Drei-Stufen-System in England soll Virus unter Kontrolle bringen

Die Corona-Zahlen in Großbritannien schießen in die Höhe, immer mehr

Menschen liegen mit Covid-19 im Krankenhaus. Premier Boris Johnson
will einen weiteren nationalen Lockdown um jeden Preis verhindern -
und setzt dabei auf ein neues System.

London (dpa) - Mit einem dreistufigen Alarmsystem will der britische
Premierminister Boris Johnson die rapide steigenden Corona-Fallzahlen
in England unter Kontrolle bringen. Je nach Risikograd - mittel, hoch
oder sehr hoch - sollen ab Mittwoch verschärfte Maßnahmen gelten, wie
Johnson am Montag in London erklärte. «Die kommenden Wochen und
Monate werden schwierig», gab der Regierungschef zu. «Wir müssen
jetzt handeln.» Einen Lockdown wie im Frühjahr will er um jeden Preis
verhindern - Schulen, Universitäten und Geschäfte sollen diesmal
geöffnet bleiben. Die Abgeordneten müssen am Dienstag noch zustimmen.

Johnsons neues System soll die bisherigen Regeln vereinfachen und
nachvollziehbarer machen. In der Region rund um die nordenglische
Stadt Liverpool, für die der Premier die höchste Risikostufe
erklärte, müssen Pubs und Fitnessstudios bis auf Weiteres schließen.

Ausnahme sind Pubs, die wie Restaurants Mahlzeiten anbieten. Außerdem
dürfen sich Angehörige verschiedener Haushalte in diesen Regionen
nicht mehr miteinander treffen, weder drinnen noch draußen.

In Städten und Gemeinden mit der zweithöchsten Warnstufe gilt dieses
Verbot für Treffen in Innenräumen ebenfalls, allerdings sind noch
sogenannte «Support Bubbles», also kleine Unterstützungsgruppen, und

Treffen an der frischen Luft erlaubt. Die Hauptstadt London könnte
angesichts steigender Zahlen bald in diese Kategorien fallen, wie ein
Stadtsprecher in einem Statement schrieb.

In der untersten Warnstufe gelten die gleichen Regeln wie bislang für
ganz England: Pubs und Restaurants müssen um 22 Uhr schließen,
außerdem sind sechs Personen bei Treffen das Maximum. Wales,
Nordirland und Schottland haben eigene, oft noch schärfere Maßnahmen.
So setzt Schottland derzeit etwa auf eine gut zweiwöchige Phase, in
der die Gastronomie abends weitgehend schließen muss.

Insbesondere der Norden Großbritanniens ist derzeit wieder massiv von
der Ausbreitung des Coronavirus betroffen. Während sich im Spätsommer
vor allem jüngere Menschen infizierten, nehmen die Fallzahlen nun
auch bei Älteren wieder zu - und damit auch die schweren Verläufe.

Aktuell werden sogar mehr Patienten mit Covid-19 im Krankenhaus
behandelt als im Frühjahr. «Wir haben jetzt mehr Patienten mit
Covid-19 in den Krankenhäusern als kurz vor dem Beginn des kompletten
Lockdowns am 23. März», sagte der nationale Gesundheitsberater
Stephen Powis am Montag.

Oppositionsführer Keir Starmer sagte, er sei «zutiefst skeptisch,
dass die Regierung einen Plan habe, das Virus wieder unter Kontrolle
zu bringen». Etliche Maßnahmen der vergangenen Wochen hätten nicht
die gewünschte Wirkung gezeigt. Der medizinische Berater Chris Witty
betonte, für Hochrisikoregionen müssten zusammen mit den lokalen
Regierungen weitere Maßnahmen erarbeitet werden: «Die Annahme, diese
Situation ohne Schäden bewältigen zu können, ist eine Illusion.»

Großbritannien mit seinen knapp 67 Millionen Einwohnern ist mit Blick
auf die Todeszahlen das am schwersten von der Pandemie getroffene
Land in Europa: Der Statistikbehörde zufolge gibt es etwa 58 000
Todesfälle, bei denen Covid-19 auf dem Totenschein erwähnt wurde.