Rabe: Daten deuten auf geringere Ansteckungsgefahr in Schule hin

Sind Schulen ein Treiber der Pandemie oder nicht? Eine neue
Auswertung von Hamburger Daten deutet darauf hin, dass das nicht so
ist. Im Gegenteil, sagt Schulsenator Rabe. Die Schulen könnten sogar
sicherer sein, als das private Umfeld. Aber es gibt auch Kritik.

Hamburg (dpa/lno) - Die Hamburger Schulbehörde hat die
Infektionszahlen bei Schülern acht Wochen lang genau ausgewertet und
dabei festgestellt, dass Bildungseinrichtungen selbst wahrscheinlich
kein Treiber der Corona-Pandemie sind. «Unsere Zahlen sind recht
klar: 4:1 Infektionen außerhalb der Schule im Vergleich zu
Infektionen in der Schule», sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am
Donnerstag in Hamburg. Von den 372 Mädchen und Jungen, die sich
zwischen den Sommer- und Herbstferien angesteckt haben, «haben 292
sich vermutlich gar nicht in der Schule infiziert», sagte Rabe dazu.
Das habe die genaue Prüfung eines jeden Falles durch persönliche
Gespräche ergeben. Im Erhebungszeitraum gab es an 171 von 472
Hamburger Schulen mindestens einen Corona-Fall.

«Sehr, sehr häufig haben wir einzelne Infektionen vorgefunden in
Schulen, in denen es gar keine weitere Infektion gab. Dann muss man
ganz nüchtern sagen: Dann kann man sich eigentlich in der Schule gar
nicht infiziert haben. Dann handelt es sich höchstwahrscheinlich um
einen Einzelfall.» Das sei bei fast drei Viertel der Schulen so
gewesen. Bei 116 der 372 infizierten Schüler gab es an der Schule
mindestens einen weiteren Fall. 36 davon wiederum holten sich die
Infektion nachweislich in ihrer Freizeit, bei Feiern oder in der
Familie. Damit könnten lediglich 80 Corona-Fälle vielleicht auf eine
Infektion in der Schule zurückgehen, so Rabe weiter.

Auffällig war Rabe zufolge bei der vorläufigen Auswertung der Daten
auch, dass sich jüngere Schüler unter zwölf Jahren nur halb so häuf
ig
infiziert hätten wie ältere. Deren Infektionsgeschehen sei dagegen
mit dem von Erwachsenen zu vergleichen und zudem an Stadtteilschulen
höher als an Gymnasien. «Warum es diese Unterschiede gibt, muss nun
weiter untersucht werden.» Auch die Frage, warum es in 90 Prozent der
Corona-Infektionen an Hamburger Schulen keine weiteren Fälle bei
Mitschülern und Lehrern der Infizierten gab, müsse geprüft werden.
«Wir haben hier sicherlich noch viele offene Fragen. Das ist ein
erster Aufschlag. Jetzt braucht es Wissenschaftler und
Gesundheitsexperten, die das weiter evaluieren.»

Die Hamburger Linken kritisierten die Folgerungen aus den Daten als
«Nebelkerze» und «Schönwetterzahlen». «Die schulische Realitä
t sieht
anders aus, als der Schulsenator das jetzt vorläufig aus seinen
Studien herleitet», sagte Sabine Boeddinghaus, bildungspolitische
Sprecherin der Linke-Bürgerschaftsfraktion laut Mitteilung. Die
Zahlen hätten mit Blick auf das derzeitige Infektionsgeschehen kaum
Aussagekraft: «Von August bis Oktober war es ja sonnig und trocken.»

Auch die Hamburger CDU hält die Nachbetrachtung für wenig hilfreich.
«Die Infektionszahlen sind erst nach den Herbstferien in der ganzen
Stadt nach oben geschnellt. Mittlerweile sind die Infektionswege kaum
noch nachvollziehbar», sagte Birgit Stöver, schulpolitische
Sprecherin der CDU-Fraktion. Rabe solle nun endlich einen
vernünftigen Corona-Notfall-Stufenplan für die Schulen vorlegen.

Die gesammelten Daten will Hamburg nun der Kultusministerkonferenz
für weiterführende wissenschaftliche Studien zur Verfügung stellen.
In Hamburg gibt es 472 staatliche und private Schulen mit 35 000
Lehrern und Mitarbeiter sowie 256 000 schulpflichtigen Mädchen und
Jungen.