Corona-Infektionen nehmen zu - halb Bayern mit besorglichen Werten

Die Zahlen steigen und steigen, die Politik versucht,
dagegenzuhalten: Mit verschärften Maßnahmen soll das Corona-Virus in
Schach gehalten werden. Sie gelten seit Samstag - und betreffen
wenige Tage später schon einen Großteil des Freistaats.

München (dpa/lby) - Angesichts steigender Infektionszahlen gelten die
verschärften Corona-Maßnahmen ab diesem Montag bereits für einen
Großteil des Freistaats. Die Corona-Ampel des Gesundheitsministeriums
zeigte am Sonntag für mehr als die Hälfte aller Landkreise und
kreisfreien Städte die gelbe Frühwarnstufe beziehungsweise die rote
Warnstufe an. Seit Samstag gelten für solcherart betroffene Gebiete
mit einem Tag Verzug verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, wie ein
ausgeweitetes Gebot für das Tragen von Masken oder Sperrstunden.

Diese strikteren Regeln gelten dort, wo die Zahl der Neuinfektionen
pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen den Wert 35 beziehungsweise 50
übersteigt. Die Liste der betroffenen Kreise und Städte will das
Gesundheitsministerium ab sofort täglich um 15.00 Uhr auf seiner
Homepage veröffentlichen - die verschärften Regeln gelten dann
jeweils ab dem Tag darauf.

Konkret verzeichneten laut Corona-Ampel am Sonntag 24 Städte und
Kreise Werte von mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern
binnen sieben Tagen. Hinzu kamen 28 weitere, die den Frühwarnwert von
mehr als 35 Neuinfektionen überschritten hatten. Insgesamt gibt es 71
Kreise und 25 kreisfreie Städte in Bayern. Noch am Vortag hatte das
Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 20 Regionen mit
einem Wert größer 50 und 22 mit einem Wert größer 35 aufgeführt.


«Die Stärke unserer Regeln liegt darin, dass wir individuell auf die
Lage vor Ort reagieren können», erläuterte Gesundheitsministerin
Melanie Huml (CSU) am Wochenende die Vorzüge der neuen Corona-Ampel.
«Das soll uns helfen, einen landesweiten Lockdown möglichst zu
vermeiden.»

Nach der neuen bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die
das Ministerium in der Nacht auf Samstag veröffentlichte, werden die
verschärften Regeln in den Corona-Hotspots automatisch wirksam, ohne
dass die Kommunen nochmals darüber entscheiden könnten oder müssten.


Schon ab einem Wert von 35 gilt eine verschärfte Maskenpflicht - und
zwar auf von den Kommunen festzulegenden stark frequentierten
öffentlichen Plätzen, etwa in Fußgängerzonen. Ein Mund-Nasen-Schutz

muss aber auch auf Begegnungs- und Verkehrsflächen getragen werden.
Das betrifft auch Fahrstühle von öffentlichen Gebäuden,
Freizeitparks, Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten und Schlössern.
Außerdem besteht Maskenpflicht auch am Platz bei Tagungen und
Kongressen, in Theatern, Konzerthäusern, Kinos und anderen ähnlichen
Einrichtungen.

In den weiterführenden Schulen der betroffenen Kommunen gilt ab
sofort automatisch eine Maskenpflicht auch im Unterricht. Und ab
einem Wert von 50 müssen auch Grundschüler im Unterricht einen
Mund-Nasen-Schutz tragen. Bislang hatten die Kommunen hier noch
Ermessensspielräume, ab wann die Maskenpflicht genau greift. Für
Horte und Mittagsbetreuungen in Corona-Hotspots gelten die gleichen
Regeln wie für Grundschulen - also automatisch eine Maskenpflicht,
wenn der Sieben-Tages-Inzidenzwert über 50 liegt.

Und auch am Arbeitsplatz gilt laut Gesundheitsministerium ab Montag
eine Maskenpflicht ab einem Inzidenzwert von 35, wenn der
Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Dies gelte «am
Arbeitsplatz auch beim Sitzen, wenn kein Mindestabstand von 1,5
Metern vorhanden ist.»

Neben der Maskenpflicht sieht die landesweit gültige Corona-Ampel
zudem vor, dass sich bei Werten über 35 in den Regionen - egal wo -
nur noch Bewohner von zwei Hausständen oder maximal 10 Personen
treffen dürfen. Bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 50
dürfen sich dann nur noch zwei Hausstände oder maximal fünf Personen

treffen. Diese Beschränkungen gelten auch für alle Arten von privaten
Feiern.

Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht seit
Samstag verschärft, besonders in Bussen und Bahnen sowie auf stark
frequentierten öffentlichen Plätzen. «Wir müssen alles unternehmen,

um die sprunghafte Ausbreitung des hochgefährlichen Virus einzudämmen
und gleichzeitig einen Lockdown zu verhindern», sagte Innenminister
Joachim Herrmann (CSU). Deshalb werde es die Polizei auch nicht bei
mahnenden Worten belassen, sondern konsequent ein Verwarnungsgeld
verhängen oder sogar Anzeige beim Gesundheitsamt erstatten.

Eine stichprobenartige Umfrage bei Polizei-Pressesprechern ergab am
Sonntag jedoch, dass die verschärften Vorschriften in Gebieten mit
erhöhten Infektionszahlen weitgehend eingehalten wurden. Die Münchner
Polizei berichtete allerdings von mehreren illegale Feiern; so wurde
in der Nacht zum Sonntag eine Party mit 53 Gästen im Keller eines
Hotels entdeckt. In Freilassing verstieß ein Shisha-Bar-Betreiber
massiv gegen die Vorgaben und muss nun ein hohes Bußgeld zahlen.

Zudem gelten bei hohen Corona-Zahlen regional künftig strikte
Sperrstunden in der Gastronomie. Bei mehr als 35 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner binnen sieben Tagen müssen Gaststätten um 23.00 Uhr
schließen, zudem darf dann an Tankstellen kein Alkohol mehr verkauft
werden und es gilt ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Bei
einer Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 50 gelten die Sperrstunde
und die beiden anderen Verbote schon ab 22.00 Uhr.

Dies kritisierte der bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga
ebenso wie die Informationspolitik der Staatsregierung. Auch bei den
jüngsten Maßnahmen habe viel zu wenig Zeit zwischen Bekanntgabe der
neuen Regeln und deren Umsetzungspflicht gelegen, bemängelte
Landesgeschäftsführer Thomas Geppert im Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur. Dies sei ein völlig unnötiges Ärgernis in der
schwersten Krise des Gastgewerbes seit dem Zweiten Weltkrieg.

Insgesamt haben sich nach den Daten des Landesamts für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit vom Samstag inzwischen bereits 78 187 Menschen
im Freistaat mit dem Coronavirus infiziert; 2711 sind gestorben. Als
genesen gelten 66 310 Menschen.