«Ich bitte Sie» - Merkel fordert mehr Disziplin in Corona-Krise

Die zweite Corona-Welle rollt. In mehreren EU-Ländern gelten wieder
drastische Einschränkungen. Wie soll eine rasante Ausbreitung in
Deutschland verhindert werden?

Berlin (dpa) - Soziale Kontakte beschränken, weniger Feiern, keine
Urlaubsreisen: Um eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus zu
verhindern, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bürger
eindringlich um Mithilfe gebeten. Es zähle jetzt jeder Tag, sagte
Merkel in ihrer am Samstag veröffentlichten wöchentlichen
Videobotschaft. In anderen EU-Ländern wurden Regeln zum Teil
drastisch verschärft. So gilt in Paris und anderen französischen
Metropolen angesichts steigender Infektionszahlen seit dem Wochenende
eine nächtliche Ausgangssperre.

Merkel sagte: «Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die
nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht
wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer
möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.» Um Ansteckungsketten zu
unterbrechen, müssten die Kontaktpersonen jedes infizierten Menschen
benachrichtigt werden. «Die Gesundheitsämter leisten dabei
Großartiges, aber wo die Zahl der Infizierten zu hoch wird, da kommen
sie nicht mehr hinterher.»

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte «Bild am Sonntag»: «
Die
Lage ist ernst. Wenn wir nicht rasch gegensteuern, gerät Corona außer
Kontrolle.» FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Blatt: «Wenn die
Bundeskanzlerin eine solche Dramatik sieht, muss sie umgehend eine
Regierungserklärung abgeben. Ein Podcast ersetzt nicht die Debatte im
Bundestag, wenn es um Grundrechte geht.»

Bund und Länder hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, die
Gegenmaßnahmen in Corona-Hotspots zu verschärfen. Dazu zählen eine
Ausweitung der Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. Merkel hatte
aber deutlich gemacht, die Beschlüsse reichten nicht aus, Auflagen
könnten weiter verschärft werden.

Immer wieder wird eine uneinheitliche Linie der Länder kritisiert.
Das gilt etwa für das umstrittene Beherbergungsverbot für Gäste aus
Risikogebieten. Dieses ist inzwischen in mehreren Ländern von
Gerichten gestoppt worden.

Mecklenburg-Vorpommern gab am Samstag seinen harten Kurs beim
Beherbergungsverbot auf. Wenige Tage vor einem dazu erwarteten
Gerichtsurteil einigten sich Landesregierung und Tourismusbranche
darauf, dass für Urlaub von Mittwoch an ein aktueller negativer
Corona-Test ausreicht. Die bisher zusätzlich geforderte Quarantäne
von mindestens fünf Tagen und ein folgender zweiter Test entfallen.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Online Sonntag, Print Montag):«Es wird darauf ankommen,
wie sich die Bevölkerung verhält. Das ist wichtiger als einzelne
Maßnahmen.» Viele Auflagen ließen sich ohnehin schwer überprüfen.
Bei
einer weiterhin so schnellen Ausbreitung des Coronavirus rechnet
Lauterbach mit lokalen Shutdowns in Deutschland.

Am frühen Sonntagmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 5587
Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages in Deutschland, eine
Woche zuvor waren es 3483 neue Fälle. Am Samstag war mit 7830 zum
dritten Mal in Folge ein Höchstwert erreicht worden. An Sonntag und
Montagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, auch weil am
Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begab sich in Quarantäne,
nachdem einer seiner Personenschützer positiv auf das Coronavirus
getestet wurde. Ein erster Test bei Steinmeier fiel negativ aus, wie
eine Sprecherin des Bundespräsidialamtes am Samstag mitteilte. Dieses
Ergebnis eines Schnelltests wurde dann durch einen sogenannten
PCR-Test validiert - am Sonntag lag auch in diesem Verfahren ein
negatives Ergebnis vor, wie die Sprecherin sagte. PCR-Tests sind
genauer als Schnelltests. Steinmeier bleibe in Selbstquarantäne, in
den kommenden Tagen soll er erneut getestet werden.