Streit über Beherbergungsverbot - längere Weihnachtsferien?

Der Streit über Beherbergungsverbote dürfte das Treffen der Kanzlerin
mit den Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch dominieren. Davon
abzugehen kommt für manche Länderregierungschefs nicht in Frage. Auch
ein Vorstoß zu Schulen löst ein Kontroverse aus.

Berlin (dpa) - Der Streit über das Beherbergungsverbot vieler Länder
zum Schutz vor Corona-Infektionen nimmt vor dem Treffen von Kanzlerin
Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder an Schärfe zu.
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß,
forderte, das Verbot dabei nochmals auf den Prüfstand zu stellen.
Länderregierungschefs wie Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern)
und Markus Söder (Bayern) verteidigten es dagegen. Für Diskussionen
sorgt ein Vorstoß aus den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
wegen der Infektionszahlen die Weihnachtsferien zu verlängern.

Am Dienstagmorgen überschritt die Zahl der innerhalb eines Tages neu
mit dem Coronavirus infizierten Menschen nach Angaben des Robert
Koch-Instituts mit 4122 erneut die 4000er-Grenze. Seit Beginn der
Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 329 453 Menschen
in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert. Mit
Leverkusen und Gelsenkirchen überschreiten seit Dienstag zwei weitere
große Städte die wichtige Warnstufe von 50 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner in sieben Tagen.

Söder rief vor dem Treffen an diesem Mittwoch dazu auf, strengere und
einheitliche Maßnahmen zu ergreifen. Es müsse zum Beispiel erweiterte
Maskenpflichten gelten. «Wir wollen keinen zweiten Lockdown. Aber ein
zweiter Lockdown rückt näher, wenn es keinen Ruck gibt.»

Kanzlerin und Ministerpräsidenten kommen an diesem Mittwoch erstmals
seit Mitte Juni wieder im Kanzleramt zusammen und tagen nicht in
einer Videokonferenz. Laut «Bild»-Zeitung begründete Kanzleramtschef

Helge Braun gegenüber den Staatskanzleichefs die Notwendigkeit
hierfür mit der dramatischen Infektionslage in Deutschland. Man müsse
eine offene Debatte führen, die «historische Dimensionen» haben
könne, wurde er unter Bezug auf Teilnehmer in «Bild» zitiert.

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mahnte für das Treffen unter
anderem in der Frage der Beherbergungsverbote eine einheitliche Linie
an. «Ich erwarte morgen ein klares Signal gegen die Kleinstaaterei.
Wir benötigen Klarheit für die Menschen in Deutschland. Dies gilt
insbesondere für innerdeutsche Reisen», sagte der CDU-Politiker am
Dienstag am Rande einer Veranstaltung in Hamburg.

Bareiß betonte: «Gerade Hotels haben in einem großen Kraftakt die
Hygienemaßnahmen umgesetzt und für Sicherheit gesorgt. Ein
nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche muss verhindert werden.»
Der Chef des Landkreistages, Reinhard Sager, sprach im
Nachrichtenportal «t-online» von einem «im Alltag kaum zu
überblickenden Flickenteppich und großer Verunsicherung in der
Gesellschaft».

Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes
(Dehoga), Ingrid Hartges, sagte der «Saarbrücker Zeitung» (Dienstag):

«Ich habe die begründete Hoffnung, dass sich Bund und Länder von
dieser Form des Beherbergungsverbots verabschieden müssen.» Hartges
spielte damit offenbar auf die angekündigten Klagen gegen das Verbot
an. Der Staatsrechtler Christoph Degenhart hält die Maßnahmen für
nicht gerechtfertigt. «Sie greifen in die Grundrechte der Betriebe
sowie der Reisenden ein», sagte er dem «Handelsblatt» (Dienstag).

Dagegen sprach sich Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig
(SPD) im ARD-«Morgenmagazin» gegen Lockerungen aus: «Wir brauchen
eine klare, stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen
immer mehr in Deutschland steigen, nicht Lockerung sein.» Schwesig
sprach sich stattdessen für strengere Regeln aus, «insbesondere in
Risikogebieten». Bayerns Regierungschef Söder verlangte am
Montagabend im Bayerischen Rundfunk «klarere Regeln für alle». Dabei

schloss er nicht aus, Anti-Corona-Maßnahmen nicht nur regional,
sondern flächendeckend etwas zu verschärfen.

Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger
aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb
von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen
höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können.
Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Als sicher
gilt, dass am Mittwoch über das Thema gesprochen werden wird.

Diskutiert werden könnte beim Bund-Länder-Treffen auch über die
Schulen - dass diese nicht wieder geschlossen werden müssen, gilt als
eines der wichtigsten Ziele der Maßnahmen. Die Bundestagsabgeordneten
Christoph Ploß (CDU) und Stephan Pilsinger (CSU) machten in der
«Bild»-Zeitung den Vorschlag, die Winterferien um zwei bis drei
Wochen zu verlängern und im Sommer entsprechend zu kürzen.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei pfiff die beiden Abgeordneten aber
wieder zurück. Er sagte bei RTL/ntv: «Angesichts der
Verbreitungswege, die derzeit dominieren, befürchte ich, dass wir
durch eine Verlängerung der Weihnachtsferien viel Unruhe stiften,
aber letztlich keinen durchgreifenden Erfolg erringen.»

Das Robert Koch-Institut wies in einem Strategiepapier darauf hin,
dass der Alltag auch nach Einführung eines Corona-Impfstoffs zunächst
eingeschränkt bleiben werde - einschließlich Maskentragen und
Abstandsgeboten. Demnach werden zwar voraussichtlich im kommenden
Jahr ein oder mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen - und die
Bekämpfung des Coronavirus entscheidend verbessern. Allerdings dürfte
es ein solches Mittel zu Beginn nur in begrenzten Mengen geben und
insbesondere Risikogruppen zugute kommen.