Wegen Corona: Polizeigewerkschaften für Absage von Castortransport

Nordenham/Biblis (dpa) - Die Polizeigewerkschaften in Deutschland
fordern, den geplanten Castortransport von der
Wiederaufbereitungsanlage im britischen Sellafield ins südhessische
Zwischenlager Biblis abzusagen. «Wenn nun von der Polizei erwartet
wird, dass sie die Corona-Auflagen und den Gesundheitsschutz stärker
durchsetzen soll, dann ist es aus unserer Sicht nicht vereinbar, dass
Anfang November ein Nukleartransport von der Polizei quer durch
Deutschland begleitet werden soll», sagte der Vize-Chef der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, der Deutschen
Presse-Agentur. «Dafür gibt es keinen zwingenden Grund.»
Polizeikräfte, die dann zur Sicherung des Castortransportes im
Einsatz wären, könne man nicht zeitgleich für den Infektionsschutz
abstellen. Atomkraftgegner rechnen damit, dass der Transport etwa
Anfang November im Hafen im niedersächsischen Nordenham ankommen
wird.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) plädierte am Freitag
für eine Absage. «Wir werden künftig personell nicht mehr in der Lage

sein, mehrere zeitgleich verlaufende Großeinsätze bewältigen zu
können. Einen Nukleartransport von Cuxhaven nach Biblis zu begleiten
und zeitgleich verschärfte Kontrollmaßnahmen an den Landgrenzen zur
Eindämmung der Pandemie durchzuführen, wird nicht funktionieren»,
sagte der Vorsitzende Rainer Wendt. Aus Sicht der Gewerkschaft sollte
für den Infektionsschutz an den Landgrenzen künftig wieder mehr als
nur stichprobenartig kontrolliert werden.

Neben den Ordnungsämtern hilft auch die Polizei bei der Durchsetzung
der Corona-Regeln. Bund und Länder wollen nach ihrem Beschluss vom
Mittwoch zudem die Bundespolizei beim Gesundheitsschutz einsetzen.

Der Transport der sechs Behälter mit hoch-radioaktivem Müll aus dem
britischen Sellafield war zunächst für das Frühjahr geplant. Aufgrund

der Corona-Pandemie wurde er im März aber auf unbestimmte Zeit
verschoben. Das Bundesinnenministerium hielt den notwendigen
Polizeieinsatz nicht für verantwortbar.

Bei vergangenen Castortransporten waren Tausende Polizisten aus dem
gesamten Bundesgebiet im Einsatz. Radek erwartet, das dies auch beim
nächsten Transport wieder der Fall wäre. Er forderte eine Absage und
betonte, der Gesundheitsschutz müsse Priorität haben - schließlich
seien auch Polizistinnen und Polizisten von Ansteckung bedroht.

Wann genau die Castoren nach Südhessen gebracht werden sollen, ist
nicht bekannt. Die beauftragte Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS)
hatte Ende September mitgeteilt, die Vorbereitungen für den Transport
aus Großbritannien seien wiederaufgenommen worden. Die
Transportgenehmigung für die Castoren gilt nach Angaben einer
Sprecherin des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen
Entsorgung (BASE) bis 31. Dezember 2020. Das Amt ist dem
Bundesumweltministerium unterstellt, das die Federführung hat.