Schule in der Corona-Pandemie - Wir sind «ein Stück erfahrener» Interview: Thomas Strünkelnberg, dpa

Wie soll es nach den Ferien in der Schule weitergehen - reicht eine
Maskenempfehlung im Unterricht für Corona-Hotspots? Andrea Kunkel,
Vorsitzende des Schulleitungsverbandes, sieht einen Vorteil im
Vergleich zum Beginn der Pandemie.

Hannover (dpa/lni) - Der Schulstart nach den Herbstferien in
Niedersachsen bedeutet aus der Sicht des Schulleitungsverbandes eine
große Herausforderung. Eine Maskenpflicht statt einer Empfehlung ab
der fünften Klasse für Schulen in einem Corona-Hotspot hätte vieles
vereinfacht, sagte die Vorsitzende des Verbandes, Andrea Kunkel (60),
der Deutschen Presse-Agentur. Entscheidend sei aber, am
Präsenzunterricht festzuhalten.

Frage: Wie beurteilen Sie die Maßnahmen für die Schulen nach den
Herbstferien?

Antwort: Wir brauchen so viel Präsenzunterricht wie nur irgend
möglich und wir brauchen das so lange wie nur irgend möglich. Von
daher teilen wir die Auffassung, dass es gut ist, am
Präsenzunterricht festzuhalten. Das tragen wir eindeutig mit. Wir
gehen auch mit in der Frage des Mund-Nasen-Schutzes. Das ist ja
zunächst eine Empfehlung. Wir können uns aber gut vorstellen, dass
daraus auch eine Verpflichtung werden kann. Es ist wichtig, dass die
Schülerinnen und Schüler so lange wie möglich in die Schulen kommen
können. Natürlich muss die Gefährdungsbeurteilung sowohl für die
Schülerinnen und Schüler als auch für alle an Schule Beteiligten,
also Lehrkräfte, Schulleitung und pädagogische Mitarbeiter, immer im
Blick bleiben.

Frage: Was fehlt Ihnen bei den Corona-Maßnahmen für die Schule?

Antwort: Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie sich der
Schulbetrieb ab Montag entwickelt. In dem neuen Hygiene-Plan sind für
einzelne Fächer bestimmte Vorgaben noch mal deutlicher und klarer
formuliert - gerade was beispielsweise das Singen betrifft. Aber die
Tücke liegt immer im Detail: Wie wird es wirklich sein? Und die
Vermutung liegt nahe, dass im Unterschied zu der Situation vor den
Herbstferien vermutlich mehr und häufiger Schülerinnen und Schüler in

Quarantäne gehen werden - und damit auch Lehrkräfte. Die Frage wird
sein: Können wir unabhängig von infizierten Schülerinnen und Schüle
rn
und auch Lehrkräften den Unterricht in vollem Maße aufrechterhalten?
Wie sieht es aus, wenn die Grippewelle rollt?

Frage: Hätten Sie eine Verpflichtung zum Tragen der Maske sinnvoller
gefunden?

Antwort: Das wäre eine Möglichkeit gewesen - und hätte unser Handeln

sicher in diesem Bereich vereinfacht. Wir finden wichtig, wirklich
differenziert auf die einzelne Schule zu schauen. Wenn eine Schule
oder ein Landkreis niedrige Inzidenzwerte aufweist, dann ist es
natürlich auch schwierig, eine Verpflichtung zum Tragen der Masken zu
verhängen. Es geht bei allen Maßnahmen auch immer darum, sie zu
erklären und zu rechtfertigen beziehungsweise um Verständnis zu
werben. Und es wird für uns eine große Herausforderung sein,
permanent das Verständnis für die Corona-Maßnahmen einzufordern,
sonst kann man den Schulbetrieb nicht aufrechterhalten.

Frage: Zu den Maßnahmen gehört auch regelmäßiges Lüften. Sehen Si
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Schwierigkeiten?

Antwort: Ich denke schon, dass das zur Zeit eine sinnvolle Maßnahme
ist. Schwierig ist es immer dann, wenn sich Räume, insbesondere
Klassenräume, nicht lüften lassen. In solchen Klassenräumen, das ist

klargestellt worden, kann kein Unterricht stattfinden. Lüften heißt
ja nicht nur, dass man das Fenster einen Spalt öffnet, sondern es
muss eine richtige Querlüftung gewährleistet sein. Bis jetzt hat der
Verband kaum Rückmeldungen, dass es an einzelnen Schulen nicht
funktioniert. Wir vermuten aber, dass das durchaus so sein wird.
Andererseits ist in den Herbstferien auch einiges passiert: Es gibt
Schulen, wo es gelungen ist, Fenster, die man jahrelang nicht öffnen
konnte, doch zu öffnen. Die Frage ist immer: Was ist die Alternative?

Frage: Wie beurteilen Sie die Möglichkeit des Einsatzes von
Lüftungsgeräten?

Antwort: Es ist illusorisch, zu meinen, Investitionen in Schule, die
in den vergangenen 10 oder 20 Jahren aufgrund diverser Konzepte zum
Einsparen öffentlicher Gelder nicht erfolgt sind, innerhalb kürzester
Zeit aufholen zu können. Das gilt auch für den Einsatz von
Lüftungsgeräten.

Frage: Was bedeuten die Maßnahmen für den Unterricht?

Antwort: Wichtig ist im Moment, alternative Möglichkeiten zu finden,
wenn beispielsweise Lüften nicht möglich ist. Dann müssen alle
Beteiligten an einen Tisch, miteinander verhandeln und pragmatische
Lösungen finden. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung dafür, den
Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Es geht hier um
Bildungsgerechtigkeit. Dazu stellt sich in vielen Schulen die Frage
der Unterrichtsversorgung: Wie viele Lehrkräfte habe ich wirklich,
und wie kann ich das alles aufrechterhalten bei Umsetzung aller
Hygienemaßnahmen? Und gelingt mir das, wenn ich nur wenig Personal
habe und von dem wenigen Personal auch noch Kollegen nicht da sind,
weil sie erkrankt sind? Wir werden vielleicht nicht drum herumkommen,
an der einen oder anderen Stelle zu sagen, wir können den Unterricht
so gar nicht voll erteilen.

Frage: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Ende der Herbstferien
beziehungsweise den Beginn der Schulzeit?

Antwort: Ich habe schon nach den Sommerferien gesagt, dass ich
Respekt vor der Situation habe. Ich glaube schon, dass es weiterhin
eine große Herausforderung bleibt. Dennoch sind wir ein Stück
erfahrener.

ZUR PERSON: Andrea Kunkel (60) ist Vorsitzende des
Schulleitungsverbands Niedersachsen und an einer Grundschule in
Langenhagen tätig.