Mit Masken, Verboten und Spritzen gegen die Pandemie

Nicht nur in der Landeshauptstadt steigen die Infektionszahlen. Die
Lage im Südwesten bleibt angespannt. Trotzdem stößt nicht jede
Maßnahme gegen die Pandemie auf Verständnis.

Stuttgart (dpa/lsw) - Baden-Württemberg kämpft gegen eine zweite
Corona-Welle. In Stuttgart stieg der Wert der nachgewiesenen
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Montag weiter
auf nun 70, im Kreis Esslingen auf 76,6. Dies teilte das
Landesgesundheitsamt am Abend mit. In der Landeshauptstadt treten
deshalb an diesem Mittwoch strenge Regeln in Kraft. Im Landtag
herrscht bald eine Maskenpflicht. In Erwartung eines zeitnah
verfügbaren Impfstoffes will das Land zudem Spritzen und Kanülen für

mehrere Millionen Euro beschaffen. Die grün-schwarze Landesregierung
rechnet laut einer Kabinettsvorlage damit, bis Ende dieses Jahres
einen Impfstoff zur Verfügung zu haben.

Aufgrund der weltweiten Nachfrage nach Impfbesteck könne nicht
abgewartet werden, bis der Covid-19-Impfstoff auf dem Markt sei,
heißt es in einer Kabinettsvorlage des Sozialministeriums, aus der
«Heilbronner Stimme» und «Mannheimer Morgen» (Dienstag) berichten u
nd
die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Land will demnach
Materialien für die Impfung von 9,3 Millionen Erwachsenen im Land
beschaffen. Die Rede ist unter anderem von jeweils 18,6 Millionen
Spritzen und Kanülen zur Verabreichung des Impfstoffes, 74 400
Tupferrollen und 148 800 Mal Hautdesinfektionsmittel. Insgesamt seien
rund zehn Millionen Euro anzusetzen - plus Logistikkosten.

Das Land geht der Kabinettsvorlage zufolge davon aus, dass ein
Corona-Impfstoff noch dieses Jahr verabreicht werden kann. «Die
ersten zu erwartenden Impfstoffe werden für Erwachsene
voraussichtlich im 4. Quartal 2020 zugelassen und stehen
voraussichtlich im 4. Quartal 2020 zur Verfügung», heißt es darin.

In der Landeshauptstadt Stuttgart treten am Mittwoch strenge Regeln
in Kraft. So wird etwa in der Innenstadt das Tragen eines
Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend. Der Konsum von Alkohol wird
eingeschränkt. Bei privaten Feiern sind demnächst nur noch zehn
Teilnehmer erlaubt. Zudem mobilisiert die Stadt zur Verfolgung von
Kontaktpersonen im Zuge der Corona-Pandemie die ganze Stadtverwaltung
und erbittet die Hilfe der Bundeswehr. In Heilbronn hat die
Bundeswehr am Montag bereits begonnen, das Gesundheitsamt des
Landkreises bei der Verfolgung der Infektionsketten zu unterstützen,
wie ein Sprecher des Innenministeriums mitteilte.

Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ordnete angesichts der
Entwicklung im Ballungsraum Stuttgart eine Maskenpflicht im Landtag
ab 14. Oktober an. Die gilt für alle Gebäude und Räumlichkeiten des
Landtags - auch für den Plenarsaal, die Sitzungssäle und die
Besprechungsräume sowie alle Verkehrsflächen und Aufzugsanlagen. Die
Abgeordneten dürfen die Maske aber in Sitzungssälen und im Plenarsaal
am Platz ablegen, sofern der Mindestabstand eingehalten wird.
Verstöße können mit einem Zwangsgeld geahndet werden - mindestens 250

Euro für Abgeordnete und mindestens 150 Euro für Mitarbeiter und
Besucher. Bislang herrscht im Landtag nur ein Maskengebot.

Neben Stuttgart ist der Kreis Esslingen der «Hotspot» im Land. Dort
lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag bei 76,6. Die Zahl der
nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen im ganzen Land stieg am Montag
im Vergleich zum Vortag um 595 auf 54 925 Fälle. Die Zahl der Toten
im Zusammenhang mit dem Virus stieg um zwei auf 1903.

Derweil kritisieren Tourismusminister Guido Wolf (CDU) und die FDP im
Landtag das Beherbergungsverbot, das für Besucher aus Stadt- oder
Landkreisen mit erhöhtem Infektionsgeschehen für Hotels, Herbergen,
Campingplätze und andere ähnliche Einrichtungen gilt. Das mache immer
weniger Sinn und sei für Hoteliers wie für Reisende eine
unverhältnismäßige Belastung, sagte Wolf am Montag der dpa. Die
Intensität von Ansteckungen in Beherbergungsbetrieben sei äußerst
gering. Außerdem müsse es für Geschäftsleute oder Arbeiter möglic
h
bleiben, eine Unterkunft im Land zu finden.

Maßgeblich für das Beherbergungsverbot ist, ob die Zahl der
Neuinfektionen im Heimatkreis der Betroffenen in den vergangenen
sieben Tagen vor der Anreise pro 100 000 Einwohner über 50 lag.
«Pauschale Beherbergungsverbote für innerdeutsche Reisende sind
reiner Aktionismus und helfen nicht bei der Eindämmung der Pandemie»,
betonte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. «Sie gefährden im
Gegenteil die Akzeptanz von tatsächlich erforderlichen Maßnahmen.»
Die Beherbergungsverbote müssten unverzüglich aufgehoben werden.

Trotz der sich zuspitzenden Pandemie sieht Tourismusminister Wolf
auch keinen Grund für einen Verzicht auf Reisen durchs Land in den
Herbstferien. «Urlaub in Baden-Württemberg war nach allem, was wir
bisher wissen, gerade kein Infektionstreiber», sagte er. «Deswegen
wehre ich mich gegen die Aussage, in Baden-Württemberg solle im
Herbst kein Urlaub verbracht werden.» Die Betriebe gingen sehr
verantwortungsvoll mit der Situation um. «Gegen einen Urlaub in
Baden-Württemberg unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln ist
aus meiner Sicht nichts einzuwenden.» Zuvor hatte unter anderem
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Bürgern
nahegelegt, im Herbst dieses Jahr nicht wegzufahren.