Immer mehr Corona-Hotspots - Debatte um Beherbergungsverbot

In großen Städten steigen die Corona-Fallzahlen rasant an. Die
Kommunen reagieren umgehend mit schärferen Einschränkungen des
öffentlichen Lebens. Und aus Bayern kommt der Ruf nach einheitlichen
Bußgeldern.

Berlin (dpa) - Immer mehr deutsche Städte werden zu Corona-Hotspots
und fahren daher die Sicherheitsmaßnahmen zum Eingrenzen der Pandemie
hoch. Am Wochenende meldeten unter anderem Köln, Stuttgart, Essen und
Mainz das Überschreiten der wichtigen Warnstufe von 50 Neuinfektionen
pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Andere Großstädte wie Berlin,
Frankfurt und Bremen waren schon zuvor über diese Marke gestiegen.
München liegt nur noch knapp darunter. In Berlin trat am Wochenende
deshalb eine nächtliche Sperrstunde in Kraft, Stuttgart und Köln
schränken unter anderem das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit
stark ein und verschärfen die Maskenpflicht. Immer lauter wird die
Kritik an Beherbergungsverboten bei innerdeutschen Reisen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder machte sich für bundesweit
schärfere Strafen bei Verstößen gegen die Maskenpflicht stark. In
mehreren Interviews forderte der CSU-Chef am Wochenende bundesweit
einheitliche Bußgelder von 250 Euro. In Bayern gilt dies bereits.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hat dafür

Unterstützung signalisiert. «Dass wir die Bußgelder ähnlich
handhaben, dass wir auch das Bestrafen vom Verletzen der
Quarantäneregeln ähnlich handhaben, ich glaube, das ist ein guter
Gedanke. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir da zu gemeinsamen
Beschlüssen kommen», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend im
ZDF-«heute journal». Am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) und die Ministerpräsidenten erneut über Maßnahmen in der
Corona-Pandemie beraten. «Lokal weiter handeln mit den örtlichen
Gesundheitsämtern, aber vergleichbare Regeln in ganz Deutschland
haben - das ist das Ziel, dem wir uns auch am Mittwoch mit der
Bundeskanzlerin widmen wollen», sagte Laschet.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag meldeten die
Gesundheitsämter innerhalb eines Tages 3483 neue Corona-Infektionen.
An Sonntagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, auch weil
am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI melden.

Am vergangenen Freitag hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den
Oberbürgermeistern der elf größten deutschen Städte über die Lage

beraten. An der Entwicklung in den Ballungsräumen zeige sich, «ob wir
die Pandemie in Deutschland unter Kontrolle halten können oder ob uns
die Kontrolle entgleitet», sagte sie anschließend. Der vereinbarte
Maßnahmenkatalog sieht unter anderem die Entsendung von Experten des
RKI und der Bundeswehr vor, wenn die Schwelle von 35 Neuinfektionen
pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten wird. Ab 50
Infektionen pro 100 000 Einwohner soll es neue Beschränkungen geben.

Mehrere Ministerpräsidenten riefen die Bürger zum strikten Einhalten
der Abstands- und Hygieneregeln auf. «Die Lage ist ernst. Ernster,
als diejenigen glauben, die sich nicht an die Schutzmaßnahmen
halten», sagte die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer
(SPD) am Sonntag in Mainz.

Allein in Nordrhein-Westfalen lagen am Sonntag neun Kreise und
kreisfreie Städte über der wichtigen 50er Marke. Laschet kündigte
landesweit einheitliche Regeln für die Einschränkung des öffentlichen

Lebens in Corona-Hotspots an. So dürfen sich bei Überschreiten der
50er-Marke nur noch bis zu fünf Personen aus verschiedenen Haushalten
in der Öffentlichkeit treffen, zudem sollen die Öffnungszeiten von
Kneipen und Restaurants eingeschränkt werden.

In Stuttgart meldete das Landesgesundheitsamt am Samstagabend 50,5
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Deshalb sind ab
Mittwoch bei privaten Feiern nur noch zehn Teilnehmer erlaubt, bei
Feiern in öffentlichen und angemieteten Räumen nur noch 25.

In Berlin wurden nach Zahlen vom Samstag 58,2 Coronafälle pro 100 000
Einwohner in den vergangenen sieben Tagen erfasst. Seit Samstag
müssen in der Hauptstadt Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten
Geschäfte von 23.00 bis 6.00 Uhr geschlossen sein. Bei privaten
Zusammenkünften in geschlossenen Räumen dürfen nur noch höchstens
zehn Menschen zusammenkommen. Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis
06.00 Uhr nur noch fünf Personen versammeln.

Umstritten bleiben die von mehreren Bundesländern erlassenen
Beherbergungsverbote für Urlauber aus solchen Corona-Hotspots. «Ich
halte diese Maßnahme für rechtswidrig, weil sie weder verhältnismä
ßig
noch geeignet ist», sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki
(FDP) der «Bild»-Zeitung (Montag). Auch der SPD-Gesundheitspolitiker
Karl Lauterbach äußerte massive Kritik. «Da wurde ein Fehler gemacht,

das müsste abgeräumt werden», sagte er der «Süddeutschen Zeitung
»
(Montag). «Keine Studie zeigt, dass das Reisen innerhalb Deutschlands
ein Pandemietreiber ist. Ich löse mit diesen Regeln also kein
Problem, weil es da kein Problem gibt.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte an,
dass die Beherbergungsverbote bei der Ministerpräsidentenkonferenz am
Mittwoch noch einmal beraten werden. «Wir haben Hunderttausende
Pendler jeden Tag. Die begegnen sich im Einzelhandel, im Nahverkehr,
auf der Arbeit. Und dann darf ein Berliner aber zwei Tage nicht im
Spreewald übernachten. Das macht alles keinen Sinn», sagte Müller am

Sonntagabend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt».

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK),
Eric Schweitzer, kritisierte «unkoordinierte Regelungen» bei
Beherbergungsverboten. Dies sorge für große Verunsicherung bei den
Unternehmen, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes
Dehoga, Ingrid Hartges, bezeichnete es in der «Passauer Neuen Presse»
(Samstag) als «völlig unbefriedigend, dass wir keine
bundeseinheitlichen Regelwerke haben».

Kanzleramtsminister Helge Braun verteidigte die Maßnahme dagegen.
«Mecklenburg-Vorpommern hat als Ganzes eine Inzidenz von etwas um die
5, und Berlin über 60. Wenn es zu solchen Unterschieden im
Infektionsgeschehen kommt, ist glaube ich ganz klar, dass jeder sich
schützen will, und dann ist so was am Ende unvermeidlich», sagte der
CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Bericht aus
Berlin». Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete die
Maßnahme am Sonntagabend in den ARD-«Tagesthemen» als
«Sicherheitsmaßnahme, eine Notmaßnahme». «Wir sind eigentlich zu
früh
zu hoch mit den Zahlen, und wir müssen jetzt die Situation sehr ernst
nehmen, damit wir keine unkontrollierte Ausbreitung bekommen». Und
weiter: «Deshalb ist es gut, wenn wir jetzt gemeinschaftlich
überlegen, wie wir einheitliche Regeln haben, die in der Tat für alle
in Deutschland verständlich und anwendbar sind.»

In einer Reihe von Bundesländern begannen am Wochenende die
Herbstferien. Menschen aus Berlin können wegen der Verbote jedoch
noch nicht mal jenseits der Stadtgrenze in Brandenburg Urlaub machen.
Auch ein Ostsee-Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern ist für sie tabu.