Lagebild: Viele Betroffene kennen Corona-Ansteckungsquelle nicht

Corona kann überall lauern. Das zeigt das Lagebild der
Gesundheitsämter in NRW. Am höchsten ist das Ansteckungsrisiko
demnach im privaten Umfeld - weit vor Kita, Schule, Arbeitsplatz.
Reiserückkehrer spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Düsseldorf/Köln (dpa/lnw) - In zahlreichen Fällen wissen Betroffene
und Gesundheitsämter nicht, wo sich die Menschen mit dem Coronavirus
infiziert haben. In Nordrhein-Westfalen sei derzeit in 43 Prozent der
gemeldeten Neuinfektionsfälle nicht bekannt, in welchem Umfeld das
passiert sei, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch auf
Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf mit. Die Zahlen
decken sich mit den Erfahrungen der Gesundheitsämter in Düsseldorf
und Köln.

Auffällig laut landesweitem Lagebild der Gesundheitsämter für den
Zeitraum vom 24. bis zum 30. September ist: Der Anteil der
Reiserückkehrer an den Neuinfizierten ist demnach in den vergangenen
Wochen drastisch gesunken. Den Schätzungen zufolge liege er nur noch
bei 7 Prozent aller rückverfolgbaren Fälle, teilte ein Sprecher des
Düsseldorfer Gesundheitsministeriums mit. Nach den Sommerferien im
August war die Quote noch mit etwa 25 Prozent beziffert worden.

Rund 55 Prozent aller gemeldeten Neuinfektionen mit bekanntem
Hintergrund seien «der privaten Lebenswelt» zuzurechnen, berichtete
das Ministerium: «35 Prozent privater Haushalt, 8 Prozent aushäusige

private Veranstaltung (Geburtstag, Hochzeit), 4 Prozent Freizeit (zum
Beispiel Verein) und 7 Prozent Sonstiges.»

13 Prozent der Betroffenen hatten sich am Arbeitsplatz infiziert, 9
Prozent in der Schule, 2 Prozent in der Kita. Weitere 7 Prozent der
identifizierbaren Infektionsketten entfallen auf den Bereich
Medizin/Pflege. Etwa 15 Prozent aller neuen Fälle hatten sonstige
Ursachen.

Die Infektionsketten seien schwer nachvollziehbar, wenn bei 40
Prozent der Betroffenen die Quelle nicht bekannt sei, sagte der
Leiter des Kölner Gesundheitsamts, Johannes Nießen, der dpa. «Das ist

ein wichtiger Knackpunkt an der ganzen Sache.» Die Corona-Warnapp
werde offenbar wenig genutzt. Zudem sei die Bereitschaft gering,
ehrlich Auskunft zu geben. «Wir fragen schon genauer hinterher, aber
die Leute sind nicht immer sehr zugewandt. Es erreichen uns oft nur
halbe Wahrheiten, oder es wird ganz verschwiegen, wo man sich
aufgehalten hat.»

Die teils an Belgien und die Niederlande grenzenden Städteregion
Aachen mit 557 000 Einwohnern berichtete, bei geschätzten «deutlich
unter 25 Prozent» der Fälle sei völlig unklar, wo sie sich angesteckt

haben. Die Infektionen seien nicht auf einige wenige Hotspots
zurückzuführen. Ansteckungsorte seien etwa Schulen, Kitas,
Pflegeheimen oder auch Familienfeiern. Der Pendelverkehr über die
Landesgrenzen hinweg erschwere die Verfolgung von Infektionsketten
nicht, hieß es auf Anfrage.

Die Stadt Herne, wo mit einem Wert von 95,2 am Mittwoch die NRW-weit
höchste Sieben-Tage-Inzidenz gemessen wurde, geht nicht von
punktuellen Hotspots als Infektionsquellen aus. «Wir beobachten die
meisten Ansteckungen im familiären Kontext oder auch vereinzelt in
Schulen», schilderte eine Sprecherin. Mehr als ein Dutzend Großstädte

und Kreise in NRW galten am Mittwoch als Risikogebiete, weil sie den
kritischen Wert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den
letzten sieben Tagen überschreiten.