SPD-Fraktionschef stellt Brandenburger Beherbergungsverbot infrage

In Brandenburg sind Übernachtungen in Hotels oder Pensionen tabu für
Gäste aus Gebieten in Deutschland mit vielen Corona-Neuinfektionen.
Die rot-schwarz-grüne Regierung verteidigt ihre Regelung, doch von
der Spitze der SPD im Landtag kommen Zweifel am Verbot.

Potsdam (dpa/bb) - Gegen das Beherbergungsverbot der Brandenburger
Regierung für Gäste aus deutschen Corona-Hotspots wird die Kritik
lauter - auch aus den eigenen Reihen. SPD-Landtagsfraktionschef Erik
Stohn forderte, die Regelung auf den Prüfstand zu stellen. «Wenn die
Infektionen vor allem bei privaten Feiern entstehen oder durch
Ausbrüche in Krankenhäusern, dann sollten Besuchsregeln in den
Einrichtungen wirksamer sein als ein Übernachtungsverbot für
urlaubende Familien», sagte Stohn am Montag laut Mitteilung. Ein
abgesagter Urlaub auf dem Land senke nicht die Zahl der Infektionen
im privaten Umfeld. «Wir sollten (...) das Beherbergungsverbot
überprüfen.»

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Brandenburg erwägt
juristische Schritte gegen die Regelung. Der Verband werde prüfen, ob
«wir eine einstweilige Verfügung für Brandenburg ansetzen gegen das
Beherbergungsverbot», sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Olaf Lücke

der Deutschen Presse-Agentur. Es sei nicht sinnvoll, wenn Gäste den
Tag über eine Hochzeitsfeier feiern könnten, aber dann nicht
übernachten dürften, wo sie niemanden ansteckten. Er warnte zugleich
vor großen wirtschaftlichen Einbußen. Die Hoteliers bekämen bereits
massenhaft Stornierungen herein, sagte Lücke.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung verteidigte das Verbot. «Wir
verstehen, dass das Beherbergungsverbot für viele eine enorme
Belastung darstellt», sagte Vize-Regierungssprecher Simon Zunk.
«Angesichts der rasant steigenden Zahlen von Neuinfektionen gilt es
aber, alles zu tun, um die Verbreitung einzudämmen.» Das Verbot, das
es in Brandenburg seit Juni gebe, sei zwischen den Ländern damals so
vereinbart worden. «Das Beherbergungsverbot ist aber kein
Einreiseverbot», betonte der Sprecher. Fahrten zur Arbeit, zum
Einkaufen und zur Erholung aber weiter möglich.

Ein Beherbergungsbetrieb aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin stellte
einen Eilantrag gegen die Brandenburger Corona-Verordnung beim
Verwaltungsgericht Potsdam. Gerichtssprecher Ruben Langer bestätigte
den Eingang. Die «Märkische Allgemeine» berichtete am Montag, der
Betrieb halte das Beherbergungsverbot für rechtswidrig,
undurchführbar und unverhältnismäßig. Der Gerichtssprecher sagte, d
as
Verwaltungsgericht habe darauf verwiesen, dass es Bedenken gegen die
Zuständigkeit habe, weil sich der Antrag gegen die komplette
Verordnung und nicht gegen einen Verwaltungsakt wende. In solch einem
Fall sei das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zuständig.

Wenn Gäste aus einer Stadt oder einem Landkreis in Deutschland mit
mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in den vergangenen
sieben Tagen nach Brandenburg kommen, dürfen sie seit Juni nicht in
Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen oder Campingplätzen übernachten.
Das Verbot gilt nicht, wenn die Besucher einen höchstens 48 Stunden
alten negativen Corona-Test vorlegen können, nur einen Ausflug machen
oder einkaufen. Die meisten Bundesländer haben ähnliche Regelungen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verwies am Montag
auf die Arbeit der Krankenhäuser. Sie stünden in der Corona-Pandemie
vor einer erheblichen Belastung. «Zusammen mit dem Bund sind wir mit
erheblichen Ausgleichszahlungen und der Förderung für neue
Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten aktiv geworden», sagte
Woidke beim Besuch des Krankenhauses Ludwigsfelde laut Mitteilung.

Hotspots in Brandenburg sind weiter der Landkreis Oder-Spree und die
Stadt Cottbus. Dort gelten strengere Corona-Regeln mit Maskenpflicht
in Büros und Gaststätten, wenn man nicht am Platz ist, sowie
niedrigere Obergrenzen für private Feiern, weil die zahl neuer
Ansteckungen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen den Wert von 35
übertroffen hat. Im Kreis Oder-Spree lag die Zahl bei 40,8, teilte
das Gesundheitsministerium am Montag mit. Für Cottbus gab das
Ministerium den Wert mit 37,1 an, nach Angaben der Stadt liegt er
bereits bei 40.

Eine Kita in Altlandsberg im Kreis Märkisch-Oderland musste vorerst
schließen. Wegen einer Corona-Infektion müssten zahlreiche
Kontaktpersonen in Quarantäne, der Kitabetrieb könne nicht
aufrechterhalten werden, teilte der Kreis mit. Am Carl-Thiem-Klinikum
Cottbus sind 18 Mitarbeiter und elf Schüler der Medizinischen Schule
infiziert. Ein Patient sei an Covid-19 erkrankt. Die Tageskliniken
öffneten wieder, geplante Operationen gebe es bis Freitag aber nicht.