Umfrage: Zustimmung zu körperlicher Gewalt gegen Kinder weiter hoch

Gewalt gegen Kinder erfährt immer weniger Zustimmung. Dennoch hält
ein großer Anteil der Deutschen diese weiter für angemessen. Die
Corona-Pandemie könnte die Situation zudem wieder verschlechtern.

Ulm/Berlin (dpa) - Körperliche Gewalt gegen Kinder hält knapp jeder
Zweite in Deutschland für angebracht. Dies ergab eine repräsentative
Studie des Uniklinikums Ulm im Auftrag des Deutschen
Kinderschutzbundes (DKSB) und Unicef, die am Donnerstag online
vorgestellt wurde. Seit der Jahrtausendwende ist die Zustimmung
jedoch stark gesunken. So gaben nur noch 43 Prozent der Befragten an,
einen «Klaps auf den Hintern» als Strafe in der Erziehung angewendet
zu haben oder dem zuzustimmen.

Eine leichte Ohrfeige halten demnach noch 17,6 Prozent als
angemessenes Mittel oder haben ihr Kind so geschlagen. Im Jahr 2001
lag dieser Anteil noch bei 59 Prozent. Einer Tracht Prügel als
sogenannte Körperstrafe stimmten nur 0,3 Prozent der Befragten zu,
auch wenn 7 Prozent der Befragten befanden, diese habe noch keinem
Kind geschadet. Die Zustimmung zu Gewalt gegen Kinder sei seit 2000
zwar deutlich gesunken, mittlerweile sei jedoch ein Plateau erreicht,
sagte Jörg M. Fegert, Direktor der Abteilung Kinder- und
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Uniklinikum Ulm.

Von Männern werden sogenannte Körperstrafen eher befürwortet als von

Frauen. Während 83 Prozent der befragten Frauen eine Ohrfeige
ablehnen, tun dies nur 70 Prozent der Männer. Beim «Klaps auf den
Hintern» ist die Ablehnung bei Männern (42 Prozent) ebenfalls
geringer als bei Frauen (52 Prozent).

Auch das Alter ist ein Faktor. Befragte über 60 Jahren hielten zu 65
Prozent den «Klaps auf den Hintern» für angemessen, Befragte unter 31

Jahren stimmten dem nur zu 45 Prozent zu. «Wir müssen Männer und
Jungen in der Aufklärung über Gewalt noch besser erreichen», sagte
Fegert. Die Ergebnisse zeigten, dass etwa bei Großeltern die
Zustimmung zu Gewalt in der Erziehung hoch sei. Die niedrigste
Zustimmung bei jungen Menschen mache jedoch Hoffnung beim Blick in
die Zukunft, so Fegert.

Wer selbst Gewalt in der Kindheit erlebt hat, hält laut der Studie
zudem Körperstrafen für eher angemessen. Demnach lehnten 86 Prozent
der Befragten ohne derartige Erlebnisse den «Klaps auf den Hintern»
ab. Bei Befragten mit Gewalterlebnissen hielten nur 28 Prozent dies
für unangemessen. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf
erlebte emotionale Gewalt in der Kindheit. Wer emotionale Gewalt
erlebt hat, stimmt Strafen wie dem Schlag auf den Po eher zu (62
Prozent) als solche ohne derartige Erfahrungen (49 Prozent).

Auch wenn die Zustimmung zu Gewalt gegen Kinder abnimmt, könnte die
Corona-Pandemie aus Sicht der Experten zu einer Umkehr der
Entwicklung führen. So haben die Anrufe von Kindern bei der Nummer
gegen Kummer zuletzt deutlich zugenommen, wie DKSB-Vizepräsidentin
Ekin Deligöz berichtete.

Auch Fegert sieht den Rückzug ins Private als Gefahr. Ohne den
Austausch mit anderen Kindern und Jugendlichen in der Schule würde
Gewalt gegen Kinder seltener bemerkt. Zudem wies er auf eine Schere
zwischen Arm und Reich hin. Manche hätten die zusätzliche Zeit mit
ihren Kindern durchaus genossen. Wo Eltern und Kindern jedoch in
einer kleinen Wohnung aufeinander sitzen, werde Gewalt
wahrscheinlicher. Welche Auswirkungen die Pandemie genau habe, sei
jedoch unklar. «Wir wissen dazu noch zu wenig», sagte Deligöz.