Hausärzteverband für Rückkehr zur telefonischen Krankschreibung

Ein Griff zum Telefon, ein Gespräch mit dem Arzt - und die
Krankschreibung bei simplen Erkältungen war gebongt. Doch die
telefonische Krankschreibung wurde abgeschafft. Dabei würde sie den
Hausärzten im Corona-Herbst sehr helfen, findet die Verbandschefin.

Mainz (dpa/lrs) - Zur Entlastung der Arztpraxen angesichts immer
weiter steigender Corona-Zahlen fordert der rheinland-pfälzische
Hausärzteverband die Wiedereinführung der telefonischen Krankmeldung
für vergleichsweise banale Infekte wie Erkältungen. «Das war im
Frühjahr ein wichtiger und erfolgreicher Baustein in der
Pandemiebekämpfung», erklärt die Verbandsvorsitzende Dr. Barbara
Römer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Darüber hinaus haben es

die Hausarztpraxen durch flächendeckende Corona-Ambulanzen und
Infektsprechstunden in Rheinland-Pfalz geschafft, Patientenströme gut
zu steuern. Mit beiden Maßnahmen wurde eine Durchmischung von Infekt-
und Nichtinfektpatienten bestmöglich vermieden.»

Die telefonische Krankschreibung war zu Beginn der Corona-Pandemie
deutschlandweit als Ausnahmeregelung zugelassen und mehrmals
verlängert worden, um Ansteckungsmöglichkeiten zu verringern und
Arztpraxen zu entlasten. Am 31. Mai lief sie jedoch aus. Der
Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen
hatte damals erklärt, das Ende der Sonderregelung stehe im Einklang
mit der aktuellen Einschätzung der Gefährdungslage, die zu
Lockerungen in vielen Bereichen geführt habe. Viele Praxen hätten
Hygienekonzepte, so dass Patienten eine ärztliche Versorgung in
Anspruch nehmen könnten, ohne sich erhöhten Infektionsrisiken
auszusetzen.

Römer, die im rheinhessischen Saulheim selbst eine
Gemeinschaftspraxis betreibt, hofft nun mit Blick auf die
Pandemie-Entwicklung auf ein Umdenken in dieser Frage. «Auch unsere
Ressourcen sind begrenzt», warnte sie. «Daher brauchen wir flexible
Lösungsansätze. Hierbei ist die telefonische
Arbeitsunfähigkeitsmeldung ein wichtiges Instrument.»

Die Arztpraxen brauchten diese Entlastung zur weiteren Entflechtung
der Patientenströme, betonte sie. «Hausärztinnen und Hausärzte steh
en
da an vorderster Front. Sonst wird die Ressource der ambulanten
Versorgung überfordert, was wiederum dazu führen kann, dass wie in
anderen Ländern Patienten mit einfachen Symptomen ins Krankenhaus
laufen, weil sie nicht mehr ambulant betreut werden.»

Seit wenigen Tagen ist nach Angaben der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung eine Krankschreibung per Videosprechstunde möglich.
Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherte der behandelnden
Arztpraxis bekannt ist und die Erkrankung eine Untersuchung per
Videosprechstunde zulässt. Ein Anspruch der Versicherten auf
Krankschreibung per Videosprechstunde besteht jedoch nicht.
Ausschließlich per Online-Fragebogen, Chat-Befragung oder Telefonat
darf niemand krankgeschrieben werden.

Dabei dürfte für viele Patienten der Griff zum Telefonhörer einfacher

fallen als der Aufbau einer Videoschalte zu seiner Hausarztpraxis,
zumal auch nicht jeder Erkrankte die technischen Möglichkeiten zur
Videotelefonie hat. Römer hält eine Telefonat in der Regel durchaus
für ausreichend, um die Lage zu beurteilen. «Wir Hausärzte können a
m
Telefon im Gespräch mit unseren Patienten sehr wohl beurteilen, ob es
sich um eine einfache Erkältung handelt, bei der es in erster Linie
nur um eine Krankschreibung geht», sagte sie. Die Hausärztinnen und
Hausärzte kennten ihre Patienten und wüssten um Vorerkrankungen und
mögliche Risiken.

«Wenn die Patienten kein Fieber haben und uns sagen, mein Chef will
mich mit meiner Erkältung nicht sehen, dann kann ich es aus
ärztlicher Sicht sehr wohl vertreten, ihn telefonisch
krankzuschreiben und ihm Verhaltensmaßregeln mitzugeben, die es
notwendig machen, sich dann doch im Krankheitsverlauf in der
Infektsprechstunde vorzustellen», erklärte die Hausärztin. Banale
Infekte wie Schnupfen ohne relevante Einschränkung des
Allgemeinbefindens oder Fieber müssten nicht zwingend sofort in der
Praxis untersucht werden, «wenn es eben nur um eine Krankschreibung
geht».

Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft
waren im Juni zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ärzte in Deutschland
das Instrument der telefonischen Krankschreibung umsichtig genutzt
und damit «einen substanziellen Beitrag zur Eindämmung des
Infektionsgeschehens geleistet» hätten. Befürchtungen, die
Krankschreibung per Telefon könne missbräuchlich in Anspruch genommen
werden, hätten sich damit nicht bestätigt, hieß es in der Studie.