Schon jetzt zu wenig Hausärzte - Mangel wird sich verschärfen

Fast jede zehnte Hausarzt-Stelle in Rheinland-Pfalz konnte nicht
besetzt werden. Vor allem auf dem Land haben es Mediziner schwer,
Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Die sogenannte Landarzt-Quote
reicht nicht aus, warnt die Vorsitzende des Hausärzteverbands.

Mainz (dpa/lrs) - In Rheinland-Pfalz sind laut einer Untersuchung im
vergangenen Jahr im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich
viele Stellen für Hausärzte unbesetzt geblieben. Nach Einschätzung
des Hausärzteverbandes wird sich die Situation weiter verschärfen.
Dagegen kann nach Ansicht von Verbandschefin Barbara Römer nur ein
ganzes Bündel von Maßnahmen helfen, allen voran mehr
Medizinstudienplätze.

«Wir haben bei den niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten in
Rheinland-Pfalz einen sehr hohen Altersdurchschnitt. Circa 42 Prozent
der Kolleginnen und Kollegen sind 60 Jahre alt oder älter», sagte
Römer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Da werden in den
nächsten Jahren viele Hausarztsitze wegen Ruhestands wegfallen.»

Hinzu komme, dass Rheinland-Pfalz eher ein Flächenland mit vielen
ländlichen Regionen sei. «Und gerade dort ist es eine große
Herausforderung, Nachfolger zu finden», sagte die Hausärztin, die im
rheinhessischen Saulheim eine Gemeinschaftspraxis betreibt.

Zur Abhilfe gegen leere Arztpraxen in ländlichen Regionen hat die
Landesregierung mit Beginn dieses Wintersemesters erstmals
Medizinstudienplätze auch über die sogenannte Landarztquote vergeben.
Die Regelung sieht vor, dass von den jährlich rund 430
Medizinstudienplätzen im Land etwa 27 an Personen gehen, die sich
später zehn Jahre als Hausarzt oder Hausärztin in einem Gebiet mit
aktueller oder künftig drohender Unterversorgung verpflichten.

Diese Quote sei ein «erster, richtiger Schritt», findet die
Vorsitzende des Hausärzteverbands. Aber der reiche bei weitem noch
nicht aus. Zudem werde es noch viele Jahre dauern, bis die neuen
Kollegen als Fachärzte ins Gesundheitssystem kommen. «Die Quote
ändert zudem nichts an der zu geringen Zahl an Medizinstudienplätzen
in Rheinland-Pfalz. Wir benötigen einfach mehr Köpfe im System»,
forderte Römer.

Neue Köpfe in der Medizin werden indes schon bald auch in Trier
ausgebildet. Dort wird am kommenden Dienstag (20. Oktober) ein
Medizincampus als Außenstelle der Mainzer Unimedizin eröffnet. Fortan
werden hier Studierende das zehnte Fachsemester und anschließend ihr
Praktisches Jahr absolvieren.

Um einen ausscheidenden Hausarzt zu ersetzen, seien laut Studien im
Schnitt 1,7 Nachfolger nötig, erklärte Römer. Das habe auch mit der
höheren Nachfrage nach Teilzeitarbeit und Anstellung zu tun. «Es muss
jetzt alles dafür getan werden, dass auch außerhalb der großen
städtischen Zentren, beispielsweise in Eifel und Hunsrück,
Interessenten gute Angebote gemacht werden», forderte sie. Es müssten
Rahmenbedingungen geschaffen werden wie beispielsweise ein
erheblicher Bürokratieabbau und die Abschaffung von Regressrisiken,
damit sich junge Kolleginnen und Kollegen für den Einstieg in der
Hausarztmedizin auch in Zukunft begeistern ließen.

Eine Hausarztpraxis brauche auch im digitalen Zeitalter gut
qualifizierte Fachärzte, die Verantwortung für ihre Patienten und
Mitarbeitenden übernehmen und den Qualitätsstandard der ärztlichen
Versorgung sicherten, sagte Römer. «Ich sehe die Zukunft in Praxen
mit hausärztlich tätigen Fachärztinnen und Fachärzten, die gemeinsa
m
mit ihrem multiprofessionellem Team und digitaler Unterstützung die
ambulante Patientenversorgung vor Ort sichern.»

Eine vor rund vier Wochen bekannt gewordene Untersuchung hatte Lücken
bei der der Hausarztversorgung in Rheinland-Pfalz offenbart. Demnach
konnten im vergangenen bundesweit 5,9 Prozent der geplanten Plätze
für Niederlassungen nicht vergeben werden, in Rheinland-Pfalz waren
es sogar 9,5 Prozent, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf
eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann hervorging.
Stadtstaaten wie Hamburg (0 Prozent) und Berlin (0,7 Prozent) waren
dagegen deutlich besser mit Allgemeinmedizinern versorgt. Bundesweit
blieben insgesamt 3280 Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte
frei, bei Fachärzten waren es 1933.

Um die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten,
gibt es laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine
Bedarfsplanung für ärztliche Niederlassungen. Der Bund macht dazu
Vorgaben und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder erstellen
basierend darauf regionale Pläne. So wird festgelegt, wie viele Haus-
und Fachärzte es in einer Region geben darf. Ist in einer Region eine
Versorgung von 110 Prozent erreicht, muss ein Arzt erst auf eine
freie Praxis zur Übernahme warten, bevor er sich dort niederlassen
kann. Andernfalls darf er einfach eine neue Praxis gründen oder sich
von bereits praktizierenden Ärzten anstellen lassen.