Demokraten machen Gesundheitswesen zum Thema bei Barrett-Anhörung

Die Demokraten im US-Senat können die Berufung von Amy Coney Barrett
ans Oberste Gericht nicht aus eigener Kraft verhindern. Deshalb rufen
sie die Wähler auf, Druck auf die republikanischen Senatoren zu
machen.

Washington (dpa) - Im Streit um die Ernennung der konservativen
Juristin Amy Coney Barrett ans Oberste Gericht der USA wollen die
Demokraten die Menschen im Land mobilisieren. Dabei warnen sie vor
allem davor, dass mit Barrett die Gesundheitsreform des früheren
Präsidenten Barack Obama fallen könnte. Die Republikaner haben es in
der Hand, die Kandidatin des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump
noch vor der Präsidentenwahl durchzubringen.

«Die Gesundheitsversorgung von Millionen Amerikanern steht mit dieser
Nominierung auf dem Spiel», sagte die demokratische Senatorin Dianne
Feinstein am Montag zum Auftakt der mehrtägigen Anhörung Barretts im
Justizausschuss.

Mit «Obamacare» wurde unter anderem durchgesetzt, dass Amerikanern
eine Krankenversicherung nicht wegen Vorerkrankungen verweigert
werden darf. Die Demokraten verweisen nun darauf, dass mit einer
Abschaffung des Reform-Gesetzes vor dem Obersten Gericht auch Folgen
einer Corona-Infektion als Vorerkrankung zählen könnten - und dann
womöglich einer Krankenversicherung im Wege stehen.

Sie betonen, dass Barrett die Argumentation des Obersten Gerichts
kritisierte, mit der Obamas Gesundheitsreform als verfassungskonform
bestätigt worden war. Die Trump-Regierung unternimmt gerade einen
neuen Anlauf, «Obamacare» am Obersten Gericht zu kippen.

Der demokratische Senator Chris Coons sagte an die Adresse Barretts,
er glaube zwar nicht, dass sie einen geheimen Deal mit Trump gemacht
habe. «Aber ich glaube, dass Sie aus dem Grund ausgewählt wurden,
dass Ihre juristische Philosophie zu den Ergebnissen führen wird, die
Präsident Trump erzielen will.»

Trump hatte Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen liberalen
Richterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Mit ihrer Ernennung bekämen
die Konservativen im Supreme Court eine dominierende Mehrheit von
sechs der neun Sitze am Gericht. Das Gericht hat oft das letzte Wort
bei Rechtsstreitigkeiten zu politisch umkämpften Fragen wie
Einwanderung, das Recht auf Abtreibungen oder Waffenbesitz.

Barrett hielt sich an ihre bereits am Wochenende veröffentlichte
Stellungnahme und betonte unter anderem, dass sie die Verfassung und
die Gesetze «so, wie sie geschrieben wurden» auslegen werde. Sie
sagte auch, sie versuche, ihre Urteile aus der Perspektive der
unterlegenen Partei zu betrachten: «Selbst wenn mir das Ergebnis
nicht gefiele, würde ich verstehen, dass die Entscheidung fair
begründet und im Gesetz verankert war?»

Die Richter werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat auf
Lebenszeit ernannt. Die Republikaner halten im Senat 53 der 100
Sitze. Die demokratische Senatorin Amy Klobuchar räumte ein, dass die
Demokraten Barretts Ernennung nicht verhindern können. Sie hätten
aber eine «Geheimwaffe»: die Stimme der Wähler der republikanischen
Senatoren. Sie rief die Bürger dazu auf, aktiv zu werden. «Es liegt
an Ihnen, republikanische Senatoren anzurufen und ihnen zu sagen:
Genug ist genug.»

Trump machte zuvor keinen Hehl daraus, dass es ihm bei Barretts
Nominierung auch um mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen zur
Auszählung der Stimmen bei der Wahl geht. Der Demokrat Richard
Blumenthal forderte Barrett deswegen auf, sich nicht an eventuellen
Entscheidungen zum Wahlausgang zu beteiligen.

Für die Republikaner verwies unter anderem Senator Mike Lee darauf,
dass Barrett als Richterin am Obersten Gericht dem Gesetz folgen und
nicht Politik machen müsse. Lee wurde vergangene Woche positiv auf
das Coronavirus getestet. Er war dennoch persönlich bei der Anhörung
anwesend und sprach ohne Maske, nachdem sein Arzt versicherte, dass
der Senator nicht mehr ansteckend sei. Der ebenfalls positiv
getestete Senator republikanische Thom Tillis schaltete sich per
Internet zu.

Die demokratische Vize-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, die
auch Mitglied im Ausschuss ist, kritisierte die Entscheidung, die
Anhörung trotz der Corona-Fälle durchzuführen. Das sei
«rücksichtslos» und bringe Beschäftigte im Kongress-Gebäude in
Gefahr.