Amtsarzt von Berliner Hotspot: Neukölln als Sensor für ganzes Land

Berlin (dpa/bb) - Es ist der größte Corona-Hotspot bundesweit: Der
Amtsarzt von Berlin-Neukölln befürchtet eine Entwicklung wie in
seinem Bezirk auch in anderen Metropolen. «Was wir jetzt schon in
Neukölln erleben, sind nur die Vorboten von dem, was wir
wahrscheinlich in allen Metropolen des Landes erleben werden.
Neukölln ist der Sensor für das ganze Land», sagte Nicolai Savaskan
dem «Tagesspiegel» (Donnerstag).

Er verglich die Situation in Neukölln mit einem Waldbrand: «Wir haben
nicht mehr einen Brandherd, sondern multiple Glutnester - nicht
Dutzende, sondern Hunderte.» Bei 70 Prozent der Fälle sei der
Infektionsherd nicht mehr zu finden. «Wir müssen davon ausgehen, dass
wir seit Wochen ein asymptomatisches Infektionsgeschehen hatten, das
im Verborgenen lief», sagte Savaskan. In seinem Bezirk sei aber
durchaus sehr proaktiv getestet worden, weshalb man vielleicht auch
ein klareres Bild der Lage habe.

Der Amtsarzt sprach sich für eine risikobasierte Pandemiebekämpfung
aus - «im Sinne des Schutzes aller vulnerablen Gruppen». Das heiße,
dass man empfehlen würde, «dass Risikogruppen gesondert den
öffentlichen Raum betreten und mit Schutzausrüstung ausgestattet
werden». Auch eine neue Informationskampagne hält er für nötig: «
Alle
neuen Maßnahmen werden nur so erfolgreich sein, wie sie auch
verstanden und, wichtiger noch, akzeptiert werden.» Im Bezirk fange
man teilweise bei Beratungen wieder bei Null an, weil etwa
Quarantäne-Regeln nicht bekannt seien.

Nach Daten der Berliner Gesundheitsverwaltung wurden in Neukölln in
den vergangenen sieben Tagen 571 Neuinfektionen erfasst. Das sind
173,1 pro 100 000 Einwohner - die als kritisch definierte Schwelle
liegt bei 50. Auch im Vergleich mit Corona-Hotspots im ganzen
Bundesgebiet ist Neukölln laut Robert Koch-Institut führend.