Alarmstufe Rot im Südwesten - mehr Maskenpflicht, weniger Kontakte

Der Südwesten hat bei den Corona-Infektionen die «kritische Phase»
erreicht und schaltet auf Alarmstufe Rot. Um das Virus einzudämmen,
stehen nun weitere Einschränkungen bevor.

Stuttgart (dpa/lsw) - Wegen des starken Anstiegs der Infektionszahlen
ruft Baden-Württemberg die höchste Corona-Alarmstufe aus. Weitere
Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie eine verschärfte
Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und zusätzliche
Kontaktbeschränkungen sollen am Montag in Kraft treten, wie
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Samstag nach einer
außerordentlichen Kabinettssitzung mitteilte.

Die Pandemiestufe 3 bedeutet den Eintritt in die «kritische Phase».
Die beginnt insbesondere dann, wenn die Zahl der Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner innerhalb einer Woche die Grenze von 35
überschreitet. Das ist im Südwesten seit vergangenem Donnerstag der
Fall. Am Freitag lag die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz bei 42,2.

Konkret gelten ab Montag landesweit folgende Maßnahmen - unabhängig
vom Inzidenzwert in der jeweiligen Region:

- Maskenpflicht in der Öffentlichkeit, sofern der Mindestabstand
nicht eingehalten werden kann.

- Private Zusammentreffen werden auf zehn Personen oder zwei
Hausstände begrenzt.

- Die Teilnehmerzahl für Veranstaltungen wird auf 100 beschränkt.

- Kliniken sollen ihre Kapazitäten für Corona-Patienten stufenweise
anpassen und nicht zwingend notwendige Behandlungen schrittweise
reduzieren.

- Die Fieber-Ambulanzen und Corona-Teststellen in den besonders
betroffenen Regionen werden wieder hochgefahren. Telemedizinische
Behandlungsmöglichkeiten werden ausgeweitet - zur Vermeidung von
Kontakten in Arztpraxen.

- Maskenpflicht gilt ab Klasse 5 in den weiterführenden Schulen sowie
in den beruflichen Schulen nun auch im Unterricht - das hatte das
Kultusministerium bereits am Freitag angekündigt. Bislang galt sie
dort nur auf sogenannten Begegnungsflächen wie Schulfluren, Aula und
Toiletten. Die nicht-schulische Nutzung des Schulgebäudes wird
eingeschränkt. An Hochschulen soll eine weitreichende Maskenpflicht
auch auf den Sitzplätzen gelten.

Städte und Landkreise, deren Zahl der Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner innerhalb einer Woche über 50 liegt, können aber per
Allgemeinverfügung noch schärfere lokale Maßnahmen ergreifen - wie
zum Beispiel nächtliche Ausgangssperren verhängen.

Man müsse aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich die Pandemie
entwickele, die Maßnahmen verschärfen, sagte Kretschmann am Samstag.
Er appellierte erneut an die Bevölkerung: Die Menschen sollten
unnötige Reisen und Kontakte vermeiden. «Das ist das Gebot der
Stunde, damit nicht alles aus dem Ruder läuft.» Man könne die Dynamik

nur dann brechen, wenn man die Kontakte um die Hälfte reduziere.

Kretschmann hatte die Ausrufung der dritten und höchsten Stufe
bereits am Freitag in Aussicht gestellt. Das dreistufige Alarm-System
hatte die Landesregierung im September eingeführt. Entscheidend für
die Einstufung ist die Sieben-Tage-Inzidenz. Aber auch andere
Faktoren spielen bei der Bewertung eine Rolle, etwa die absoluten
Infektionszahlen, die Zahl der Tests oder der Reproduktionswert
(R-Wert), der angibt, wie viele Menschen ein Erkrankter im Schnitt
mit dem Virus ansteckt.

Vor gut eineinhalb Wochen war die «Anstiegsphase» ausgerufen worden,
in der Ausbrüche zunehmen, Landkreisgrenzen überschreiten und
zunehmend nicht mehr nachzuvollziehen sind. Diese Stufe 2 wurde
begleitet von verschärften Kontrollen und Appellen, beinhaltete aber
keine weiteren Einschränkungen des Alltags.

Die dritte Phase zeichnet sich durch einen starken, möglicherweise
exponentiellen Anstieg der Fallzahlen mit diffusen, häufig nicht mehr
nachvollziehbaren Infektionsketten aus. Das ursprüngliche Konzept der
Landesregierung sah für dieses Phase weitere Maßnahmen vor, etwa eine
Einschränkung der Anzahl der Personen pro Verkaufsstelle im
Einzelhandel und eine Einschränkung des Ausschanks von Alkohol in der
Gastronomie. Davon war am Samstag zunächst keine Rede.

Zwar sei der Anteil schwerer Verläufe und die Auslastung der
Krankenhäuser vergleichsweise gering, teilte das Staatsministerium
mit. Dennoch seien viele Lebensbereiche durch die zunehmende
Verbreitung des Virus betroffen, was wiederum das Risiko für
vulnerable Gruppen erhöhe. Außerdem falle es den örtlichen
Gesundheitsbehörden zunehmend schwer, alle Kontaktpersonen von
Neuinfizierten zu ermitteln. «Damit steigt das Risiko, dass sich das
Virus diffus ausbreitet.»

Das dreistufige Konzept soll eigentlich eine zweite Welle verhindern.
Ministerpräsident Kretschmann appellierte an die Bürger, sich bereits
am Wochenende an die verschärften Regeln zu halten und nicht erst bei
Inkrafttreten am Montag. «Jede Kontaktvermeidung bringt etwas. Jeder
Tag zählt.» Kretschmann warnte die Bevölkerung vor einem erneuten
Lockdown. Wenn die Einschränkungen der dritten Alarmstufe über sieben
bis zehn Tage nicht wirkten, werde man die Maßnahmen verschärfen und
etwa die Treffen im öffentlichen Raum drastisch einschränken, sagte
der Grünen-Politiker. «Das muss jedem klar sein: Wenn das nicht geht,
dann werden wir zum Schluss sehr viel härter Maßnahmen ergreifen
müssen, die dann auch tiefer ins Arbeitsleben eingreifen.»