Wieder im Fokus: der Planet Venus Von Helmut Reuter, dpa

Der «Planet der Liebe» wurde von der Raumfahrt zuletzt eher
stiefmütterlich behandelt. Das hat sich seit kurzem wieder geändert,
seit Anzeichen für mögliche Lebensformen in der Atmosphäre der Venus

entdeckt wurden. Missionen sollen folgen.

Bremen (dpa) - Die Venus bekommt diese Woche Besuch von der Erde.
Zwar mit gebotenem Abstand von knapp 11 000 Kilometern - aber
immerhin. Die europäisch-japanische Merkur-Sonde «BepiColombo» fliegt

am Donnerstag vorbei, um durch die Gravitationsbedingungen ihre Fahrt
auf dem Weg zum Merkur abzubremsen. Es gibt aber bei den Forschern
auch die leise Hoffnung bei diesem ersten von zwei «Venus-Flybys»,
weitere Anzeichen für mögliche Lebensformen in der Atmosphäre des
Planeten zu finden. Wenn nicht jetzt, dann aber doch im August 2021,
wenn «BepiColombo» in nur etwa 550 Kilometern Distanz nochmal an der
Venus vorbeisaust.

Erst vergangenen Monat gaben Astronomen bekannt, dass sie in der
Venus-Atmosphäre das Gas Monophosphan entdeckt haben. Auf der Erde
entsteht diese Verbindung aus einem Phosphor- und drei
Wasserstoffatomen (PH3) vor allem durch biologische Prozesse, die
unter Ausschluss von Sauerstoff stattfinden. Allerdings gossen die
Forscher gleich etwas Wasser in den Wein, denn der Nachweis in der
Venus-Atmosphäre sei kein belastbarer Beleg für eine biologische
Quelle auf dem der Erde am nächsten gelegenen Planeten.

Aber was, wenn es stimmt? «Wenn sich jetzt auf der Venus - dem
Nachbarplaneten der Erde - bestimmte Lebensformen bestätigten, dann
wäre das natürlich für das ganze Weltbild der Menschheit
entscheidend», sagt Marco Fuchs, Vorstandschef des Bremer
Raumfahrtkonzerns OHB: «Vor 500 Jahren glaubten die Menschen, die
Welt sei der Mittelpunkt des Universums, und dass Sonne und Mond um
die Erde kreisen. Kepler und Kopernikus haben uns eines Besseren
belehrt.» OHB macht sich seit vielen Jahren für eine Mission zu dem
zeitweise nur 40 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Planeten
stark.

Die Venus wird gerne als Zwillingsplanet der Erde bezeichnet. Größe,
Masse, Dichte sowie innerer Aufbau stimmen nach Angaben der
Europäischen Raumfahrtagentur Esa annähernd überein. Auch die
Schwerkraft sei nahezu ähnlich: Ein 80 Kilogramm schweres irdisches
Wesen würde auf dem «Planet der Liebe» 72 Kilogramm auf die Waage
bringen. Allerdings: Durch einen starken Treibhauseffekt herrschen
auf der Oberfläche mehrere hundert Grad Celsius, es ist dort viel zu
heiß für Leben.

Der Planet ist aber umgeben von einer dichten Wolkendecke und dort
ist es dann deutlich kühler. OHB hat Entwürfe für eine Drohne, die
genau dort in 50 Kilometer Höhe eingesetzt werden könnte und den
möglichen Spuren nach Leben mit verschiedensten Messinstrumenten
nachgehen könnte. «Die Schwierigkeit von Missionen zu Mars und Venus
ist, Menschen dorthin zu fliegen. Dafür ist es sehr weit. Aber
Drohnen zum Mars oder zur Venus zu fliegen, ist nicht schwierig, die
Technologie dafür ist vorhanden», sagt Fuchs.

Den neuen Forschungsergebnisse ließen sowohl die USA als auch
Russland Ankündigungen für Venus-Missionen folgen. NASA-Chef Jim
Bridenstine zeigte sich begeistert von den neuen Funden. Er bewertete
die Entdeckung des Monophosphan-Gases sogar als «die bislang
bedeutendste Entwicklung für den Fall, dass es Leben außerhalb der
Erde geben sollte».

Auch die Raumfahrtagentur Esa hält den Planeten für hochinteressant.
Zuletzt schickte sie 2013 die Sonde «Venus Express» in dessen
Umlaufbahn. Dabei wurde festgestellt, dass es auf der Venus einen
deutlich stärkeren Treibhauseffekt gibt als auf der Erde. «Diese
Erkenntnis hat es den Klimaforschern ermöglicht, den Treibhauseffekt
auf der Erde zu verstehen. Insofern ist die Venus für uns sehr
interessant», so Esa-Chef Jan Wörner im vorigen Jahr in einem
Interview.

Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) weist man darauf
hin, dass Erde und Venus sich bei aller Gemeinsamkeit völlig anders
entwickelt haben. «Wir verstehen aber noch nicht warum. Hatte die
Erde einfach nur Glück oder die Venus einfach nur Pech?», fragt sich
der Physiker Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in
Berlin. «Es ist gut möglich, dass die Venus in früheren Phasen
lebensfreundlicher war.»

Ohne neue Missionen dürfte das nicht rauszufinden sein. Derzeit wird
die Venus lediglich von der japanischen Sonde Akatsuki umkreist. Ob
Nasa, Esa oder die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos - wer auch
immer die nächste Mission auf den Weg bringt, müsste dafür viel Geld

in die Hand nehmen. Für OHB-Chef Fuchs letztlich auch eine Frage der
Prioritätensetzung: «Wie wichtig nimmt man die Suche nach
außerirdischen Leben? Glaubt man wirklich daran, dass es einen
Nachweis für Leben außerhalb der Erde gibt? Das sind die großen
Rätsel der Menschheit.»