alltag
zu leben und in ihren Beruf zurückzukehren.

Für das RKI gilt es, die Infektionszahlen auf ein Niveau zu bringen,
mit dem das Gesundheitswesen umgehen kann. Dieses Level zu erreichen,
werde dauern, sagte Wieler. Manche Kliniken in Deutschland kämen an
ihre Grenzen. Nicht mehr alle Patienten könnten überall optimal
versorgt werden. In Schulen sei es aber möglich, das
Infektionsgeschehen zu managen - wenn RKI-Empfehlungen auch umgesetzt
würden.

Die bisherigen Nachrichten zu Impfstoffen als «Waffe» gegen die
Pandemie nannte Wieler extrem ermutigend. Es sei aber noch unklar, ob
die Impfstoffe zugelassen würden. Falls ja, sei Deutschland deutlich
besser in der Lage, die Pandemie zu kontrollieren als jetzt.

Auch dass einige von deutschen Behörden geprüfte Antigen-Schnelltests
besser würden, sei gut. Nach wie vor müssten positive Schnelltests
aber mit der PCR-Methode im Labor bestätigt werden. «Aber wenn die
Qualität der Schnelltests weiter zunimmt, ist das vielleicht
irgendwann nicht mehr der Fall», sagte Wieler.

Optimist bleibt der RKI-Chef auch in seiner Einschätzung, dass die
Fallzahlen in der nächsten Woche zurückgehen. «Aber versprechen kann

ich das nicht.» Auch einen Jojo-Effekt nach Lockerungen muss es für
ihn nicht geben. Das hänge vom Verhalten aller ab. «Es gibt aber nur
wenige, die nach wie vor Corona leugnen.»